Veganer und Veganerinnen gehen am häufigsten auswärts essen. 44 Prozent besuchen in Österreich zumindest einmal in der Woche ein Restaurant und geben dafür monatlich am meisten Geld aus. 75 Prozent haben jedoch große Probleme, Wirtshäuser zu finden, die kompetent und vielfältig fleischlos aufkochen. Die Hälfte unter ihnen vermisst abwechslungsreiche Speisekarten. Fast annähernd so viele beschränken sich primär auf ihr Stammlokal.

Wie speziell darf die Ausbildung sein, um jungen Köchen Chancen am Arbeitsmarkt nicht zu verbauen?
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In Summe wenden Haushalte, die sich vegan ernähren, monatlich durchschnittlich 442 Euro für Lebensmittel auf. Bei jenen, die sich als Allesesser deklarieren, sind es um 44 Euro weniger. Fleischlose Restaurants lassen sich Veganerinnen und Veganer im Monat im Schnitt 160 Euro kosten. Allesesser kommen auf 145, Flexitarier auf 115 und Vegetarier auf 114 Euro.

Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie, die dem STANDARD vorliegt. Erstellt hat sie das Institut für Marketing der Fachhochschule Wiener Neustadt in Kooperation mit der Sparte Tourismus Burgenland. Auftraggeber ist die Wirtschaftskammer. Diese hat sich bisher vehement gegen eine vegane Kochlehre gestemmt.

Hitzige Gefechte

Zur Erinnerung: Ende Mai stellte Joachim Ivany, der die Grünen in der Wirtschaftskammer Wien vertritt, einen Antrag für eine fleischlose Kochlehre. Zuvor hatten Spitzenköche wie Siegfried Kröpfl und Paul Ivic über Jahre vergeblich darum gerungen, Lehrlinge entsprechend ausbilden zu dürfen.

Der Kammer, in der Vertreter der Fleischbranche viel Gewicht auf die Waage bringen, schlug die Liebe zu pflanzlichen Alternativen auf den Magen. Hohe Funktionäre erteilten dem Vorhaben eine herbe Abfuhr. In der fleischlosen Küche gehe einem der Lernstoff aus, gaben sie zu bedenken. Sie warnten vor verwässerter Ausbildung und beruflichen Sackgassen. Vor allem aber fürchteten sie um Österreichs guten Ruf als Kaderschmiede für Köche.

180-Grad-Wende

Die Studie über die Ernährungsgewohnheiten der Österreicher offenbart jedoch großes wirtschaftliches Potenzial für vegane Gastronomie. Teilnehmer der jüngsten Sitzung des Berufsausbildungsbeirats des Bundes kurz vor Weihnachten sprechen von einer 180-Grad-Wende: Die Seite der Arbeitgeber plädiere nun ganz offiziell für den neuen Lehrberuf.

Freies Feld haben die Gegner tierischer Produkte bei den Wirten und Wirtinnen jedoch nach wie vor nicht: In einer für sie überraschenden Stellungnahme spricht sich die Gewerkschaft gegen eine eigenständige vegane Ausbildung aus. Sie fürchtet eine Zersplitterung des Lehrlingswesens sowie geringe Arbeitsmarktmobilität – und plädiert für Ausbildungsverbünde.

Ein Vetorecht haben die Sozialpartner nicht. Der Ball liegt nun beim Wirtschaftsministerium. "Traut er sich, oder traut er sich nicht, eine dienstgeberfreundliche Entscheidung zu treffen?", fragt sich Sabine Jungwirth, Bundessprecherin der Grünen Wirtschaft, mit Blick auf VP-Arbeitsminister Martin Kocher. Dass es Bedarf an veganer Ausbildung gebe, sei klar, nicht zuletzt auch aufgrund der Studie. "Wir brauchen diese Lehre und fordern den Minister auf, sie auf Schiene zu bringen."

Fehlende Einigung

Dieser verweist auf Anfrage auf die fehlende Einigung der Sozialpartner. "Es werden daher weitere Gespräche geführt." Das Bundesministerium bleibe jedenfalls "handlungsbereit und offen für Lösungen".

Eine rein vegane Lehre decke die Vielfalt der Gastronomie nicht ab, erläutert Gewerkschafter Berend Tusch die Skepsis der Arbeitnehmervertreter. "Um Jungen echte Chancen am Arbeitsmarkt zu geben und niemanden auszugrenzen, muss man größer denken." Tusch schlägt vor, die Ausbildung auf eine Ethnoküche in mehreren Modulen auszuweiten.

Eine Gesinnung der 70er-Jahre ortet hingegen Ivany. Die Arbeitnehmer hätten aus seiner Sicht einen nicht nachvollziehbaren Schwenk vollzogen. Sie seien in die Ausarbeitung des neuen Berufsbildes eingebunden gewesen. "Bisher gab es dazu überwiegend positive Rückmeldungen."

"Zeit für Spezialisierung"

An veganen Betrieben, die bereit seien, sie auszubilden, fehle es nicht, ist der Gastronom überzeugt. Spezialisierung sei in Zeiten, in denen Wissen in allen Gebieten umfassender werde und fachliche Anforderungen rasant stiegen, unabdingbar. "Warum gibt es Chocolatiers, warum Käse- und Wassersommeliers?"

Auch Jungwirth sieht die positiven Effekte, die zu höherer Qualität führten, überwiegen. "Auch klassische Restaurants und Hotels brauchen spezialisierte Köche."

Ausbildungsverbünde hätten sich nicht bewährt. Im Vorfeld zu definieren, wann Lehrlinge zu welchen Betrieben wechselten, sei unfassbar aufwendig, sagt Ivany. "Wer bekommt die 15-Jährigen? Wer darf von den bereits besser ausgebildeten Älteren profitieren?" Betrieben sei angesichts der volatilen Auftragslage schwer zumutbar, drei Jahre im Voraus zu planen, ergänzt Jungwirth. "Es ist ein zu starres Instrument."

"Eiernockerln und Emmentaler"

Ein gutes Drittel der Österreicher und Österreicherinnen seien Flexitarier, sie verzichteten regelmäßig bewusst auf Fleisch, zieht Ivany Bilanz. "Sollen sie jede Woche Eiernockerln oder gebackenen Emmentaler essen?" Ein Viertel der Jugendlichen, die sich für eine Kochausbildung interessierten, weigere sich, Fleisch anzugreifen und damit zu hantieren. Seine Branche könne es sich nicht leisten, diese weiter aus der Gastronomie auszusperren. (Verena Kainrath, 4.1.2024)

Video: Wie vegan is(s)t Österreich?
DER STANDARD