Reinhold Lopatka wird für die ÖVP als Spitzenkandidat in die EU-Wahl ziehen.
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Ob Zufall oder nicht: Just, als seine Spitzenkandidatur für die EU-Wahl in Wien vom Bundesparteivorstand der ÖVP einstimmig beschlossen wurde, weilte er gerade bei einer Sitzung des Europäischen Parlaments in Brüssel. Am Dienstag präsentierte sich der seit Jahrzehnten in der Politik tätige Reinhold Lopatka schließlich in neuer Rolle der Öffentlichkeit.

Die Personalie war für die ÖVP keine einfache. Zum einen, weil Othmar Karas, Vizepräsident des EU-Parlaments, wegen Differenzen mit der Parteiführung bekanntgegeben hatte, nicht mehr anzutreten. Zum anderen, weil eine Reihe von prominenten Kandidaten abgewinkt hatte. Dass der frühere Klubchef, Staats- und Generalsekretär sowie derzeitige außenpolitische Sprecher die ÖVP im Juni in die Wahl führen soll, galt bereits seit einigen Tagen als gesetzt. Den Anruf in dieser Sache von Parteichef und Kanzler Karl Nehammer bezeichnete Lopatka als "überraschend", allerdings hätte ihn dieser "nicht unvorbereitet getroffen", sagte er bei einer Pressekonferenz. Schließlich habe ihn kein Thema in seinem "langen politischen Leben schon so früh beschäftigt wie Europa".

Als "Richtungsentscheidung" bezeichnete Lopatka die EU-Wahl am 9. Juni. Der Beitritt Österreichs zur EU vor 30 Jahren habe "dem Land gutgetan": "Wir konnten unsere Wirtschaftsleistung verdoppeln, Exporte verdreifachen, Investitionen im Ausland haben sich verzehnfacht". Ihm gehe es nun darum, dass der "gute Weg für Österreich eine Fortsetzung findet".

Video: EU-Wahl: Lopatka gegen "Diktat der Straße", FPÖ und Orban.
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Kampf gegen illegale Migration und Überregulierung

Lopatka skizzierte auch die Kernthemen seiner Wahlkampfkampagne. Im Kampf gegen die illegale Migration forderte Lopatka ein "Ende der massenhaften illegalen Einwanderung", einen "robusteren Außengrenzschutz", Asylverfahren will er ausschließlich an den Außengrenzen oder in Drittstaaten. Den Kampf ansagen will Lopatka auch der Überregulierung: In großen Angelegenheiten – etwa bei künstlicher Intelligenz oder dem Klimawandel – seien gesamteuropäische Regeln zwar sinnvoll, allerdings solle sich Brüssel bei Themen, die etwa die Gemeinde- oder die Landesebene betreffen, nicht einmischen. Außerdem brauche es mehr Mittel, um die "Sicherheits- und Verteidigungsbereitschaft zu stärken" und ein "sparsames Haushalten, dass die Europäische Union nicht zu einer Schuldenunion wird". In der Wirtschafts- und Industriepolitik will er sich dem "Diktat der Straße" durch "Klimakleber" nicht beugen.

Auch wenn das Programm in manchen Punkten an jenes der Freiheitlichen erinnert, grenzte sich Lopatka von der FPÖ scharf ab. Die Freiheitlichen wollten die EU zerstören und seien "verlängerter Arm" des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Harald Vilimsky, der für die FPÖ zum dritten Mal als EU-Spitzenkandidat ins Rennen geht, würde Europa als "Feindbild" sehen, "ich habe ein Freundbild", sagte Lopatka. Lopatka wolle für die EU "kein Gegner", sondern "starker Partner" sein.

Deutlich auf Distanz ging der ÖVP-Politiker auch zum ungarischen Premier Viktor Orbán, dessen Politik die FPÖ als "Vorbild" sieht. Vonseiten Orbáns habe es Grenzüberschreitungen gegeben, denen er nicht folgen könne. Die Zusammenarbeit mit Ungarn sei gerade für Österreich wichtig, allerdings sei das Land derzeit "ein schwieriger Nachbar". Lopatka setzt seine Hoffnungen nun in eine eine "Nach-Orbán-Ära".

Kritische Worte kamen umgehend von Vilimsky. Die ÖVP sei in ihrer Europapolitik eine "lupenreine linke Partei" und würde eine "Regenbogen-Politik" betreiben, "die gut zu den internationalen Sozialisten und Grünen passt", sagte er in einer Aussendung.

"Werden nicht die Letzten sein"

Bis auf den "Profi für Europa" – wie die Volkspartei Lopatka bezeichnet – hat die ÖVP etwas überraschend die weiteren Listenplätze noch nicht fixiert. Darauf angesprochen, führte Lopatka ins Treffen, dass es "nichts Neues", sei, "dass das Team noch nicht präsentiert wird, wenn man sich als Spitzenkandidat präsentiert" – das sei auch 2014 so gewesen. Wann die weiteren Kandidaten der ÖVP für die EU-Wahl präsentiert werden, sagte Lopatka nicht. Er habe jedenfalls "keine Sorge, dass wir das nicht zeitgerecht machen", und "wir werden nicht die Letzten sein, die ihre Liste präsentieren".

Lopatka meinte, dass es sich zum einen um Kandidatinnen und Kandidaten mit Erfahrung handeln werde, sich zum anderen aber auch neue, junge Gesichter an "wählbarer Stelle" befinden werden. Gute Chancen auf den zweiten Listenplatz hinter Lopatka soll sich dem Vernehmen nach die derzeitige ÖVP-Delegationsleiterin im Europaparlament, Angelika Winzig, ausrechnen können. Auf die Kandidatenliste schaffen dürften es mehreren Medienberichten zufolge außerdem erneut die beiden niederösterreichischen EU-Abgeordneten Alexander Bernhuber und Lukas Mandl sowie als neues Gesicht die Tiroler Landtagsvizepräsidentin Sophia Kircher.

Derzeit ist die ÖVP mit sieben Abgeordneten im EU-Parlament vertreten, gemäß aktuellen Umfragen dürften es nach der EU-Wahl im Juni aber weniger werden. (Sandra Schieder, 16.1.2024)