Das junge Paar ist sich nicht sicher. Eigentlich gefällt es ihnen dort, wo sie gerade wohnen. Ihre Wohnung ist gefördert, der Mietzins also günstig. Obwohl sie in der Stadt leben, ist es relativ grün. Auch ihre Freunde und ihre Familien wohnen in der Nähe. Und dennoch. Die junge Familie will aufs Land ziehen. Nicht jetzt gleich, wie sie erzählen, aber in zwei bis drei Jahren. Noch sind sie auf der Suche nach einem Baugrund. Auch die Finanzierung ist eine Herausforderung. Aber irgendwie ge­höre das doch dazu, sagen sie. Wenn man ein Kind habe, sei es gut, "etwas Eigenes zu haben".

Zeichnung Kind Haus Familie
Wo gehören wir hin? Millennials können sich nicht entscheiden, wo und wie sie leben wollen. Am Ende bleibt das Gefühl, irgendwie heimatlos zu sein.
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Egal, ob in der Stadt oder auf dem Land: Junge Familien tun sich dieser Tage schwer, ein für sie passendes Zuhause zu finden. In Städten wie Wien fehlen leistbare, große Wohnungen mit vier oder mehr Zimmern. Häuser auf dem Land sind für junge Menschen ebenfalls nicht mehr erschwinglich, seit die Zinsen gestiegen sind und die Bedingungen, an einen Kredit zu kommen, strenger wurden.

Geht es nach Bundeskanzler Karl Nehammers "Österreich-Plan", soll sich das bald ändern. Seine Partei, die ÖVP, plant eine Eigentumsoffensive, die es vor allem jungen Familien leichter machen soll, sich ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen. Die konkreten Punkte sind: ein staatlich besicherter Wohnbaukredit und die Abschaffung aller Steuern und Gebühren beim Kauf des ersten Eigenheims sowie eine Kaufoption bei sämtlichen Genossenschaftswohnungen zum Preis der Errichtungskosten. Die ÖVP will damit die Eigentumsquote von bisher 48 auf 60 Prozent anheben.

Die Misere auf dem Wohnungsmarkt und die hohen Baukosten sind zu einem Großteil dafür verantwortlich, dass junge Menschen heute mit ihrer Wohnsituation unglücklich sind. Viele vergleichen die eigene Situation mit jener der Eltern, als diese in ihrem Alter waren, und sind desillusioniert: Ein Eigenheim war noch vor 30 Jahren wesentlich erschwinglicher als heute.

Midlife-Crisis

Doch nicht nur die gestiegenen Preise sind schuld am Unglück der Jungen. Es ist auch ihre Orientierungslosigkeit. Es liege ein Fluch über der Generation der Millennials, war unlängst in der deutschen Wochenzeitung Die Zeit zu lesen. Das Phänomen Tinder, sich immer zu fragen, ob es anderswo etwas Besseres gebe, sich nicht entscheiden zu können, sei nun auf die eigene Wohnsituation übergesprungen, hieß es dort. Die Konsequenz: Die Jungen könnten sich nicht festlegen, seien ständig auf der Suche nach neuen Immobilien, nach dem Ort, der ihr Für-immer-Zuhause sein soll. Midlife-Crisis der Millennials.

Und tatsächlich, die Frage "Stadt oder Land?" haben viele junge Familien nicht abschließend für sich geklärt, höchstens aufgeschoben. Auf später, wenn es sich vielleicht ­irgendwann ergibt. Dabei bleibt im Hintergrund ständig das Gefühl, das aktuelle Zuhause sei nur ein vorübergehendes, ein Provisorium. Das richtige, das echte, jenes, das man aus der eigenen Kindheit kennt, das komme schon noch irgendwann.

Und selbst diejenigen, die den Schritt gewagt hätten, aufs Land oder in den Speck­gürtel gezogen seien, schreibt Die Zeit weiter, stellten ihre Entscheidung infrage. Wofür das alles, der Umzug aufs Land? Für die Schulden, das Pendeln, den womöglich fehlenden Anschluss an die neue Gemeinschaft?

