Auszubildende rührt in einem Suppentopf in der Lehrküche der Berufsschule für Gastgewerbe
Kochen vegane Restaurants bald mit einer neuen Ausbildung ihr eigenes Süppchen?
Regine Hendrich

Miriam K. ist im dritten Lehrjahr zur Köchin. Sie selbst ernährt sich seit einigen Jahren vegetarisch. Die Zubereitung von Fisch und Fleisch ist für die 21-Jährige im Rahmen der Ausbildung zwar kein Problem, sagt sie. Dennoch befürwortet sie die Idee einer rein pflanzlichen oder zumindest fleischlosen Kochlehre. Diese könnte bereits im Herbst 2024 starten.

"In meinem Umfeld ernähren sich die meisten vegan oder vegetarisch, und ich denke, dass es in Zukunft immer mehr werden", sagt die angehende Köchin. Diese Wahrnehmung lässt sich auch durch Studien belegen. Denn die Anzahl der Vegetarierinnen und Veganer in Österreich steigt stetig. Im Jahr 2017 lag der Anteil noch bei sechs Prozent, Anfang 2021 gaben rund elf Prozent der Befragten an, sich vegetarisch oder vegan zu ernähren. Das zeigte eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsinstituts Marketagent unter 500 Personen.

Vor allem die jüngere Bevölkerung setzt laut zahlreichen Umfragen zunehmend auf vegetarische oder vegane Ernährung. Außerdem spielen auch Flexitarier – also Personen, die bewusst wenig Fleisch konsumieren – eine immer größere Rolle. Laut einer Befragung im Auftrag der NGO Pro Veg zählen sich bereits 37 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher zu dieser Gruppe. 51 Prozent aller Befragten haben zudem im vergangenen Jahr laut eigenen Angaben ihren Fleischkonsum reduziert.

Jugendliche im Klassenzimmer der Berufsschule für Gastgewerbe
Eine fleischlose Kochlehre sorgt in der Berufsschule für Gastgewerbe für Diskussionsstoff. Ausbilder Fritz Katzianschitz hat sich dazu auch im Lehrerzimmer umgehört.
Regine Hendrich

Wirtschaftliches Potenzial

Schlägt sich dieser Trend auch in den Lehrküchen nieder? Um das herauszufinden, hat DER STANDARD die Berufsschule für Gastgewerbe in Wien besucht. Fleischgerichte dominieren nach wie vor die Menüs, vegane Gerichte gibt es selten. Auf der Speisekarte der dritten Klasse steht an diesem Vormittag Wildschnitzel. Während in Wien-Meidling also noch traditionell Fleisch geklopft, paniert und gebacken wird, hat die Debatte um eine vegane oder vegetarische Ausbildung zuletzt durch eine neue Studie der Wirtschaftskammer wieder an Fahrt aufgenommen.

Die Befragung zu den Ernährungsgewohnheiten der Österreicherinnen und Österreicher offenbart das wirtschaftliche Potenzial der plant-based Gastronomie. Demnach gehen Veganer und Veganerinnen am häufigsten auswärts essen und geben dafür auch am meisten Geld aus. 75 Prozent haben jedoch große Probleme, Restaurants zu finden, die kompetent und vielfältig fleischlos kochen. Die Hälfte von ihnen vermisst abwechslungsreiche Speisekarten. Fast annähernd so viele beschränken sich deshalb primär auf ihr Stammlokal.

Gespaltene Meinungen

Die Diskussion um eine mögliche vegane Kochausbildung haben die meisten der Jugendlichen und jungen Erwachsenen an der Berufsschule in der Wiener Längenfeldgasse mitbekommen. Um ein Stimmungsbild unter ihnen einzufangen, wurden Lehrlinge aus allen drei Jahrgängen zu der Thematik befragt. Die Meinungen der Schülerinnen und Schüler gehen in der Debatte auseinander.

In den meisten Klassen zeigen die Auszubildenden Verständnis für Menschen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren und darum nicht mit Fleisch arbeiten wollen. "Ich finde es schade, dass manche dadurch von der Ausbildung ausgeschlossen werden", sagt ein Berufsschüler. "Ein Arbeitskollege von uns ist vegan, wenn er ein Gericht mit Ei kocht, schmecken wir es für ihn ab", berichtet ein anderer. Fleischlose Ernährung sei gut für Klima und Tierwohl, das solle gefördert werden, sind einige überzeugt.

