Der Lkw stinkt nicht, während Pakete zugestellt werden. Der Müllwagen fährt morgens leise durch die Nachbarschaft. Und der Traktor wird an der Steckdose aufgeladen, bevor er wieder hinaus aufs Feld fährt: Wer in Österreich über E-Mobilität spricht, der denkt meist an elektrisch betriebene Pkws. Zunehmend wird aber auch daran gearbeitet, Nutzfahrzeuge zu elektrifizieren. Die Entwicklung ist nicht so weit fortgeschritten wie im Personenverkehr, könnte in dem kommenden Jahren aber deutlich Fahrt aufnehmen.

Alle großen Hersteller bieten schon E-Lkws

So gut wie alle großen Lkw-Hersteller – darunter Scania, MAN, Volvo und Renault – bieten inzwischen auch elektrische Lastkraftwägen an. Kleinere Hersteller wie Volta Trucks mussten indes bereits Insolvenz anmelden, bevor überhaupt mit der Auslieferung der Fahrzeuge begonnen werden konnte. Bei MAN betont man, dass die E-Lkws leiser und umweltfreundlicher als die Dieselkonkurrenz, aber im gleichen Ausmaß belastbar seien. Die Batterie ist außerdem geschützt und schaltet sich bei einem Unfall automatisch ab, um die Sicherheit zu erhöhen.

Die Reichweiten variieren je nach Hersteller und Modell zwischen 300 und 560 Kilometern. Bei MAN rechnet man aber eher mit einem Szenario, das längere Strecken durch gezieltes Aufladen ermöglicht: Bei intelligenter Nutzung rund 45-minütiger Pausenzeiten zum Zwischenladen könne man zwischen 600 und 800 Kilometer pro Tag fahren, in Zukunft sollen sogar Tagesreichweiten von bis zu 1.000 Kilometern möglich sein. Das entspricht in etwa der Strecke von Wien nach Hamburg.

E-LKW von MAN
Künftig soll es möglich sein, mit einem E-Truck an einem Tag von Wien nach Hamburg zu fahren.
MAN

In Österreich setzt unter anderem die Asfinag einen vollelektrischen Lkw ein. Dieser befindet sich bis Sommer 2024 auf der A23 (Wiener Südosttangente) und der A21 (Außenringautobahn) im Testbetrieb. Im Winter wird er für den Streudienst eingesetzt, im Frühjahr soll er unter anderem Grünschnitt umweltfreundlich abtransportieren. Die 336-kWh-Batterie soll eine Reichweite von bis zu 300 Kilometern ermöglichen. Genug, um diese lokalen Aufgaben zu erledigen.

Parallel dazu möchte die Asfinag bis spätestens 2035 auf den Rastplätzen und Raststationen insgesamt 1.300 E-Lkw-Ladepunkte und bis 2030 etwa 1.500 Pkw-Ladepunkte errichten, darunter Hochleistungslader mit Ladeleistungen von bis zu einem Megawatt. Bis 2035 sollen somit insgesamt 3.000 Pkw- und Lkw-Ladepunkte im heimischen Autobahn- und Schnellstraßennetz verfügbar sein.

In Zukunft 70 Prozent elektrisch?

Die Asfinag ist mit ihren Plänen nicht allein. So wurden im vergangenen Jahr 3.308 E-Lkws in Österreich neu zugelassen. Das ist zwar deutlich weniger als jene 47.621 rein elektrisch betriebenen Pkws, die laut Statistik Austria im Jahr 2023 in Österreich neu zugelassen wurden, aber auch eine deutliche Steigerung gegenüber den Vorjahren: Im Jahr 2021 gab es hierzulande 2.379 neue E-Lkws, im Jahr 2022 waren es 2.124.

Im Jahr 2023 wurden mehr E-Lkws angemeldet als in den Vorjahren.
BEÖ/Statistik Austria

Doch bei diesen Zahlen soll es nicht bleiben: Die Beratungsgesellschaft Startegy&, ein Tochterunternehmen von PWC, prognostizierte Ende 2022 ein enormes Wachstum für das Segment. Fast jeder dritte Lkw in Europa, Nordamerika und im Großraum China soll im Jahr 2030 elektrisch angetrieben sein, heißt es dort. Im Jahr 2035 sollen es sogar 70 Prozent sein.