Stetiges Zweifeln

Vor allem Letzteres dürfte auch ein Grund für die steten Zweifel dieser Generation sein. Junge Familien fühlen sich häufig einsam, das bestätigt auch die systemische Psychotherapeutin Katharina Henz. Viele sind einst fürs Studium oder die Arbeit vom Land in die Stadt gezogen. Jetzt, 15 Jahre später, haben viele sich verliebt, geheiratet, Familien gegründet.

Auf einmal ist ein soziales Netzwerk so wichtig wie nie zuvor. Gleichzeitig fallen die Freunde ohne Kinder weg, und jene Kontakte, die bleiben, wohnen zu weit weg. Denn plötzlich zählt, ob jemand in zehn Minuten da sein und für eine Stunde auf die Kinder aufpassen oder einspringen kann, wenn Kinder oder Eltern krank geworden sind.

In der Stadt haben diesen Luxus die wenigsten. Anders als früher, als die gesamte Sippschaft im selben Dorf oder Grätzl gelebt hat, sind Großeltern nun weit weg, die Tanten und Onkeln ebenso. Und plötzlich wird aus jungen Paaren mit vielen Freunden eine Familie, die auf sich allein gestellt ist.

Das merken Eltern schon sehr früh. Die Autorin Heide Lutosch schreibt in ihrem Buch Kinderhaben: "Die ungute Isolation der Mutter mit ihrem Säugling zu Hause ist, historisch gesehen, eine ziemlich einmalige Konstellation und auch heute nur in westlichen Industrieländern die Norm." Bis vor wenigen Generationen war es auch bei uns üblich, dass mehrere Generationen zusammenleben, der Familienverband sich selbstverständlich unterstützt. Einsamkeit war kein Thema.

Zurück zu den Eltern?

Heute müssen Unterstützung und Entlastung, wenn möglich, zugekauft werden. Und selbst dann ist man vom Goodwill der Babysitterin abhängig. Auch Elternnetzwerke zu organisieren und Menschen zu finden, denen man die eigenen Kinder wirklich anvertrauen möchte, ist schwieriger als viele denken.

Ein Umzug aufs Land, zurück in das Umfeld der eigenen Kindheit, wo die Großeltern unterstützen könnten? Für viele klingt das plötzlich wieder attraktiv, obwohl sie das eigentlich nie wollten.

Einige Menschen haben das Problem erkannt. Innovative Wohnprojekte und Baugruppen denken das Netzwerk mit. In diesen Projekten tun Familien sich zusammen, um gemeinsam zu bauen. Gemeinschaftsräume werden errichtet, und das Sozialleben ist ein Bestandteil des Wohnens. Die Kinder essen bei den Nachbarn mit, diese passen dafür auf, wenn man selbst ein Wochenende wegfahren will. Das sei gelebte Praxis, sagt Juliane Schiel von der Wiener Baugruppe Willda-Wohnen.

Es braucht ein Dorf

Luiza Puiu aus der Baugruppe Hauswirtschaft im Nordbahnviertel ergänzt: "Es braucht ein Dorf, um Kinder großzuziehen. Da die Großeltern weiter weg leben, könnten wir uns ein Familienleben ohne die Gruppe gar nicht vorstellen." Es ist ein Aspekt, der allzu oft vergessen wird, wenn es um die Suche nach Immobilien, die Suche nach einem Zuhause geht. Gibt es dort, wo ich hinwill, gleichaltrige Kinder? Oder leben in der Einfamilienhaussiedlung nur Pensionistinnen? Aus den Immobilieninseraten ist das leider nicht ersichtlich.

Letztlich sind es die Menschen, die ein Zuhause ausmachen und nicht die Immobilie. Daran wird auch eine höhere Eigentums­quote nichts ändern. (Bernadette Redl, 27.1.2024)