Wenn der Trend anhält, wird heuer zum siebenten Mal in Folge die Anzahl der Menschen, die im Winter in Wien mit dem Rad fahren, steigen. Österreichweit dürfte der Trend ein ähnlicher sein. Auch wenn es in den vergangenen Tagen und Wochen ziemlich kalt, sehr windig oder beides war. "Eines ist im Wiental fix", sagt Ganzjahresradlerin Almut Kimbacher, "man hat immer Gegenwind." Dennoch fährt sie jeden Tag mit dem Rad in die Arbeit. Wegen der Umwelt und der eigenen Fitness.

Die Gründe, warum Menschen auch im Winter ihrem Fahrrad treu bleiben, sind so unterschiedlich wie die Geschichten der Ganzjahresradler. Nur einen Fixpunkt scheint es fast immer zu geben – und das ist irgendwann der ungewollte Bodenkontakt im Winter. Doch der hält kaum jemanden ab. Wenn es extrem glatt ist, lassen viele das Rad ausnahmsweise stehen. Andere warten genau darauf, wie Christian Gemmato.

Gegen das Wetter hilft die richtige Kleidung, sagt Claudia Rauner, aber wenn es recht feucht ist, steigen jene, die das Rad vorwiegend als Sportgerät benutzen, lieber auf den Hometrainer. So wie Rudolf Grasch, der dafür im Sommer schon einmal früher aufsteht, um 140 Kilometer an den Wörthersee zu fahren.

Christian Gemmato

Ein Mann mit einem Fahrrad auf einem zugefrorenen See.
Christian Gemmato fuhr im Jänner eine Runde über den zugefrorenen Neusiedler See.
Christian Gemmato

Die Nummer am Eis hat mich dann doch Nerven gekostet. Als unlängst der Neusiedler See zugefroren war, hab ich die Spike-Reifen meines Rades auf vier bar aufgepumpt und bin von mir daheim, in Eisenstadt, über die Radwege die 18 Kilometer runter nach Rust gefahren. Dort habe ich dann eine Runde am Eis gedreht und dies in Wort und Bild in den sozialen Netzen geteilt. Neben den vielen positiven Reaktionen, waren auch einige dabei, die das Ganze anders gesehen haben und sich dann die Mühe gegeben haben, mich zu belehren. Unverantwortlich, hirnlos … als ob es einen Unterschied machen würde, ob jemand mit den Eislaufschuhen aufs Eis geht oder mit dem Rad.

Christian Gemmato mit seinem Fahrrad am zugefrorenen Neusiedler See.
Christian Gemmato auf dem zugefrorenen Neusiedler See.
Christian Gemmato

Die vier bar in den Reifen waren ein Kompromiss – weder ideal für die Radwege noch für die Runde am Eis, aber am Ende hat es funktioniert. Am See bin ich von Rust nach Oggau gefahren und in einem weiten Bogen wieder zurück. Eine halbe Stunde war ich mindestens am Eis. Aber ein unnötiges Risiko ging ich nicht ein. Ich bin immer im sicheren Bereich geblieben, wo auch Eisläufer und Eissegler unterwegs waren.

Verboten ist es nicht, mit dem Rad am zugefroren See zu fahren, man macht das aber auf eigene Gefahr. Es war schlicht genial, weil der See so glatt zugefroren war. Ich habe verschiedene Muster im Eis gesehen – dazu die weitläufige Landschaft – der Ausflug war auch ein optisches Erlebnis.

Ein Blick über den Lenker auf Muster im zugefrorenen See.
Auf Eis zu radeln ist auch ein optisches Erlebnis, etwa ob der wunderbaren Formen im Eis.
Christian Gemmato

Ich fahre das ganze Jahr über mit dem Rad, auch wenn es kalt ist. Nur wenn es saunass ist, dann fahre ich indoor, auf einem Ergometer, der mit den neuesten smarten Technologien ausgestattet ist. Da messe ich mich dann mit echten Menschen, irgendwo anders auf der Welt. Es ist ein wenig wie Videospielen mit dem Fahrrad.