Die Sache mit den Kosten

Beschleunigt wird diese Entwicklung den Experten zufolge nicht zuletzt durch den Ukrainekrieg. Westliche Regierungen sind bestrebt, ihren Energiemix umzustellen, und dazu gehört der Wechsel von benzin- und dieselbetriebenen Fahrzeugen auf elektrische und andere Energieformen, etwa Wasserstoff. Die Anschaffung der Fahrzeuge ist teurer, wie auch manche Hersteller auf ihren Websites einräumen, dafür soll sich die Investition im laufenden Betrieb rechnen: Bei den Gesamtkosten (Total Cost of Ownership, TCO) sollen E-Lkws ihre Kontrahenten laut Studie bereits ab 2025 ausstechen, bis 2030 sollen sie um etwa 30 Prozent günstiger sein. E-Lkws mit Brennstoffzellen sollen ab 2030 wettbewerbsfähig sein.

Doch damit diese Prognosen erfüllt werden, muss kräftig investiert werden, unter anderem in die Ladeinfrastruktur. Für Europa wird in der Studie mittelfristig ein Investitionsbedarf von circa 1,4 Milliarden Euro prognostiziert. Im Fokus stehen dabei Megawatt-Ladesäulen (Megawatt Charging System, MCS), mit denen batteriebetriebene Lkws in 30 Minuten Strom für 400 Kilometer laden können. Bis 2025 könnten mit dem besagten Budget in Europa 120 MCS für Batterieantriebe sowie bis 2027 etwa 70 Wasserstofftankstellen (Hydrogen Refueling Stations, HRS) entstehen.

Das wäre laut Studie genug für ein europaweites, flächendeckendes Netz. Langfristig wären die Investitionen allerdings höher, wenn die Zahl der Fahrzeuge wie prognostiziert zunimmt. Für ein belastbares Infrastrukturnetz müssen laut Studie bis 2035 etwa 15 Milliarden Euro für den Bau von mindestens 1.800 MCS sowie 21 Milliarden Euro für etwa 2.100 HRS veranschlagt werden.

Politischer Rückenwind

Rückenwind bekommt die Entwicklung aber auch durch Vorgaben aus Brüssel, konkret durch die wie immer etwas sperrig klingende Verordnung über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFIR). Diese sieht vor allem den Ausbau einer europaweiten E-Ladeinfrastruktur vor, um den CO2-Fußabdruck in der EU zu minimieren. Da es sich um eine Verordnung und nicht um eine Richtlinie handelt, gelten die Regeln in den Mitgliedsstaaten unmittelbar. AFIR tritt mit 13. April 2024 in Kraft, die Staaten müssen die Vorgaben dann umsetzen und haben entsprechende Berichtspflichten.

E-LKW von Renault
Auch im innerstädtischen Verkehr sollen die E-Lkws genutzt werden.
Renault

Unter anderem sieht die Verordnung vor, dass es bis 2025 entlang der wichtigsten Verkehrskorridore – dem sogenannten Transeuropäischen Verkehrsnetz (TEN-V) – für Personenkraftwagen und leichte Nutzfahrzeuge alle 60 Kilometer Schnellladepunkte mit einer Ladeleistung von mindestens 150 kW geben soll. Das betrifft vor allem Pkws und leichte Nutzfahrzeuge.

Doch auch an die E-Lkws wurde gedacht: Ebenso soll es bis 2025 Ladestationen für schwere Nutzfahrzeuge mit einer Ladeleistung von mindestens 350 kW alle 60 Kilometer entlang des TEN-V-Kernnetzes und alle 100 Kilometer entlang des TEN-V-Gesamtnetzes geben. Eine vollständige Netzabdeckung ist für 2030 geplant. Spezielle Vorgaben gibt es auch für See- und Flughäfen, die als logistische Umschlagplätze für Lkws gelten. Und schließlich soll mit der Verordnung auch mehr Preistransparenz geschaffen werden, wovon auch Privatpersonen mit E-Autos profitieren sollen.

Es geht nicht um die weiten Wege

Manche Frächter setzen nach ersten Versuchen bereits auf 40-Tonner, die elektrisch betrieben werden. Laut Andreas Reinhardt, Vorsitzender des Bundesverbands Elektromobilität Österreich (BEÖ), sind hierzulande allerdings nur 40 Prozent der Lkws auf der Langstrecke unterwegs, 60 Prozent in der Kurzstreckenlogistik und als Zulieferer. Die tägliche Fahrleistung liegt in dem Fall unter 100 Kilometern.

Auch der Schwerverkehr ist oft auf kurzen Strecke unterwegs, wenn etwa größere Warenmengen innerhalb einer Region von einem Betriebsstandort zum anderen transportiert werden müssen. Gerade im Bereich der Kurzstrecken sieht Reinhardt in den nächsten Jahren aber ein extremes Potenzial. Die Vorteile für die Anrainer liegen auf der Hand: Die E-Lkws sind leiser und verursachen im Gegensatz zur Dieselkonkurrenz keine lokalen Emissionen.

