Frau in Pullover trinkt Wasser aus Plastikflasche
Einer US-amerikanischen Studie zufolge enthält Wasser aus Plastikflaschen hunderttausende Nanoplastik-Partikel.
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Plastik ist praktisch: Es ist vielseitig, leicht und hilft, Dinge hygienisch zu transportieren. Seit Menschen Kunststoffe herstellen, haben sie sie aber auch über den kompletten Globus verteilt. Vom Marianengraben bis in die entlegene Antarktis ist Plastik nachweisbar, winzige Fasern dürften ihren Weg sogar in die Stratosphäre finden – und freilich in den menschlichen Körper.

Die gesundheitlichen Konsequenzen für uns sind schwierig abzuschätzen. Es gibt aber aus Tierversuchen und Zellkulturen Hinweise darauf, dass Mikroplastik das Krebsrisiko erhöht sowie Immunsystem, Stoffwechsel und Fortpflanzung stört. Schlechter erforscht ist Nanoplastik, das noch eine Ebene kleiner ist, je nach Definition unter einem oder 0,1 Mikrometer. Die Partikel sind so winzig, dass sie im Körper durch viele Barrieren dringen, womöglich auch ins Gehirn. In Zellkulturen fördert es mitunter Entzündungen und kann zum Zelltod führen.

Nanoplastik ist so klein, dass es schwierig nachzuweisen ist. Nun gelang es einer US-amerikanischen Forschungsgruppe erstmals, die Kleinstkunststoffe in Wasser aus Plastikflaschen nachzuweisen. Die Chemikerin Naixin Qian von der Columbia University in New York testete mit ihrem Team Trinkwasser von drei bekannten Marken, die in der Studie im Fachmagazin "PNAS" nicht genannt werden. Sie machte durchschnittlich etwa 250.000 Nanoplastikpartikel pro Liter aus (die geringste Konzentration lag bei 110.000 Teilchen).

Goldener Löffel mit kleinen bunten Plastikteilen darin vor hellblauem Hintergrund
Plastik nehmen wir über Nahrung und Wasser zu uns.
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Das sind 100-mal mehr Partikel, als man bisher vermutet hat. Per Laserstrahlen machte das Team die Teilchen aus, die nur einen Bruchteil der Größe eines Sandkörnchens ausmachen.

Quellen des Plastiks

Die Fachleute gehen davon aus, dass ein Großteil des Plastiks im Trinkwasser von der Plastikflasche selbst stammt. Demnach könnte es etwas bringen, kein Wasser aus Plastikflaschen zu trinken. Allerdings konnten sie nur ein Zehntel der Partikel zu einer bestimmten Kunststoffart zuordnen – etwa PET, Polyethylenterephthalat, Hauptbestandteil vieler Plastikflaschen.

Polyamid trat in den Proben ebenfalls gehäuft auf. Es stammt vermutlich aus Kleidungsabrieb, der sich beim Waschen synthetischer Stoffe bildet und über das Abwasser in Kläranlagen landet. Zum Herausfiltern sind einige dieser Partikel zu klein. Und sie entstehen vor allem bei einer Praxis, die eigentlich zu einem nachhaltigeren Leben beitragen soll: Beim Recycling von Plastik werden die Kunststoffe zerkleinert, um in neue Formen gepresst zu werden. Eine Forschungsarbeit konnte zeigen, dass in Recyclinganlagen viel Mikroplastik freigesetzt wird, Gleiches dürfte für das noch kleinere Nanoplastik gelten.

Weg in den Körper

"Wir sind von Nanoplastik umgeben, wir können ihm kaum entfliehen", sagt Biochemikerin Eleonore Fröhlich von der Medizinischen Universität Graz, die nicht an der Studie beteiligt war, im "Spiegel". Das werde durch die großen Mengen, die das Forschungsteam im Trinkwasser gefunden hat, deutlich. Und dies gilt der Forscherin zufolge auch, obwohl unklar ist, inwiefern sich die Ergebnisse anhand von Proben aus den US-amerikanischen Wasserflaschen auf Europa übertragen lassen.

Plastikteilchen nehmen wir über Trinkwasser auf sowie über unser Essen. Felder werden teilweise mit Klärschlamm gedüngt, der nicht nur Mikro- und Nanoplastik enthält, sondern auch sogenannte Ewigkeitschemikalien (PFAS), die auf natürliche Weise kaum abbaubar sind und sich in Organismen ansammeln – mit ebenfalls unklaren Folgen.

Haufen kleiner, bunter Plastikteile
Wie genau Mikro- und Nanoplastik einen menschlichen Organismus beeinflusst, muss noch besser erforscht werden.
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Die Auswirkungen von Nano- und Mikroplastik auf den menschlichen Körper sind noch unzureichend erforscht, um Gesundheitsrisiken sicher abzuschätzen. Klinische Studien darüber sind an Menschen nur schwierig durchzuführen.

Filtern, zerstören, vermeiden

Dennoch ruft die Weltgesundheitsorganisation (WHO) dazu auf, die Plastikverschmutzung einzudämmen, damit Menschen dem Material weniger ausgesetzt werden. Ein extrem schwieriges Unterfangen, wenn man die Berge an Plastikmüll sieht, die sich auf Halden stapeln und in den Ozeanen schwimmen und dabei an einen gigantischen Eisberg erinnern, wie der Great Pacific Garbage Patch, der 1,6 Millionen Quadratkilometer misst.

Hoffnung geben Forschungsergebnisse zu Bakterien, Pilzen und Insektenlarven, die Plastik zersetzen können, wobei genauer untersucht werden müsste, was mit dem auf diese Weise hergestellten Nanoplastik geschieht. Das Herausfiltern oder Zerstören ist jedenfalls eine Methode, die nur punktuell funktioniert und das Ausmaß der Umweltverschmutzung nicht fassen kann.

Die beste Strategie dürfte im Vermeiden von Plastik liegen. Hier gibt es ebenfalls keine einfache Lösung: Produktionsbetriebe müssen alternative Materialien mit vergleichbaren Eigenschaften finden und umstellen. Das hat wiederum andere Konsequenzen: Wenn man alle Plastikflaschen durch Glasflaschen ersetzen würde, wäre das ein Problem für die Ökobilanz – was Energieverbrauch, Transport und Biodiversität in Abbauregionen für Quarzsand angeht. Am besten wäre also die für uns wohl unbequemste Variante: überhaupt weniger Gegenstände zu (ver-)brauchen. (Julia Sica, 15.1.2024)