Vösendorfs Bürgermeister Hannes Koza im Rahmen einer Pressekonferenz.
Hannes Koza ist seit 2020 Bürgermeister von Vösendorf, gegen den ÖVP-Politiker laufen nun Ermittlungen.
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Man kann den Schachzug getrost als Flucht nach vorn bezeichnen: Nachdem der Vösendorfer Bürgermeister Hannes Koza (ÖVP) für Montagabend zu einer "persönlichen Erklärung" gerufen hatte, verkündete er statt seines Rücktritts vorgezogene Neuwahlen in der niederösterreichischen Gemeinde. Wie berichtet, wurde in der Vorwoche bekannt, dass der ÖVP-Politiker private Anwaltskosten mittels gefälschter Rechnung über die Gemeinde verrechnet haben soll. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt wegen des Verdachts auf Untreue und Urkundenfälschung. Wie geht es jetzt mit Koza, seit 2020 Bürgermeister von Vösendorf, und im Gemeinderat weiter? Ein Überblick.

Frage: Worum geht es eigentlich in der Causa?

Antwort: Konkret geht es um Anwaltskosten, die als "Beratungskosten" über die Gemeinde Vösendorf für die Anschaffung eines neuen Feuerwehrautos abgerechnet wurden. Die rund 1.129 Euro hatte Koza ursprünglich für eine Falschbehauptung zahlen müssen, die er auf der Social-Media-Plattform X (vormals Twitter) – durch seine regelmäßigen Beiträge dort erlangte Koza größere Bekanntheit, mittlerweile hat er seinen Account gelöscht – verbreitet hatte und anschließend widerrufen musste. Der ÖVP-Politiker hatte sich in Verbindung mit einem Tweet der Nationalratsabgeordneten Julia Herr (SPÖ) abfällig über die Kinderfreunde geäußert.

Frage: Welche Vorwürfe stehen gegen Koza im Raum?

Antwort: "Es besteht daher der dringende Verdacht, dass die 'Honorarnote' vom Verdächtigen gefälscht wurde, um sich die privat verursachten und geschuldeten Anwaltskosten von der Gemeinde Vösendorf rechtswidrig ersetzen zu lassen", steht in der Sachverhaltsdarstellung zur Causa. Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt bestätigte am Freitag die Ermittlungen wegen des Verdachts auf Untreue und auf Urkundenfälschung. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Frage: Wie reagieren die anderen Fraktionen darauf?

Antwort: Die örtliche SPÖ und die Grünen fordern von Koza den sofortigen Rücktritt, die Zusammenarbeit im Gemeinderat mit der ÖVP ist vorerst auf Eis gelegt. Auch die rote Landespartei will Koza aus dem Amt haben und fordert Untersuchungen in dessen Umfeld. "Es braucht im Büro von Koza sofort eine scharfe Rechnungskontrolle durch das Land. Durch die Neuwahl darf kein Schlupfloch der Vertuschung entstehen", sagt Landesgeschäftsführer Wolfgang Zwander. Die Neos wiederum fordern eine Reaktion von Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, die FPÖ äußerte sich noch nicht zu dem Fall.

Frage: Warum entschied sich Koza gegen einen Rücktritt und für Neuwahlen?

Antwort: Ein Rücktritt sei für Koza nie infrage gekommen, sagte der ÖVP-Politiker dem STANDARD. Er habe sich bereits für seinen Fehler entschuldigt und wolle nun den "positiven Weg" der vergangenen Jahre in Vösendorf fortsetzen. Wie schon am Montag betonte der Ortschef, dass er nach Bekanntwerden der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft viel Rückhalt aus der Bevölkerung erfahren habe und sich deshalb entschieden habe, im Amt zu bleiben. "Die Leut haben auch nach dem Verdacht der Staatsanwaltschaft zu mir gesagt: 'Hannes, du bist unser Bürgermeister'", sagte Koza. Nach parteiinternen Beratungen am Wochenende habe man sich deshalb entschieden, den Schritt in Richtung Neuwahlen zu gehen.

Frage: Warum wurde am Montag dennoch über Kozas Rücktritt spekuliert?

Antwort: "Persönliche Erklärungen" von Politikerinnen und Politikern stehen üblicherweise für Rücktritt oder Kandidatur – und versprechen deshalb großes Medieninteresse. Koza ist nicht der erste Politiker, der eine derartige Ankündigung mehr oder minder "zweckentfremdet" hat. Auf die Finte mit der "persönlichen Erklärung", die dann doch keine ist, setzten in der Vergangenheit auch andere Politikerinnen und Politiker.

So verschickte etwa der einstige niederösterreichische SPÖ-Chef Franz Schnabl im Jänner des Vorjahres, nur wenige Wochen vor der Landtagswahl, eine Einladung zu einer "persönlichen Erklärung", um dann unter anderem zu einem Tage zuvor auf der Website der niederösterreichischen SPÖ veröffentlichten Satireplakat mit dem Spruch "Der rote Hanni" Stellung zu nehmen, Medien zu kritisieren und erneut den Landeshauptmannanspruch zu stellen. Im Jahr 2018 verkündete seine grüne Kollegin Helga Krismer mit dem gleichen Gag, dass sie ein Klimavolksbegehren starten wird. Im selben Jahr gab Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger außerdem im Zuge einer "sehr persönlichen Erklärung" bekannt, dass sie schwanger ist. Apropos Neos: Auch der wieder in die Politik zurückgekehrte Gastronom Sepp Schellhorn kündigte eine solche an und bewarb im Vorjahr schließlich in einem zweiminütigen Video sein Koch-Aboservice.