Leise schleicht die Müllabfuhr

Doch Lkws sind nicht die einzigen Nutzfahrzeuge, die in den kommenden Jahren elektrifiziert werden sollen. Ein anderes Szenario ist die Müllabfuhr. So hat die Stadt München seit Ende vergangenen Jahres einen vollelektrischen Abrollkipper im Einsatz, der bei der Müllentsorgung unterstützt. Je nach Bedarf kann das Fahrzeug verschiedene Container aufnehmen.

Die Reichweite des 27-Tonners liegt mit vier Lithium-Ionen-Batterien zu je 50 kWh bei rund 120 Kilometern. Das reicht, um das Gebiet der Landeshauptstadt abdecken zu können. Neben dem Wechselstrom-Ladevorgang mit bis zu 22 kW kann das Fahrzeug im Gleichstrom-Ladevorgang auch mit 150 kW geladen werden, in dem Fall ist die Batterie nach rund einer Stunde wieder voll aufgeladen. Geladen wird entweder am Stromnetz oder an Schnellladestationen.

Der 27-Tonner der Münchener Müllabfuhr kommt auf 120 Kilometer Reichweite.
Volvo

In Österreich ist Ähnliches geplant. So hat auch die Linz AG die Anschaffung von sechs E-Müllfahrzeugen und der dazupassenden Ladeinfrastruktur ausgeschrieben. Dafür gibt es eine Förderung in Höhe von 1,8 Millionen Euro, die 80 Prozent der Mehrkosten des emissionsfreien Antriebs und 40 Prozent der anfallenden Infrastrukturkosten decken soll. In Linz rechnet man damit, dadurch 175 Tonnen CO2 pro Jahr zu vermeiden. "Bereits gegen Ende 2024 wird das erste der sechs neuen E-Müllfahrzeuge durch die Straßen von Linz fahren", sagt Erich Ehrentraut, Bereichsleiter Linz AG Abfall. Bis dahin werden Tests durchgeführt und die Ladeinfrastruktur ausgebaut, geplant sind sechs Ladepunkte mit 22 kW und ein Schnellladepunkt mit 150 kW.

Der Vorteil der elektrischen Müllwägen liegt jedoch nicht nur in der Reduktion des CO2-Ausstoßes und den geringeren lokalen Emissionen. In München betont man auch, dass der niedrigere Geräuschpegel ein angenehmeres Arbeitsumfeld für die Mitarbeiter schafft. Zu bedenken ist auch, dass wohl kaum ein Fahrzeug mehr im Stop-and-go-Verkehr unterwegs ist als ein Müllwagen, und gerade hier spielen elektrische Antriebe ihre Vorteile aus.

"Die Herausforderung ist hier auch nicht der Energiebedarf im Fahrbetrieb, sondern jener der Müllpresse im hinteren Teil des Fahrzeugs", sagt Reinhardt. Hier kommt der Akku gleich doppelt zum Einsatz. Gleichzeitig macht eine elektrische Müllpresse ebenso weniger Lärm. Das Rappeln der Mülltonnen wird man trotzdem weiterhin jeden Morgen hören.

Elektrische Traktoren: Bitte warten

Zögerlich läuft die Adaption Medienberichten zufolge hingegen in der Land- und Forstwirtschaft, wo allein in Deutschland rund zwei Milliarden Liter Diesel pro Jahr verbraucht werden. Bisher sollen elektrische Versionen von Großtraktoren vor allem an der gewaltigen Energiemenge gescheitert sein, die für einen üblichen Einsatz in der Landwirtschaft nötig sind.

Auch das soll sich ändern. So präsentierten Forschende der Technischen Universität München auf der Agrarfachmesse Agritechnica im November 2023 einen Entwicklungsbaukasten für E-Traktoren, der sich vor allem an kleinere und mittlere Traktoren richten soll, wie sie zum Beispiel im Obstanbau genutzt werden. Die Forschungsgruppe sieht "die Möglichkeit der Elektrifizierung vor allem bei Traktoren, die zwar viele Arbeitsstunden abzuleisten haben, dabei aber konstante Leistung liefern müssen". Die Akkus sollen austauschbar sein. Auch der Landmaschinenhersteller Fendt aus dem Allgäu will Ende 2024 mit einem E-Traktor in die Produktion gehen.

Ob sich diese Vorhaben schließlich durchsetzen, wird sich zeigen. Genauso wie bei den anderen Nutzfahrzeugen, deren elektrischer Siegeszug trotz aller Prognosen längst nicht gesichert ist. Denn immerhin, so war bereits vor rund einem Jahr in einem Beitrag des Fachmediums "DVZ" ("Deutsche Verkehrs-Zeitung") zu lesen, schrecken nicht wenige Unternehmer vor den vergleichsweise hohen Anschaffungskosten zurück. (Stefan Mey, 21.1.2024)