Wir haben viel zu viel Zeug. Das ist mir nach der Recherche für diesen Artikel klar. Duplo-Steine, Kinderbücher, Quetschideckel, Eisenbahnschienen, Stofftiere, Essensreste, Buntstifte – all das liegt abends in unserem Wohnbereich herum und muss aufgeräumt werden. Denn Kinder räumen gerne aus, aber kaum je freiwillig etwas auch wieder ein – auch bei unserem ist das so. Dazu quellen jetzt nach Weihnachten die Spielzeugregale über.

Kleinkind Spielzeug Chaos
Je weniger Zeug man hat, desto weniger muss man abends aufräumen.
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Wer Kinder bekommt, hat gefühlt 20.000 Dinge mehr als zuvor – die Wäscheberge noch gar nicht einberechnet. Und ständig werden die Hosen zu kurz, die Schuhe zu klein, und das Essen landet bei Kleinkindern überall dort, wo es eigentlich nicht hinsollte. Wie soll man da nicht im Chaos untergehen?

Dutzende Blogs und Bücher geben Tipps für mehr Ordnung im Familienalltag: alle Bereiche durchgehen, aussortieren, für alles einen fixen Platz schaffen. Bei der Lektüre frage ich mich: Wann soll man das alles machen? Ist das nicht ein weiteres To-so auf der endlosen Liste? Doch ich lerne auch: Organisation ist der Schlüssel zu mehr Zeit. Und ich sehe ein, dass da etwas Wahres dran sein könnte.

Alltagswahnsinn

Ein Anruf bei Nicole Weiß. Die Deutsche ist Ordnungscoach und hat eine 30-Tage-Challenge entwickelt. Ihr Buch Familie Ordentlich richtet sich an Mütter, die den Ausstieg aus dem "chaotischen Alltagswahnsinn" schaffen wollen. Frauen verrichten täglich rund zwei Stunden mehr unbezahlte Arbeit als Männer, das weiß ich aus der Zeitverwendungsstudie der Statistik Austria. Dennoch wundere ich mich, dass das Buch nicht Eltern insgesamt und somit auch Väter anspricht. Trotzdem finde ich darin einige gute Tipps, die sich auch in einem Alltag mit wenig Zeit umsetzen lassen. Etwa jener: Alles, was nicht länger als ein paar Minuten dauert, sollte auch sofort erledigt werden. Dinge, die von A nach B gelegt werden, seien "aufgeschobene Entscheidungen", sagt auch die Interior-Expertin Lilly Koslowsky. Dazu gehört etwa, Papiere nicht auf einen Stapel zu legen, sondern sofort in den Ordner einzusortieren, das Geschirr nicht in die Abwasch zu stellen, sondern gleich in den Geschirrspüler, und gleich nach dem Aufstehen das Bett zu machen.

Das Bett machen? An dieser Stelle muss ich schmunzeln. Das Bett habe ich kein einziges Mal gemacht, seitdem ich ein Kind habe. Höchstens mal, wenn Besuch kam. Doch Koslowsky, die in ihrem Buch Wohnen und Leben in Ordnung über einen aufgeräumten Familienalltag schreibt, rät: Es sind diese kleinen Dinge, die einem ein gutes Gefühl geben; einen ersten Erfolgsmoment am Tag.

Ich mache den Selbstversuch und fühle mich tatsächlich morgens für ein paar Sekunden so, als hätte ich mein Leben im Griff. Zumindest bis mein Sohn seinen Tee über den ganzen Esstisch schüttet, während ich hinten die Decken aufschüttle.

Körbe als Lebensretter

Man dürfe nicht auf die Utopie hereinfallen, die einem auf Instagram gezeigt wird, dass es daheim blitzeblank ist, wenn man Kinder hat, sagt Koslowsky. Und ich erinnere mich an die Zeit, bevor ich ein Kind hatte, in der ich mir geschworen hatte, unser Wohnzimmer würde nie voller Spielzeug sein. Die Realität sieht natürlich anders aus. Koslowskys Tipp bei kleinen Kindern: das Spielzeug abends in einen Korb werfen. Dann bekomme man optisch sein Wohnzimmer zurück.