Frage: Doch zurück zu Vösendorf: Die ÖVP stellt keine Mehrheit im Gemeinderat, wie konnte Koza überhaupt Neuwahlen ausrufen?

Antwort: Genau genommen kann Koza in der Gemeinde keine "Neuwahlen ausrufen". Er bediente sich aber eines Tricks aus der Gemeindeordnung in Niederösterreich: Der Gemeinderat ist nur dann beschlussfähig, wenn zwei Drittel aller Mandatare anwesend sind. Da die ÖVP zwölf von 29 Gemeinderätinnen und Gemeinderäten in Vösendorf stellt, ist das Kommunalparlament ohne Vertreter der Volkspartei folglich nicht beschlussfähig.

Alle elf ÖVP-Mandatare, außer Koza, plus ein Mandatar einer Bürgerliste und damit mehr als ein Drittel der Gemeinderäte sind am Montag von ihren Posten zurückgetreten. "Somit wurden dem Land Niederösterreich Neuwahlen vorgeschlagen", erklärt Koza im Gespräch mit dem STANDARD. Nach einer 14-tägigen Frist, die ab Montag läuft, gilt der Gemeinderat damit als aufgelöst.

Frage: Das bedeutet, Koza genießt noch den Rückhalt seiner eigenen Partei?

Antwort: Wenn auch die im Raum stehenden Vorwürfe gegen Koza kein gutes Licht auf den Bürgermeister werfen, steht die Ortspartei geschlossen hinter ihm – das bezeugt auch der Rücktritt der elf Mandatare. Der ÖVP-Landesgeschäftsführer Matthias Zauner streicht hervor, dass Koza sich bereits persönlich entschuldigt habe und nun die Vösendorferinnen und Vösendorfer im Zuge einer Neuwahl die Chance bekämen, über die weitere Zukunft zu entscheiden. Landeshauptfrau Mikl-Leitner hat sich bisher nicht dazu geäußert.

Frage: Und wann finden die Neuwahlen nun statt?

Antwort: Einen Termin für die Neuwahlen muss das Land festlegen. Auf Nachfrage des STANDARD kam vorerst keine Rückmeldung, im Gespräch soll aber ein Termin im März oder April sein.

Frage: Bleibt Koza bis zu den Neuwahlen im Amt?

Antwort: Für Koza bedeuten die Neuwahlen, dass er zumindest für die nächsten Wochen bis zum Wahltermin im Amt bleibt. Ein Misstrauensvotum gegen ihn, was wiederum zwei Drittel aller Gemeinderäte bräuchte, kann die Opposition ohne Vertreterinnen der ÖVP nicht hinter sich vereinen. SPÖ und ÖVP halten aktuell bei zwölf Mandataren. Im Gemeinderat sind auch noch die Grünen mit drei Mandaten und die FPÖ sowie eine Bürgerliste mit jeweils einem Mandat vertreten. Der Gemeinderat gilt nach Ablauf der 14-tägigen Frist, die seit vergangenem Montag läuft, aber ohnehin als aufgelöst. Koza sitzt damit vorerst fest im Sattel.

Frage: Und wie geht es nach der Neuwahl in der Vösendorfer Gemeindepolitik weiter?

Antwort: In Niederösterreich wird der Bürgermeister nicht direkt vom Volk gewählt. Nach der geschlagenen Gemeinderatswahl entscheiden somit die Mandatare in ihrer ersten Sitzung darüber, wer Bürgermeister wird. Für die Wahl braucht es eine einfache Mehrheit – Koza muss also darauf hoffen, dass die ÖVP entweder einen fulminanten Wahlsieg mit absoluter Mehrheit einfährt oder einen Koalitionspartner findet, der gewillt ist, Koza nochmals als Ortschef zu wählen. Stand jetzt sind die SPÖ und die Grünen für Kozas Rücktritt, die FPÖ und eine Bürgerliste halten jeweils nur bei einem Mandat von insgesamt 29.

Frage: Warum ist Vösendorf über Niederösterreichs Landesgrenzen hinweg bekannt?

Antwort: Bekannt ist Vösendorf vor allem durch die Shopping City Süd (SCS), das größte Einkaufszentrum Österreichs. Mehr als zwei Drittel der eingenommenen Kommunalsteuer stammen von dem Shoppingtempel. Der SCS hat die Gemeinde deshalb zu verdanken, dass sie einst zu den reichsten Gemeinden Österreichs zählte. Das änderte sich vor rund acht Jahren, als die Gemeinde in einem Rechtsstreit an einen Projektbetreiber, der einen 160 Meter hohen Büroturm bauen wollte, rund 18 Millionen Euro zahlen musste, womit der Schuldenstand rapide angestiegen ist, DER STANDARD berichtete.

Vösendorf ist eine Gemeinde mit knapp 8.000 Einwohnern im Süden von Wien im Bezirk Mödling. Bis 2020 wurde der Ort stets von einer SPÖ-Bürgermeisterin oder einem -Bürgermeister regiert. Koza ist der erste Bürgermeister in der Gemeinde, den die ÖVP stellt. (Sandra Schieder, Max Stepan, 23.1.2024)