Manche meinen, ich wäre süchtig nach dem Radfahren. Wenn ich im Umkreis von fünf oder sechs Kilometern etwas zu tun habe, fahre ich mit dem Rad. Ich fahre damit meine Alltagswege, organisiere aber auch Rennradreisen und bin Guide. Kundentermine mache ich trotzdem meist mit dem Zug. Meine Fahrräder sind nicht die günstigsten, und ich lasse sie ungern länger wo stehen. Obwohl, ich habe ein Bahnrad – allerdings nicht, was man heute darunter versteht, ein Rad, um zum Bahnhof zu fahren, sondern eines, mit dem ich noch im Ferry-Dusika-Stadion gefahren bin.

Cora Klug

Cora Klug mit dem Fahrrad am Rand einer Skipiste.
Cora Klug braucht nicht immer einen gepflegten Radweg. Eine Skipiste reicht ihr auch zum Radfahren.
Cora Klug

Prinzipiell bin ich eine Ganzjahresradlerin, weil ich die fünf Minuten ins Krankenhaus Weiz, wo ich arbeite, immer und bei jedem Wetter mit dem Rad fahre. Das funktioniert auch ganz gut. Nur vor etwa einem Jahr hatte ich einen böseren Sturz, nachdem ich im Schneematsch in die Eisenbahnschienen gekommen bin – leider erinnert mich meine Schulter immer wieder daran.

Mein Sportgerät ist allerdings ein E-Mountainbike. Das ist mir zu schade, um damit in die Arbeit zu fahren. Das habe ich mir in der Corona-Zeit gekauft. Bis dahin bin ich viel und oft mit dem Motorrad Enduro gefahren, aber das ging auf einmal nicht mehr. Man konnte nicht zu den Endurostrecken in Ungarn fahren, die meisten MX-Strecken waren auch geschlossen.

Also suchte ich eine Alternative, die ich im E-Mountainbike fand.

Ich bin eine der "Bösen", die auch auf Wanderwegen fährt, und da kommt es eben auch vor, dass ich einen Weg fahre, von dem sich dann herausstellt, dass es gar kein Weg ist. Unlängst dachte ich, ich hätte ein Reh aufgescheucht. Es war dann aber eine Gämse. Ein paar Meter weiter, direkt am Abgrund stehend, habe ich dann verstanden, warum hier eine Gämse unterwegs war.

Sicher habe ich deswegen immer wieder Diskussionen, etwa mit Förstern, und ich verstehe auch, dass es ihnen nicht immer taugt, wenn ich mit dem Rad unterwegs bin, aber ich muss zugeben, als Frau habe ich es da leichter, schadlos durch solche Gespräche zu kommen.

Eine Frau am Rad im Schnee.
Im Winter ist Cora Klug öfter auf dem Schöckl oder der Platte unterwegs.
Cora Klug

Unlängst beschwerte sich eine Dame bei mir über die Radler, die nicht auf den erlaubten Wegen bleiben, und meinte dann, dass es mich ja eh nicht betreffe, weil ich ja schon älter sei und eine Frau bin. Wenn die wüsste.

Jetzt im Winter bin ich nicht nur bei mir auf den Hometrails unterwegs, sondern auch öfter auf dem Schöckl oder auf der Platte, wo ich dann auch zwangsläufig im Schnee fahre – das macht auch richtig Spaß. Nur die eisigen Passagen mag ich nicht so gern.

Im Sommer war ich in Kärnten am Weißensee und dort bin ich das erste Mal mit meinem Rad Sessellift gefahren. Die Trails dort haben mir auch getaugt – wenn man sie öfter fährt – was ja mit einem eMTB durchaus möglich ist – kennt man spezielle Abschnitte dann schon und es wird immer lustiger.

Oder als ich unlängst bei einer Fortbildung in Bad Kleinkirchheim war, nahm ich mein Rad mit und als die Kolleginnen und Kollegen in den Pausen in der Sonne gelegen sind, bin ich inzwischen schnell mal auf die Kaiserburg geradelt. Was mir sehr gut gefällt, ist dass man mit einem guten E-Bike einen ziemlich großen Radius hat, um fremde Gegenden zu erkunden. Aber gut möglich, dass Motorradfahrer, speziell Endurofahrer, den Reiz des E-Bikes einfach besser verstehen.