Lehrkraft schreibt Wortmeldungen der Schülerinnen und Schüler zum Thema vegane Küche an die Tafel
Was verbinden die Kochlehrlinge mit veganer Küche? Berufsschullehrer Thomas Mollay schreibt Wortmeldungen der zweiten Klasse an die Tafel.
Regine Hendrich

Manche wiederum halten eine eigene vegane Kochlehre für wenig sinnvoll. Eine Schülerin aus dem ersten Jahrgang sagt, sie habe wenig Verständnis für die Forderung: "Viele von uns essen auch kein Schweinefleisch, aber wir müssen trotzdem lernen, wie wir es zubereiten." Es sei ein Randgruppenthema, und ausschließlich pflanzliche Gerichte böten nur die wenigsten Restaurants an, lauten die Bedenken weiterer Lehrlinge. Die Folge: Man würde sich womöglich in den Berufsaussichten einschränken, vor allem außerhalb der Bundeshauptstadt, wo vegane Küche noch weniger verbreitet sei. Nach der Ausbildung in einem vegetarischen oder veganen Betrieb zu arbeiten, können sich einige aber durchaus vorstellen.

Fehlende Fachkräfte

Lehrlingsausbilder Fritz Katzianschitz hat sich vorab im Lehrerzimmer umgehört. Seit 1998 bildet er an der Berufsschule Jugendliche zu Köchinnen und Köchen aus. "Ich glaube, ich kann für die Mehrheit des Lehrpersonals sprechen, wenn ich sage, dass eine rein vegane Lehre für viele von uns nicht umsetzbar erscheint. Eine frei wählbare Zusatzausbildung wie beispielsweise die Fleischereiausbildung, die es bereits gibt, wäre aber in jedem Fall sinnvoll", sagt er.

Der größte Einwand unter den Lehrkräften: Den Lehrplan könne man nur mit pflanzlicher Küche nicht für drei Jahre füllen. Berufsschülerin Miriam sieht das anders: "Wenn man sich damit beschäftigt, merkt man erst, wie vielseitig Kochen ohne tierische Produkte ist." Die 21-Jährige und weitere Klassenkollegen finden, es sei an der Zeit für ein Umdenken. Ob sich die Branche leisten kann, in Zeiten des Personalmangels auf die Fachkräfte von morgen zu verzichten?

Denn nicht nur aufseiten des Angebots für Konsumentinnen und Konsumenten gibt es noch ungenutztes Potenzial, sondern auch beim beruflichen Nachwuchs. Ein Viertel der Jugendlichen, die sich für eine Kochausbildung interessieren, weigert sich laut Joachim Ivany von der Grünen Wirtschaft, Fleisch anzugreifen. Einer von ihnen ist der 15-jährige Dominik J. aus Wien.

Der Jugendliche ernährt sich seit zwei Jahren vegan, seine beiden Geschwister ebenso. Auf der Suche nach einer passenden Lehrstelle im Gastgewerbe wurde er enttäuscht: "Ich wollte so gerne Koch werden, ich hätte es aber nicht übers Herz gebracht, Fleisch zu kochen", erzählt er dem STANDARD. Im vergangenen Herbst hat er eine Lehre zum Mechaniker angefangen. Privat kocht er nach wie vor leidenschaftlich gerne.

Schlechte Rahmenbedingungen

Der Personalmangel in der Branche ist jedenfalls spürbar. Jedes Jahr verlassen rund 140.000 Menschen ihre Jobs in der Gastronomie und im Tourismus, zeigte eine Studie des Forschungsinstituts IHS aus dem Vorjahr. Auch die Zahl der Lehrlinge ist seit Jahren rückläufig. Rund 2.650 Jugendliche und junge Erwachsene machten 2022 in Österreich eine Kochlehre – im Vergleich dazu lag diese Zahl 2012 noch bei knapp 4.400. Bundesweit stehen Köchinnen und Köche deshalb seit einigen Jahren auf der Liste der Mangelberufe.

Ob eine neue Ausbildung diese Lücke füllen kann, sieht Lehrkraft Henri Schreiber kritisch. Er selbst hat als Jugendlicher die Lehre zum Koch gemacht und einige Jahre in der Branche gearbeitet, ehe er begann, an der Berufsschule zu unterrichten. "Wenn es darum geht, mehr Junge für den Beruf und die Branche zu begeistern – und sie auch zu halten –, sehe ich seit Jahren dieselben Baustellen: schlechte Rahmenbedingungen wie unregelmäßige Arbeitszeiten, wenig Gehalt und oftmals ein rauer Umgangston in der Küche mit den Jugendlichen", sagt er.

Hier müssten die Betriebe seiner Meinung nach ansetzen. Im Hintergrund nicken die Jugendlichen im Klassenraum mit dem Kopf. "Sie haben geredet wie ein Löwe, Herr Schreiber", bestärkt ihn ein Schüler aus den hinteren Reihen. Wie sehen das die anderen? Stimmen sie zu? Die Hände schnellen nach oben. In diesem Punkt sind sich die Lehrlinge einig. (Anika Dang, 19.1.2024)

Video: Wie vegan is(s)t Österreich?
DER STANDARD