Ein bisschen fühlt man sich an die Zeit erinnert, als noch Sebastian Kurz genüsslich Österreichs Medien vor sich hertrieb – mit wohldosierten Informationshappen. Aktuell wird Tag für Tag ein neues Häppchen aus Karl Nehammers "Österreich-Plan" publik. Am Freitag will der Bundeskanzler und ÖVP-Chef das Gesamtwerk in Wels in einer Rede präsentieren. Bekannt ist inzwischen, dass Nehammer das Binnen-I im Rahmen eines Genderverbots nach bayerischem Vorbild verbannen will.

Dem STANDARD liegt nun ein Auszug aus einem "Rohentwurf" der Kapitel "Leistung" und "Sicherheit" vor. Wir haben uns wichtige Punkte herausgepickt, genauer betrachtet und auf ihre Umsetzbarkeit geprüft.

Bundeskanzler Karl Nehammer OEVP bei einer Pressekonferenz zu den Ergebnissen des Corona-Aufarbeitungsprozesses im Bundeskanzleramt am 21. Dezember, 2023 in Wien, Oesterreich.
Für Kanzler Karl Nehammer und die ÖVP ist das sozialdemokratisch regierte Dänemark in Sachen scharfer Umgang mit Asylsuchenden ein Vorbild.
IMAGO/SEPA.Media

Vorab: Immer wieder wird in dem türkisen Papier auf das "Vorbild Dänemark" Bezug genommen. Das sozialdemokratisch geführte EU-Land Dänemark wird von ÖVP-Vertretern schon länger als Modell für den Umgang mit Asylwerbern herangezogen. Dänemark gilt als besonders strikt und rigide.

Zu Österreich besteht allerdings ein – rechtlich betrachtet – entscheidender Unterschied: Dänemark hat die Genfer Flüchtlingskonvention und infolgedessen mehrere EU-Rechtsvorschriften nur mit Vorbehalt unterzeichnet. Die Dänen müssen sich bei Fragen der Sicherheit, Verteidigung oder Asyl nicht an alle entsprechenden Regelungen halten. Österreich hingegen schon.

Sozialleistungen kürzen – nicht nur für Ausländer

Eigentlich handelt es sich dabei um eine langjährige Forderung der ÖVP: Volle Sozialleistungen soll nur bekommen, wer sich fünf Jahre lang legal in Österreich aufhält. Die Idee dahinter wird in Nehammers "Österreich-Plan" simpel erklärt: "Unser Anspruch ist ein Sozialsystem für jene, die nicht können, und nicht für jene, die nicht wollen."

In Dänemark gibt es bereits eine ähnliche Praxis. In Österreich hingegen scheiterte die Umsetzung bisher. In der Genfer Flüchtlingskonvention ist festgeschrieben, dass Asylberechtigte in den allermeisten Fragen Staatsbürgern gleichgestellt sein müssen. Man darf sie also auch in Bezug auf Sozialleistungen nicht diskriminieren. Im Fall von Asylwerbenden ist das schon möglich, weshalb sie in Österreich keinen Sozialhilfeanspruch haben.

Aufgrund der Gleichstellungsvorgabe sind Verschlechterungen beim Sozialleistungsbezug rechtlich nur zulässig, wenn sie für alle Menschen in Österreich gelten, egal ob sie In- oder Ausländer sind. Das sieht Nehammers Plan auch vor: Statt Geldleistungen sollen etwa in der Sozialhilfe künftig allen tunlichst nur Sachleistungen ausgehändigt werden. Auch sollen alle Sozialhilfebezieherinnen und -bezieher zu gemeinnütziger Arbeit herangezogen werden können.

Der Sozialexperte und Psychologe Martin Schenk kritisiert das scharf: "Es ist immer dasselbe Spiel. Man redet über die Ausländer und kürzt die Sozialleistungen für alle Menschen", sagt er. Von der Sozialhilfe sei inzwischen "nur noch ein Trümmerhaufen übrig".

"Stopp illegaler Migration" – was rechtlich (schon) geht

Das europäische Asylsystem sei gescheitert – und Österreich mit im EU-Vergleich zahlreichen Asylanträgen sei von diesem Scheitern besonders betroffen, steht in Nehammers "Österreich-Plan".

Neben Asylverfahrenszentren in Drittstaaten soll es dort laut den türkisen Plänen auch Gefängnisse geben, in denen in der EU verurteilte Täter ihre Strafe verbüßen können. Bis dato ist ein solcher Gefangenentransfer lediglich in die Heimatländer der Delinquenten möglich.

Mehrere konkrete Vorschläge zielen auf mehr Strenge gegenüber Asylsuchenden ab. So sollen bei ihrer Einreise mitgeführte Wertsachen beschlagnahmt werden können, "um die Kosten zu decken".

Eine ähnliche Bestimmung gibt es schon. Paragraf 39 des BFA-Verfahrensgesetzes, das die Arbeit des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl regelt, ermächtigt "Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes" bis zu 840 Euro mitgeführtes Bargeld von Fremden sicherzustellen – sofern ihnen 120 Euro bleiben.

Mehr digitale Überwachung und Polizei-Bodycams

Der "Österreich-Plan" sieht einen Ausbau der polizeilichen Überwachung vor. Einmal mehr werden mehr Möglichkeiten für Ermittlungsbehörden gefordert, um verschlüsselte Messenger zu überwachen. Das soll die Verfolgung etwa von Terrorverdächtigen modernisieren. In der aktuellen türkis-grünen Koalition scheitert das Vorhaben an den Grünen.

Auch im öffentlichen Raum will die Volkspartei mehr überwachen. Heuer noch soll die Polizei flächendeckend mit Körperkameras ausgestattet werden – geht es nach den Türkisen, sollen diese dauerhaft mitfilmen; die Aufzeichnungen sollen dann, wenn die Beamtinnen und Beamten die Bodycam händisch aktivieren, inklusive zwei Minuten Vorlauf abgespeichert werden.

Die Überwachungsexpertin Angelika Adensamer vom Forschungsinstitut Vicesse sagt dazu, dass Body-Cams zwar ein effektives Mittel zur Kontrolle der Polizei seien – "doch der Teufel steckt im Detail". So sei problematisch, wenn Beamtinnen und Beamte selbst entscheiden, "wann Material gespeichert wird und wann nicht". Schalte die Polizei die Body-Cam bei Amtshandlungen bewusst nicht ein, müsse es Konsequenzen geben.

Und es gehe um den Datenschutz – würden Aufnahmen aufbewahrt, bedeute das verstärkte Überwachung des öffentlichen Raums. (Muzayen Al-Youssef, Irene Brickner, Katharina Mittelstaedt, 23.1.2024)