Almut Kimbacher

Eine Frau mit einem E-Bike in Schönbrunn.
Die beiden Packtaschen gehören für Almut Kimbacher so gut wie fix zum Rad, was mitunter auch für Probleme sorgen kann.
Almut Kimbacher

Wenn ich im Winter mit dem Fahrrad unterwegs bin, dann habe ich eine fürchterliche Ausrüstung an, mit Warnweste und gelben Helm – aber es ist mir wichtig, dass ich gut gesehen werde. Ich bin im Winter oft mit dem Rad unterwegs und fahre damit täglich von Hütteldorf in die Arbeit nach Schönbrunn, wo ich im Zoo als Tierpflegerin arbeite. Der Heimweg ist anstrengender, weil es da bergauf geht. Das Einzige, was in beide Richtungen konstant ist, ist der Gegenwind.

Ich habe mir ein E-Bike gekauft, aus einer ganz einfachen Überlegung heraus: Ich habe eine Knieprothese und brauche ein Fahrrad, mit dem ich auch wirklich fahre und das nicht nur herumsteht. Mit dem E-Bike fahre ich sogar, wenn ich eigentlich zu müde zum Radfahren bin, da ist die Überwindung nicht so groß.

2021 bin ich auf das Fahrrad umgestiegen, und die 17 Kilometer hin und retour, die ich zuvor mit dem Auto in die Arbeit gefahren bin, erledige ich seither mit dem Rad. 8.000 Kilometer sind so schon zusammengekommen.

Nur das Andirndln ist lästig. Im Winter dauert das schon einmal bis zu 20 Minuten. Das ist bei mir komplizierter, weil ich mich wirklich vor den Elementen schützen will. Damit dem Knie nichts passiert, trage ich zudem Knieschützer. Ellenbogenschützer trage ich auch, seit ich einmal gesehen habe, wie jemand auf den Ellenbogen gestürzt ist.

Was mich stört, ist, dass das Fahrrad als Verkehrsmittel noch eine Servicewüste ist. Wenn du damit eine Panne hast, vor allem mit dem hochwertigeren E-Bike, hilft dir keiner. Da gibt es noch viel Nachholbedarf. Der Bus nimmt dich nicht mit und mit Pannen habe ich auch so meine Erfahrungen gemacht, nachdem ich einmal sechs Stunden trotz Pannen-Versicherung auf Hilfe gewartet habe und man mir dann erst nicht so recht helfen konnte. Oder beim Supermarkt merkt man auch, dass das Fahrrrad noch nicht so wirklich akzeptiert ist. Da kann ich mein Rad nicht ordentlich festmachen, nur weil es mit den Packtaschen nicht zwischen die Bügel passt.

Aber ich fahre gern und viel mit dem Fahrrad, auch weil ich den Weg in und von der Arbeit zum größten Teil übers Wiental, abseits vom Autoverkehr, bewältigen kann. Die Kälte ist mir dabei im Winter egal – und dem Fahrrad auch. Das darf bei mir daheim im Wohnzimmer stehen, wo es trocken und warm ist, was nicht zuletzt auch für den Akku gut ist.

Rudi Grasch

Ein Mann im Radress, schaut aufs Mobiltelfon.
Für Rudi Grasch ist das Fahrrad vorwiegend Sportgerät.
Rudolf Grasch

Ich liebe den Radsport seit 25 Jahren. Die Alltagswege erledige ich aber mit dem Auto. Denn mein Beitrag zum Klimaschutz ist, dass ich im selben Ort in der Südsteiermark wohne und auch arbeite. Drei Kilometer liegen zwischen Wohnort und Arbeitsplatz, dabei kann ich noch bequem den Junior in die Schule bringen. Im Frühling und Sommer fahren wir gemeinsam mit dem Rad, aber hauptsächlich nutze ich das Fahrrad als Trainings- und Freizeitgerät. Bis vor wenigen Jahren habe ich noch Triathlon gemacht und bin Mountainbike- und Radrennen gefahren. An Wettkämpfen nehme ich nicht mehr teil, aber die Liebe zum Fahrrad ist mir geblieben.

