Junge Männer in Bundesheeruniform stehen in einer Reihe
Die Zahl der Stellungspflichtigen sinkt und dadurch über die Jahre auch die Zahl der Rekruten, die jährlich angelobt werden. Knapp ein Viertel ist davor als untauglich eingestuft worden.
IMAGO/Andreas Stroh

Psychische Erkrankungen und körperliche Probleme bei jungen Männern werden für das Bundesheer zunehmend zur Herausforderung. Denn der Anteil an tauglichen Wehrpflichtigen nimmt in ohnehin geburtenschwachen Jahrgängen ab. Von den zur Stellung beorderten Männern sind etwa ein Viertel untauglich, Tendenz steigend – 2023 wurden etwas mehr Grundwehrdiener als untauglich eingestuft als im Jahr davor. Ziel müsse deshalb im Sinne der gesamten Gesellschaft sein, "dass die junge Generation wieder gesünder und fitter wird", sagte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) unlängst bei der Präsentation der Jahresbilanz zur Wehrpflicht.

Denn die Zahlen sind wenig erfreulich: Im Jahr 2023 wurden mehr als 45.000 Wehrpflichtige bei der Stellung untersucht. Etwa 31.000 von ihnen wurden als tauglich eingestuft. Das waren gut 500 weniger als im Jahr davor. Die Zahl der Untauglichen ist hingegen um 71 gestiegen. Und das, obwohl 2020 auch eine Teiltauglichkeit eingeführt wurde und die Anforderungen dadurch – vereinfacht gesagt – gelockert wurden. Das Heer kann seitdem auch eingeschränkt taugliche Männer zu einem eingeschränkten Dienst verpflichten, etwa für Büroarbeit.

Neues Männlichkeitsbild

Die Ursachen für Untauglichkeit sind immer häufiger psychische Probleme oder Verhaltensstörungen. Im Jahr 2013 waren psychische Diagnosen noch zu 38 Prozent der Grund für die Untauglichkeit, 2022 machten sie mit rund 57 Prozent schon deutlich mehr als die Hälfte aus. Diese Zahlen reihen sich ein in eine breitere gesellschaftliche Entwicklung, berichtet Barbara Haid, Präsidentin des Österreichischen Bundesverbands für Psychotherapie. Psychische Erkrankungen sind in den vergangenen Jahren ohnehin stark gestiegen, in der jungen Generation aber besonders.

Kinder seien gesellschaftlich und medial im Fokus gewesen, der Aufschrei bezüglich der Corona-bedingten Schulschließungen war groß. "Aber ältere Jugendliche und junge Erwachsene hat man wenig mitbedacht. Man ging davon aus, die schaffen das schon irgendwie", sagt Haid. Dabei ist der Übergang von der Pubertät ins Erwachsenenalter eine besonders kritische Phase für die mentale Gesundheit – vor allem für junge Männer. Die Veränderung der Rollenbilder und gesellschaftliche Erwartungen an junge Männer führen laut Haid zu Überforderung und verursachen Druck.

Mit der Veränderung des weiblichen Rollenbildes befassen wir uns gesellschaftlich schon länger, sagt Haid, veränderte Männlichkeitsbilder seien hingegen ein eher neues Phänomen. Junge Männer sollten heute nicht mehr nur stark sein, jetzt müssten sie zusätzlich auch noch Soft Skills erfüllen, sollten einfühlsam sein und im privaten Bereich mehr Aufgaben übernehmen. Das sei grundsätzlich gut und wichtig, findet Haid, "aber bei zu vielen gesellschaftlichen Erwartungen bricht das biopsychosoziale Gesamtsystem zusammen, es wird alles zu viel".

Junge Männer werden immer dicker

Bei den körperlichen Ursachen machen endokrine Ernährungs- und Stoffwechselerkrankungen mit sieben Prozent den größten Anteil aus, etwa Adipositas oder Diabetes. Auch das ist kein neues Phänomen. Dass Adipositas auch bei jungen Männern eine immer größere Rolle spielt, zeigte eine Langzeitstudie bereits vor Jahren. Forschende der Med-Uni Wien analysierten dafür die Gesundheitsdaten männlicher Rekruten von 2003 bis 2018. Das Ergebnis: Der BMI und das damit einhergehende Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen sind in diesen 15 Jahren bei männlichen Jugendlichen kontinuierlich gestiegen.

Für Fachleute ist diese Entwicklung wenig überraschend: "Gerade diese Altersgruppe ist sehr gefährdet, adipös zu werden", berichtet Yvonne Winhofer-Stöckl. Als Internistin und Oberärztin an der Adipositas-Ambulanz im AKH Wien beobachtet sie diese Entwicklung täglich in der Praxis.

Hauptursache für das Übergewicht ist laut Winhofer-Stöckl das adipogene Umfeld, also schlicht die Welt, in der wir leben: die ständige Verfügbarkeit von hochkalorischer Ernährung wie Fastfood, gepaart mit immer weniger Bewegung. Und Adipositas ist auch ein Bildungsproblem, bildungsferne Menschen sind eher von krankhaftem Übergewicht betroffen.

Ein bisschen mehr Bewegung und weniger essen reichen dabei nicht mehr aus: "Adipositas ist eine chronische Erkrankung, und dementsprechend sollten Betroffene medizinisch betreut werden", betont Winhofer-Stöckl. Die Daten zu den untauglichen Rekruten seien wahnsinnig erschreckend, findet sie, aber vielleicht sei deshalb gerade jetzt der allerbeste Zeitpunkt, um aktiv zu werden: "Es wäre doch eine super Kooperation mit dem Verteidigungsministerium, wenn wir vonseiten der Adipositas-Ambulanz die Rekruten, die untauglich waren, jetzt mit einem effektiven Programm begleiten würden", schlägt sie vor. (Magdalena Pötsch, Gudrun Springer, 21.1.2024)