Der Sanierungsvorstand der insolventen Signa-Kerngesellschaften Prime Selection vor der Sanierungstagsatzung im Handelsgericht Wien.
Noch hängt Signa am seidenen Faden. Sanierungsvorstand Erhard Grossnigg versucht die Rettung.
APA/HELMUT FOHRINGER

Was die Größenordnung betrifft, sind die insolventen Signa-Kerngesellschaften Prime Selection und Development Selection die mit Abstand umfangreichsten Sanierungsverfahren, die Erhard Grossnigg je am Hals hatte. Freiwillig gemeldet hat sich der 77-Jährige für die Aufgabe mit Sicherheit nicht. Wohl eher war es die Verbundenheit mit Strabag-Gründer und Signa-Großaktionär Hans Peter Haselsteiner, die den Sanierungsspezialisten in die Abgründe des erodierenden Immobilienimperiums des Tiroler Investors René Benko führte.

Nun sucht Österreichs Paradesanierer Investoren und Banken davon zu überzeugen, doch noch einmal in die beiden wichtigsten operativen Gesellschaften der Signa-Gruppe zu investieren. Sehr erfolgreich war er bei den Signa-Teilhabern dabei bis dato noch nicht. Als letzter Ausweg gilt nun ein Massekredit, ein riskantes und daher selten eingesetztes Instrument in einem Sanierungsverfahren. Es muss vom Insolvenzgericht genehmigt werden, die kreditgebenden Banken bekommen Vorrang gegenüber anderen Gläubigern. Die Zeit drängt. Mit jeder Folgeinsolvenz wie jener der Elbtower-Projektgesellschaft in Hamburg wird es schwieriger, den Laden zusammenzuhalten.

Mehr einnehmen als ausgeben

Auf Immobilien ist der bisweilen als "Company Doctor" titulierte promovierte Betriebswirt eigentlich nicht spezialisiert. Aber der Grundsatz der Unternehmensführung, dem Grossnigg stets gefolgt ist, kann auch bei Signa nicht verkehrt sein: Mehr einnehmen als ausgeben, wenngleich es zunächst oft – wie bei Signa – neuerlicher Investitionen bedarf, um sogenannte Firesales zu verhindern. Mit Notverkäufen würden Unternehmenswerte vernichtet und damit die Gläubiger geschädigt, möglicherweise der gesamte Immobilienmarkt hinuntergezogen.

Bringt Grossnigg, der lieber von Restrukturierung spricht als von Sanierung, die Signa-Rettung über die Bühne, darf er als Held gelten. Die Gläubiger, teils Banken, teils betuchte Investoren und Millionäre, bekommen dann 30 Prozent und die verbleibenden Signa-Gesellschaften einen Schuldenschnitt. Das wäre zweifellos die Krönung für den einstigen Banker, über dessen Schreibtisch über die Jahrzehnte gut hundert kranke Bilanzen wanderten. Nicht alle Sanierungen gelangen dem Spezialisten, im Saldo übersteigen die Erfolge die Flops bei weitem.

Von Adeg bis Wienerwald

Die Liste der Unternehmen, in denen Grossnigg seit Gründung seiner Unternehmensberatung 1979 zeitweise engagiert war und die er auf Vordermann brachte, ist lang. Vom Industriebäcker Ankerbrot über die Autoersatzteilkette Forstinger bis zum Zellstoffwerk Pöls. Grossniggs Referenzliste liest sich auch wie ein Who’s who der österreichischen Wirtschaft: Adeg, Alpine, Avanti, Bauholing, Carrera Brillen, Circus Roncalli, Dachstein Schuhfabrik, Delka, Deutz-Fahr Landmaschinen, Economos, Efkon, Epamedia, Europapier, Frantschach, Funder, Gaulhofer, Huber Tricot, IGM Robotersysteme, Ilbau, Kneissl, Leiner/ Kika, Leykam, Negrelli Bau, Neudörfler, Praktiker, Raichle, Resch & Frisch, S&T, Semper Constantia Privatbank, Skiny, Stiefelkönig, Stuag Bau, Tarbuk Autohaus, Theater in der Josefstadt, Thurner Bau, Tourotel, Turbo Schuh, Ueberreuter, Wiener Konzerthaus und Wienerwald Restaurants.

Die Liste der Unternehmen, in denen Erhard Grossnigg zeitweise engagiert war und die er auf Vordermann brachte, ist lang.
APA/HELMUT FOHRINGER

Bei einigen blieb er als Investor an Bord, etwa bei der Porzellanmanufaktur Augarten, dem Ofenhersteller Lohberger, Deutz-Fahr, dem Bettdeckenhersteller Sanders-Kauffmann oder dem Büromöbelhersteller Bene, den er gemeinsam mit Ex-Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP) mehrheitlich übernahm. Seine Anteile an Unternehmen wie diesen sind in Grossniggs 2010 gegründeter Austro Holding beziehungsweise in der Grosso Holding gebündelt.

In der Westbahn, dem 2011 gegründeten und von Hans Peter Haselsteiner kontrollierten ÖBB-Konkurrenten, ist Grossnigg über die schweizerische Augusta Holding engagiert, an der die Austro Holding knapp zwanzig Prozent hält. Bei der Augusta sind auch namhafte österreichische Industrielle an Bord, sie wiederum ist am Prozessfinanzierer Advofin beteiligt.

Ein Zahlenmensch

Die Selbstständigkeit hat der gebürtige Oberösterreicher zu einem gewissen Teil in den Genen. Er stammt aus einer Gastwirtschaft und kellnerte während des Studiums. Dann heuerte er bei der Chase Manhattan an, wo er in der Kreditabteilung in Paris, später in New York und Deutschland tätig war, ehe er in den 1970er-Jahren geschäftsführender Gesellschafter der Donau Finanz Treuhand- und Finanzierungsgesellschaft in Wien wurde.

Dem Metier blieb er mit seiner E. F. Grossnigg Finanzberatung und Treuhand bis zu einem gewissen Grad treu. Der "Zahlenmensch mit dem sehr trockenen Humor", wie ihn Geschäftspartner und Wegbegleiter beschreiben, war vor allem bei ins Schleudern geratenen mittelständischen Unternehmen gefragt. Nicht alle Feuerwehreinsätze gelangen. Die Elektrohandelskette Cosmos war ebenso wenig zu retten wie die deutsche Baumarktkette Praktiker.

Dass dem verheirateten Vater (einer Tochter) und Großvater mit einem einzigen Unternehmen langweilig gewesen wäre, wie er selbst einmal zu Protokoll gab, ist wohl zu viel des Understatements.

Ganz ohne scheint es aber auch nicht zu gehen. 2016 gab Grossnigg offiziell seinen Rückzug bekannt, damals war er 70 Jahre alt. Aktuell hat er laut Firmencompass sieben Geschäftsführerfunktionen in seinem einigermaßen verzweigen Beteiligungsportfolio inne. (Luise Ungerboeck, 19.1.2024)