Die SPÖ sieht sich durch einen Anfragebeantwortung des Gesundheitsministeriums in ihren Warnungen bestätigt, dass sich Österreichs Gesundheitssystem seit der Zerschlagung der Gebietskrankenkassen-Struktur unter der schwarz-blauen Bundesregierung verschlechtert habe. So habe sich die Zahl der Wahlarztrechnungen seit 2019 in einigen Fächern verdreifacht, Wartezeiten auf Arzttermine hätten sich verlängert, kritisierte SPÖ-Klubobmann Philip Kucher im Gespräch mit der APA.

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Dass man auf einen Termin bei einem Frauenarzt oder einer Frauenärztin im Schnitt 28 Tage wartet, ist der SPÖ zu lange.
Regine Hendrich

Zahl eingereichter Rechnungen steigt

Dass immer mehr Menschen aus ihrer eigenen Brieftasche für Gesundheitsleistungen aufkommen müssen, lässt sich aus SPÖ-Sicht mit der in der Beantwortung ausgewiesenen Entwicklung der Refundierungsanträge seit 2019 belegen. Bei den Hausärzten stiegen sie bis 2022 von 46.358 auf 143.890, eine Beinahe-Verdreifachung gab es auch bei den Gynäkologen von 98.705 auf 279.443. Bei Kinderärztinnen und -ärzten stieg die Zahl von 36.060 auf 87.354. All das sind noch vorläufige Zahlen, weil die Einreichfrist drei Jahre lang läuft.

Weiters ist zu beachten, dass die Sozialversicherungsträger in ihrer heutigen Form erst seit 2020 existieren, die Zahlen von 2019 also etwa im Fall der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) von den früheren Gebietskrankenkassen unterschiedlich erhoben und aufbereitet worden sein dürften.

Alarmiert zeigt sich die SPÖ auch über eine in der Anfragebeantwortung erwähnte Untersuchung der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) aus dem Jahr 2023, wonach die Wartezeit auf einen Allgemeinmedizin-Termin im Median zwar nur zwei Tage beträgt, es bei der Gynäkologie aber 28 Tage sind. Das sei doppelt so hoch, wie von den Sozialdemokraten verlangt.

28 Tage wäre doppelt so lange wie SPÖ-Chef Andreas Babler es gern sähe, der vorige Woche mit der Forderung aufhorchen ließ, das es eine Garantie für einen Facharzttermin innerhalb von 14 Tagen brauche. Um die kurze Wartezeit sicherstellen zu können, würde Babler Wahlärztinnen und Wahlärzte dazu verpflichten wollen, einen Teil der Behandlungen nach Kassentarif zu machen.

"Patientenmilliarde war Lüge"

Kucher sah daher gebrochene Versprechen der einstigen Regierungsspitze von Sebastian Kurz (ÖVP) und Heinz-Christian Strache (FPÖ), unter der die Gebietskrankenkassen in die ÖGK übergeleitet wurden. "Die Patientenmilliarde war eine glatte Lüge. Statt gleich guter Leistungen für alle gibt es heute mehr Zwei-Klassen-Medizin denn je und immer öfter zählt die Kreditkarte und nicht die E-Card", kritisierte er.

In der Anfrage wurde auch bei Rauch erfragt, was zusätzlich zum Startbonus von 100.000 Euro, der bei bestimmten Kassenstellen gewährt werden soll, noch tut und vorhat. Rauch verweist hier unter anderem auf Standortförderungen, die in manchem Bundesland gewährt würden, auf flexiblere Arbeitsmodelle und auf ein in Arbeit befindliches Service-Center für Primärversorgung. Kuchers Resümée: Das System werde Jahr für Jahr schlechter statt besser. Und statt einer versprochenen Leistungsharmonisierung gebe es heute mehr Zweiklassenmedizin denn je.

Auch der Rechnungshof hat 2022 an der Sozialversicherungsreform umfassende Kritik geübt. Die Sozialdemokraten ließen in den vergangenen Jahren keine Gelegenheit aus, gegen die türkis-blaue Krankenkassenreform zu wettern, deren Folge auch eine Entmachtung der SPÖ bei den Sozialversicherungsträgern gebracht hatte.

Ärztekammer erklärt Zuwachs anders

Ärztekammer-Vizepräsident Edgar Wutscher kann die Argumentationslinie der SPÖ nicht nachvollziehen, denn Probleme mit der Kassenmedizin habe es auch zu Zeiten der Gebietskrankenkassen gegeben. "Ich glaube nicht, dass das mit der Zusammenführung einen relevanten Ausschlag macht", sagte er am Donnerstag im Ö1-"Mittagsjournal". Dass mehr Wahlarztrechnungen als früher eingereicht werden, liegt seiner Einschätzung nach vielmehr daran, dass es mehr Wahlärzte als früher gibt.

Dazu könnte kommen, dass wegen der Teuerung die Patientinnen und Patienten vermehrt auch Rechnungen über kleinere Summen einreichen. Dazu kämen die langen Wartezeiten bei Kassenärzten. Wutscher forderte deshalb, Kassenstellen attraktiver zu machen. Hier ortet er auch schon gewisse Fortschritte.

Für das von den Grünen geführte Gesundheitsministerium liegt der Kassenarztmangel an fehlenden Reformen der vergangenen Jahrzehnte und reicht damit weit vor die Ära von Türkis-Blau zurück, also auch etwa in Zeiten SPÖ-geführter Regierungen. (APA, spri, 25.1.2024)