Bis zu 9.000 Kilometer fahre ich im Jahr – vorwiegend zwischen Februar und November, aber an trockenen Tagen auch gerne im Winter. Wenn es draußen gar nicht zum Fahren geht, dann fahre ich im Keller auf dem Ergometer.

Im Alltag mit dem Rad zu fahren, das ist für mich unpraktikabel. Ich bewundere die Pensionisten, die sogar mit einem Fahrrad, das mit Einkaufstaschen vollgepackt ist, noch fahren. Für mich ist das nichts. Da nehme ich lieber das Auto.

Als Autofahrer habe ich Verständnis für die Radfahrer und überhole nie zu knapp. Ich muss sowieso erst ein Stück hinterher fahren, schauen, welches Equipment jemand hat und ob ich ihn nicht sogar kenne. Das ist ein ganz andere Mindset, als die meisten Autofahrer haben. Darum ist inzwischen auch das Gravelbike mein Lieblingsrad. Damit muss ich nicht immer nur auf den super ausgebauten Straßen fahren, sondern kann Nebenstraßen nutzen, die Weinstraße etwa oder Feldwege. So komme ich dann oft runter bis nach Slowenien und habe kein Problem mit hupenden und schreienden Autofahrern, die es alle eilig haben und wahnsinnig gestresst sind.

Ein Mann im Sommer am Rennrad.
An einem verlängerten Wochenende kann es schon einmal passieren, dass Rudi Grasch in aller Früh aufsteht und von Leibnitz die rund 140 Kilometer an den Wörthersee fährt.
Rudolf Grasch

Am Wochenende oder an Feiertagen, wenn weniger Verkehr ist, bin ich auch öfter mit dem Rennrad unterwegs. Oder wenn meine Frau mit den Kindern ein verlängertes Wochenende am Wörthersee verbringt. Dann fahre ich um fünf Uhr in der Früh los und zu Mittag treffen wir dann fast zeitgleich in Kärnten am See ein.

Claudia Rauner

Eine Frau und ihr Lastenrad.
Claudia Rauner fährt nicht nur ein Lastenrad, es ist auch ein Jobrad. Durch diese Konstruktion kostet sie das Rad nur rund drei Viertel des Marktpreises.
Claudia Rauner

Ach, ich bin gar nicht so sportlich, mein Mann fährt schon auch einmal mit einem 70er den Berg runter, das mache ich nicht. Ich fahre einfach gerne Fahrrad – entweder mit dem Rennrad oder mit dem Lastenrad. Gestern erst bin ich mit dem Rennrad die rund 17 Kilometer nach Graz in die Stadt reingefahren, weil ich nicht wusste, ob ich mein Lastenrad am Ziel sicher abstellen kann. Das Lastenrad hat einen zusätzlichen E-Antrieb. Mit dem erledige ich Fahrten zum Einkaufen, zur Altstoffsammelstelle, für Freizeitaktivitäten und im Rahmen der Arbeit – vor allem für meine Arbeit, denn mein Lastenrad ist ein Jobrad, welches ich auch privat nutzen darf. Das heißt, dass mir die Leasingrate vom Bruttoeinkommen abgezogen wird und der Arbeitgeber sich dadurch Lohnnebenkosten spart. Für mich schlägt dies bei allen Leistungen durch, die vom Bruttoverdienst abhängen, wie zum Beispiel verminderte Sonderzahlungen. Das ist mir das Rad wert.

Wenn der Vertrag abgeschlossen ist, kaufe ich das Rad heraus, ähnlich wie bei einem Leasing. Die Anschaffungskosten sind recht hoch, aber dafür reduzieren sich die laufenden Kosten auf ein Minimum, im Vergleich zum Auto. Service und Reparaturen sind von einer Versicherung gedeckt, die rund 16 Euro pro Monat kostet und dazu kommt der Strom zum Aufladen. Die Initiative zum Jobrad ging von mir aus, aber mein Arbeitgeber hat das sofort – auch zur Gesundheitsförderung – unterstützt. An die 3.000 Kilometer fahre ich jetzt jedes Jahr mit dem Rad, vielleicht werden jetzt es noch mehr. Die Kälte im Winter? Die ist mir wurscht. Wenn man sich bewegt wird einem schnell warm. Bei Schnee bin ich auch schon gefahren, das ist auch kein Problem. Blöd ist es nur, wenn es matschig ist. Aber dann kann ich auf die Fahrbahn ausweichen. Bei eisiger Fahrbahn fahre ich nicht. Da gehe ich zu Fuß und nehme den Bus. Regen ist mir auch wurscht – da ziehe ich mich eben entsprechend an. Ich habe gute Hand- und Überschuhe, Regenjacke und Regenhose. Achja, den Kopf nicht vergessen – da trage ich eine Balaclava oder ein oder zwei Schlauchschals und eine Sportbrille gegen den Fahrtwind. Damit nehme ich es mit jedem Winter auf. Die Überzieher sind wind-, wasserdicht und gut gefüttert. Die Überschuhe sind wichtig, weil man beim Radfahren oft von unten nass wird – also müssen die Füße besonders geschützt sein.

