Esther Heiss
Esther Heiss zeigt ihren Fantasy-Buchtipp.
Heiss

Oma und Mutter lasen ihr immer Sagen, Legenden, Märchen oder Geschichten über Götter und Halbgötter vor, und der Vater, wenn sie irgendwo warten mussten, erzählte ihr Geschichten von Rittern. "Da lernt man, größer und weiter zu denken", sagt sie. "Nicht nur in Schwarz-Weiß, wie das heute der Fall ist, sondern in den wichtigen Grautönen. Man lernt, dass auch Götter Fehler machen und sich dann bemühen, sie wieder auszubessern. Und auch, dass man sich selbst nicht so wichtig nehmen soll."

Liebeleien und Fehltritte der Götter

Während des Orientalistikstudiums dann haben sie die Liebeleien, Fehltritte oder Heldentaten der Götter begeistert, sprich: deren allzumenschliche Seiten. Und während des Judaistikstudiums waren es die Erzählungen im babylonischen Talmud, in denen Nichtigkeiten gleichwertig zu Weltbewegendem diskutiert werden, selbstverständlich las sie das alles im sumerischen, arkadischen, hebräischen oder aramäischen Original. "Ganze Welten werden dabei erschaffen mit teils eigener Sprache!" Und das fasziniert sie bis heute auch an Fantasyreihen wie Eragon, die sie als Teenager las. "Der Autor war 15, als er sich das alles zusammenschusterte, und er dachte groß! Der kannte keine Zweifel, nur ein ‚Ich mach das jetzt‘! 4000 Seiten muss man erst mal schreiben!" Immer 1000 Seiten davon hat sie an einem Wochenende gelesen, "da hab ich geschaut, dass ich alle Hausaufgaben erledigt hatte!". Und dann war sie tatsächlich "weg", ist "eingetaucht" und ließ sich nur von Grundbedürfnissen wie Hunger ablenken.

"In diesen Geschichten gibt es Idealismus gepaart mit Verantwortungsbewusstsein und dem Wunsch, etwas zu verändern." Und das hat sie für sich selbst mitgenommen, denn ihre zukünftige Aufgabe im Österreichischen Jüdischen Museum beschreibt sie mit genau diesen Begriffen. Und wie hat sie die Monate nach dem Bewerbungsgespräch zugebracht, während der sie nichts hörte? "Mit Fantasybüchern!", lacht sie, die diese Art der Lektüre generell für Durststrecken im Leben empfiehlt, denn eines lerne man darin auch: "Es werden wieder bessere Zeiten kommen." (Manfred Rebhandl, 13.1.2024)