Dmitri Rybolowlew, Modigliani, Klimt, Monet
Dmitry Rybolowlew, Eigner des Fußballclubs AS Monaco, kaufte einst Kunstwerke im Wert von rund zwei Milliarden Dollar: darunter René Magrittes "Le Domaine d’Arnheim" (1938), eine Skulptur von Amedeo Modigliani (Tête, 1910/12), Gustav Klimts "Wasserschlangen II" (1907) auch der strittig Leonardo da Vinci zugeschriebene "Salvator Mundi".
Collage: Lukas Friesenbichler, Fotos: AP, AFP, Sotheby’s, Christie’s, Belvedere

Dmitri Rybolowlew, Eigner des Fußballklubs AS Monaco, Milliardär (Forbes: 6,4 Milliarden US-Dollar) mit Wohnsitzen in Monaco, der Schweiz und New York, ist ein russischer Oligarch der durchaus eitlen Sorte: Das zeigt sich dieser Tage in einem Gerichtssaal in Manhattan, wo seit vergangener Woche seine Klage gegen Sotheby’s verhandelt wird, belegt aber auch ein kleines Scharmützel hinter den Kulissen der Wiener Medienszene Anfang 2022.

Anlass gab eine Kunstkritik-Kolumne in der Wochenzeitung Falter, in der sich der Feuilleton-Chef mit der Inszenierung von Hypes auf dem Kunstmarkt befasste. Exemplarisch nannte er Leonardo da Vincis strittiges Gemälde Salvator Mundi, das 2017 bekanntlich für 450 Millionen Dollar versteigert wurde.

Um die direkte Begegnung mit einem Kunstwerk, so kritisierte Matthias Dusini, gehe es zahlungskräftiger Klientel wohl nicht mehr. Beispielhaft dafür: Rybolowlew, der Vorbesitzer, denn der habe für dieses Bild einst 127 Millionen bezahlt, "ohne es zu Gesicht bekommen zu haben". Die Ikone sei dann in ein Depot verräumt worden, da hätte er genauso gut ein NFT kaufen können, so die Schlussfolgerung.

Intervention in Wien

Die Kolumne war keine drei Stunden online, als beim Kollegen eine Mail eintrudelte: Absender war eine PR-Agentur mit Büros in New York und London, die im Auftrag des Oligarchen eine Richtigstellung einforderte. Denn selbstverständlich habe "Mr. Rybolowlew das Gemälde vor seinem Ankauf gesehen", konkret bei einem eigens dafür arrangierten Besichtigungstermin, der in "einem Apartment am Central Park West 15" in New York stattfand, wie man auf entsprechende Medienberichte verwies.

Eine Episode, die zeigt, wie sehr Rybolowlew um seine Reputation als "Kunstsammler" besorgt ist. Dabei war es ironischerweise er selbst, der seit 2015 über mehrere Gerichtsverfahren gegen den Schweizer Geschäftsmann Yves Bouvier öffentlich machte, wie ihn dieser über die Jahre bei zahlreichen Kunst-Deals abgezockt habe.

Dabei ging es um 38 Kunstwerke im Wert von etwa zwei Milliarden Dollar, die "Mr. Freeport" dem Oligarchen im Zeitraum von 2003 bis 2014 verkaufte. Wie sich später herausstellte, hatte Bouvier zusätzlich zu vereinbarten Provisionen auch noch satte Aufschläge verrechnet. Etwa im Falle von Gustav Klimts Wasserschlangen II (1907): Im Zuge eines Restitutionsvergleichs (mit den Erben nach Jenny Steiner) war das Gemälde im Herbst 2013 für rund 120 Millionen Dollar über einen von Sotheby’s vermittelten "Private Sale" an Bouvier verkauft worden, der es in seinem Genfer Zollfreilager noch am gleichen Tag für etwas mehr als 183 Millionen Dollar an Rybolowlew weiterverkaufte.

Prozesse gegen den Schweizer Kunsthändler

Eine Transaktion also, für die Bouvier allein mehr als 60 Millionen Dollar kassierte. Es war nicht die einzige dieser Art, wie der Streitwert von einer Milliarde Dollar ergibt, den der Geprellte über Gerichte in Singapur, Monaco und Genf einzufordern versuchte.

Einem Anwalt Bouviers zufolge hätten die Staatsanwälte die Anschuldigungen allerdings reihum "zurückgewiesen" und sei in acht Jahren "kein einziges Gericht bereit" gewesen, "ein ordentliches Verfahren zur Überprüfung der Anschuldigungen zu eröffnen". Im Dezember legten die beiden Parteien den Disput außergerichtlich bei, Details zur vertraulichen Einigung wurden nicht bekannt.