Mit dem Lastenrad zu fahren ist keine besonders große Umstellung. Nach fünf Kilometern hat man das heraußen. Ich bin kein Bewegungstalent und schaffte es trotzdem. Gut, ich bin erst heute gestürzt – es war aber nicht schlimm, der Weg war gatschig, es hat geregnet und ich war zu schnell dran – ich bin aber zum Glück in die Wiese gefallen und dem Rad ist auch nichts passiert. Ich hab es schon wieder geputzt, damit es morgen wieder schön einsatzbereit ist. Heute bin ich übrigens den 600. Kilometer seit Oktober 2023 auf mein Lastenrad gefahren – nur mit Fahrten zum Einkaufen, zur Arbeit und zurück und auf Freizeitwegen. Ein Auto haben wir noch. Aber da werden wir uns was einfallen lassen. Wir brauchen und nutzen es nicht kaum mehr. Unser Hauptfortbewegungsmittel im Alltag ist das Rad geworden.

Erich Klinger

Ein Mann mit seinem E-Bike im Burgenland.
Erich Klinger hat sein Auto verkauft und erledigt nun alle Wege mit dem Rad oder den Öffis, nur einmal im Monat nutzt er Carsharing.
Erich Klinger

Ich bin mit dem Fahrrad aufgewachsen, aber im Seewinkel, in Apetlon, wo ich lebte, war das Auto ein Muss. Ich war oft mit dem Auto unterwegs, Wein ausführen etwa. Aber dann kam der Punkt, an dem ich nicht mehr vom Auto abhängig sein wollte. Also bin ich Neusiedl am See gezogen. Die Stadt ist aus Mobilitätssicht sehr spannend, weil es hier Bahnanschlüsse nach Wien, Eisenstadt und in den Seewinkel gibt, in dem ich immer noch regelmäßig bin.

So wie gestern erst. Das war eh ein Theater: Ich bin samt Rad mit dem Zug nach Frauenkirchen gefahren, und am Weg zwischen Bahnhof und Therme bin ich gestürzt, weil es so eisig war. Aber es ist glimpflich ausgegangen.

Carsharing gibt es in Neusiedl auch. Einmal im Monat brauche ich ein Auto zum Einkaufen – gerade die Sachen, die ich für meinen Gemüsegarten brauche, lassen sich nur schwer mit dem Fahrrad transportieren. Ein eigenes Auto habe ich nicht mehr. Es stand zuletzt monatelang in der Garage und als das Klimaticket kam, habe ich mich für den Umstieg entschieden. Auch wenn es im Seewinkel dann mitunter spöttisch heißt, dass man sich anscheinend kein Auto leisten kann. Da ist man in Neusiedl aufgeschlossener. Dafür ist die Verkehrssituation für Radfahrer hier eine Katastrophe. Auf der Hauptstraße geht es oft zu wie am Gürtel in Wien. Darum bauen wir gerade eine Ortsgruppe der Radlobby auf.

Wie viele Kilometer ich mit dem Rad jedes Jahr fahre, interessiert mich nicht. Ich habe zwar einen Computer, der das mitrechnet, aber angeschaut habe ich mir das nicht. Bis auf das eine Mal im Monat, wo ich das Auto nehme, fahre ich alles mit dem Rad oder den Öffis. Beim Einkaufen kann man viel sparen, habe ich den Eindruck, wenn man Rad unterwegs ist, weil man dann nicht hamstert. Sperriges oder Schweres lasse ich mir liefern.