Überhaupt liebe sie Körbe und Kisten, erzählt sie. Da müsse auch nichts beschriftet sein, das schone Nerven und Energie. Koslowsky selbst bezeichnet sich als minimalistisch, "aber auch bei uns schaut es aus. Perfekt wird total überbewertet, man sollte aus dem Thema den Druck rausnehmen."

Minimalistisch Schreibtisch
Minimalismus geht auch als Familie, trotzdem schaut es manchmal aus, sagt Lilly Koslowsky über ihr Zuhause.
Lilly Koslowsky, Stilles bunt

Was helfen kann, ist, die Kinder von Anfang an einzubeziehen, sagt Nicole Weiß – und rät zu einer Aufräumrunde nach dem Abendessen, bei der alle mithelfen. "Die Kinder werden es nicht lieben, aber sie machen es, weil es mit dazugehört, und es vermittelt wichtige Kompetenzen für später", sagt Weiß. In ihrem Buch erklärt sie auch das System der Chaoskisten. Jedes Familienmitglied hat eine Kiste, in die beim Aufräumen schnell einsortiert wird. Jede und jeder ist dann selbst dafür verantwortlich, die Dinge aus der Kiste an ihren Platz zu bringen.

Um das abendliche Aufräumen kurz zu halten, sollte man "nie einen Raum mit leeren Händen verlassen", rät Koslowsky. Etwa ein leeres Glas zurück in die Küche tragen oder ein Papierl gleich in den Mistkübel schmeißen. So wird schon tagsüber einiges zurück an seinen Platz geräumt.

Wäsche, Kinderkleidung, Spielsachen, für die die Kinder zu groß sind – das alles seien Aufgaben, die nie enden. Kinderkleidung, die man für Geschwister, Freunde oder Verwandte aufheben will, sollte nach Größen sortiert und in transparenten, beschrifteten Boxen verstaut werden, raten die Ordnungsexpertinnen. Bei der Wäsche hilft es, vorzusortieren und nicht zu viel zusammenkommen zu lassen.

Fehlende Systeme

"Stress entsteht durch fehlende Systeme", sagt Koslowsky. Wenn einfach kein Platz mehr für die vielen Dinge ist oder die Kinder aus Überforderung gar nicht mehr wissen, womit sie spielen sollen, ist das laut Weiß ein Anzeichen für zu viel Zeug. Bei Spielsachen ist auch die sogenannte Toy-Rotation eine Option. Dabei werden immer nur einige Spielsachen angeboten, und alle paar Wochen wird getauscht. So bleibt das Spielen interessant und die Kinder beschäftigt.

Wer wirklich etwas verändern will, sollte aufräumen und ausmisten – und zwar ohne Ausreden. Koslowsky kennt sie alle: "Das mache ich später", "Das brauche ich irgendwann noch" oder "Ich weiß nicht, wohin damit". Dabei sollte man sich immer vor Augen führen: "Je weniger Dinge man hat, desto weniger muss man aufräumen", sagt Weiß und rät, im eigenen Zuhause shoppen zu gehen: "Was man noch mal kaufen würde, sollte man behalten, der Rest kann weg."

Chaoskiste
Ein Weg zu mehr Ordnung sind laut Nicole Weiß Chaoskisten. Jedes Familienmitglied bekommt eine und muss sie selbst regelmäßig ausräumen.
Nicole Weiß, Familie Ordentlich

Ein organisierter Familienalltag sorgt ebenfalls gefühlt für mehr Ordnung im Kopf. Koslowsky bespricht mit ihrer Familie jeden Sonntag die Termine der Woche, einmal im Jahr gibt es eine Jahresplanung. Außerdem rät sie in ihrem Buch zu einem Wochenplan: Am Montag wird die Küche geputzt, am Dienstag ist Waschtag, am Mittwoch sind Bad und WC dran, am Donnerstag ein kleines Projekt, und am Freitag werden die Böden gereinigt. Am Sonntag wird der Wochenspeiseplan geschrieben und die Einkaufsliste für den Wocheneinkauf am Montag. Jeden Abend bereitet die Familie die Jause, Kleidung und Rucksäcke für den nächsten Tag vor.

So bleibt morgens wenigstens auch mehr Zeit, um die Betten zu machen. (Bernadette Redl, 19.1.2024)