Der jetzt in New York angelaufene Prozess geht auf eine vom Oligarchen betriebene Zivilklage gegen Sotheby’s aus dem Jahr 2018 zurück, in der dem Auktionshaus vorgeworfen wurde, "den größten Kunstbetrug der Geschichte maßgeblich unterstützt" zu haben, indem Bouvier Schätzungen und andere Informationen zur Verfügung gestellt worden seien, die ihm dazu gedient hätten, die Verkaufspreise zu erhöhen.

Screenshot
2023 veröffentlichte die Nationale Agentur zur Korruptionsprävention der Ukraine die "War & Art"-Datenbank, in der Kunstschätze erfasst werden, die sich im Besitz sanktionierter Oligarchen befinden soll. Dmitry Rybolowlew, der bislang nur von der Ukraine sanktioniert wurde, ist dort ebenfalls vertreten.
Screenshot DER STANDARD

Hohe Schadenersatzforderungen

Als Kläger fungieren zwei auf den Britischen Jungferninseln ansässige Unternehmen, über die Rybolowlew die Kunstwerke offiziell erwarb. Der ursprünglich geforderte Schadensersatz belief sich auf zumindest 380 Millionen Dollar zuzüglich der in den Jahren seit den Transaktionen aufgelaufenen Zinsen.

In einer vorprozessualen Entscheidung hatte der zuständige Richter jedoch mehrere Forderungen der Kläger abgewiesen und stehen jetzt nur jene vier Kunstwerke im Mittelpunkt, die Sotheby’s in "Private Sales" an Bouvier vermittelte, von dem sie Rybolowlew wiederum erwarb: erwähntes Klimt-Gemälde, das er später für kolportierte 200 Millionen Dollar an eine Sammlerin aus Hongkong abtrat, weiters eine Skulptur von Amedeo Modigliani, René Magrittes Le Domaine d’Arnheim (1938) sowie das umstrittenerweise Leonardo da Vinci zugeschriebene Bild Salvator Mundi.

Ausschluss von Kennern unter den Geschworenen

Letzteres hatte Bouvier über Sotheby’s 2013 für 80 Millionen Dollar erworben und für 127 Millionen an den Milliardär weitergegeben – einer jener Deals, über die Rybolowlew ab 2008 größere Geldmengen aus Russland abgezogen habe, genauer in mobile Vermögenswerte umwandelte, wie der Schweizer 2021 in einem Interview erläuterte. Über die genauen Motive seines Klienten kann man nur mutmaßen. Gesichert ist, dass ihm der Weiterverkauf 2017 einen Gewinn von gut 300 Millionen Dollar bescherte.

In den ersten Prozesstagen war das noch kein Thema. Bei der Auswahl der Geschworenen waren übrigens all jene ausgeschlossen worden, die entweder selbst Kunst sammeln oder über Vorkenntnisse der Branche verfügen, denen also die Usancen auf dem internationalen Kunstmarkt geläufig sein könnten.

Fehlende Sorgfalt

Zum Auftakt versuchten die Anwälte Rybolowlews, unterstützt von seiner Zeugenaussage, als Opfer von Bouvier zu inszenieren, wozu "die fehlende Transparenz des Kunstmarktes beigetragen" und Sotheby’s Beihilfe geleistet habe. Etwa mit Versicherungsschätzungen der Kunstwerke, die höher als die Schätzwerte bemessen werden und Bouvier quasi in die Hände gespielt haben sollen.

Sotheby’s selbst, so betont die Verteidigung, hatte jedoch keinerlei Kenntnisse über die Geschäfte des Schweizer Händlers als direktem Vertragspartner gehabt, weder über die Abläufe noch über etwaige Falschdarstellungen in den Verhandlungen mit Rybolowlew. Im Kreuzverhör wurde klar, dass der Milliardär bei seinen Deals als Geschäftsmann über die Jahre immer wieder Anwälte und andere Fachleute hinzugezogen habe. Eine Sorgfalt, die er bei seinen Kunstkäufen offenbar missen ließ, da er dem Schweizer Händler blind vertraute.

Unklares Motiv

Das Dilemma der Anklage: Sie muss die Geschworenen davon überzeugen, dass Sotheby’s des Betrugs für schuldig befunden werden soll, obwohl Bouvier selbst es quasi nicht war. Das Auktionshaus steht also folglich auf dem Standpunkt, dass sich die Klage gegen die falsche Partei richten würde. Jede Andeutung, man hätte Kenntnis von angeblichem Fehlverhalten Bouviers und dessen betrügerischen Absichten gehabt, sei schlicht falsch.

Völlig unklar blieb bislang, welches Interesse und vor allem welches Motiv Sotheby’s für die vorgeworfene Beihilfe gehabt haben soll. Denn tatsächlich liegt es im Interesse der Auktionshäuser, im Auftrag des Verkäufers den höchstmöglichen Preis zu lukrieren, egal ob bei öffentlichen Versteigerungen oder im Rahmen diskreter Private Sales. (Olga Kronsteiner, 20.1.2024)