Es sind nicht nur Umweltgründe, warum ich heute mit dem Fahrrad fahre – ein E-Bike übrigens. Ich habe Lungenprobleme, und da ist die Bewegung schon wichtig. Außerdem passiert auch viel im Kopf, wenn man mit dem Rad fährt und schauen muss, wie man gut zurechtkommt. Aber klar, die Umwelt ist mir auch sehr wichtig. Seinerzeit habe ich mit einem Freund in Eisenstadt noch eine Verkehrszählung gemacht, um auf den vielen Verkehr hinzuweisen. Ausgelacht haben sie uns damals. Zehn Jahre später haben sie dort die Fußgängerzone errichtet. Ich bin also schon ein völliger anderer Typ als die meisten aus dem Seewinkel.

Alexander Sommer

Ein Mann auf einem Rennrad
Alexander Sommer pendelt jeden Tag mehr als 50 Kilometer mit dem Rad.
Hermann Wakolbinger

27 Kilometer fahre ich jeden Tag von Neumarkt im Mühlkreis nach Linz zu meinem Arbeitgeber Dynatrace. Schon beim Einstellungsgespräch habe ich darauf gepocht, mit dem Fahrrad in die Arbeit fahren zu wollen und dass ich deshalb eine Dusche in der Firma brauche. Die hat mein Arbeitgeber dann auch prompt bauen lassen. Heute haben wir dort eine Spitzen-Infrastruktur für Radfahrer.

Rund eine Stunde fahre ich in der Früh in die Firma, am Abend brauche ich etwa 90 Minuten, bis ich wieder zu Hause bin, weil ich auf dem Heimweg bergauffahren muss.

Zum Radfahren bin ich nach dem Studium gekommen. Es war die Zeit, als ich mit dem Fußballspielen aufgehört habe – die erste Motivation war aber eine andere: die Kostenersparnis.

Wir haben angefangen ein Haus zu bauen, dann kam bald das erste Kind. Erst da dachte ich intensiver daran, meinen Kindern etwas hinterlassen zu wollen, einen Beitrag zu leisten, umweltbewusster zu leben. Das war rund um das Jahr 2000. In die Arbeit waren es nur vier Kilometer. Und die waren am Anfang eine echte Challenge.

Ein Mann zieht sich in der Garderobe um.
Seit Alexander Sommer ins Unternehmen wechselte, hat das Unternehmen eine vorzeigbare Infrastruktur für Radfahrer.
Hermann Wakolbinger

Auch jetzt, wo es viel weiter in die Arbeit ist, habe ich nie überlegt, wieder aufs Auto umzusteigen. Mein Ziel ist es, bis zur Pension ohne E-Bike auszukommen. Obwohl, eher nehme ich ein E-Bike, als dass ich mit den Öffis oder gar mit dem Auto fahre.

Das Radfahren ist inzwischen eine Familienangelegenheit, genauso wie möglichst nachhaltig zu leben – ohne gleich eine Religion daraus zu machen. Meine Frau und die Kinder sind Leistungssportler, und darum haben wir halt auch unseren Fußabdruck. Darum versuchen wir an anderen Stellen einzusparen, was geht. Wir machen etwa keine Trainingscamps mehr, die mit Flügen verbunden wären. Bei den Wettkämpfen lässt sich das aber nicht immer vermeiden, dass man manchmal in den Flieger steigt. Und wir fahren auch mit dem Auto, versuchen es aber zu vermeiden, wo immer es nur geht. Wir pflanzen unser eigenes Gemüse im Garten und werfen keine Lebensmittel weg. Und dennoch gibt es bestimmt Familien, denen es besser gelingt, nachhaltiger zu leben. Ich versuche mein Bestes, auch wenn ich weiß, dass ich noch viel mehr machen könnte. Und jedes Jahr gehe ich einen Schritt weiter. 2023 etwa habe ich mir einen Radanhänger gekauft, mit dem ich nun die Einkäufe erledige oder die Fahrten zur Altstoffsammelstelle. (Guido Gluschitsch, 29.1.2024)