Es ist der natürliche Lauf der Dinge, der logische Weg. Wer selbst noch keine Kinder hat, nimmt sich vor, es selbst einmal ganz anders, viel besser zu machen. Doch dann kommen die Kinder zur Welt, und man landet auf dem harten Boden der Realität: Kinder wollen beschäftigt werden, am liebsten nonstop. Und plötzlich drückt man den Kleinen das Smartphone – früher die Fernbedienung – oder den Schokoriegel in die Hand. Und versteht auf einmal die Elterngenerationen davor. Ich spreche aus eigener Erfahrung.

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Die Gen Z verurteilt die Millennials, weil ihre Kinder auf Reisen oder in Restaurants auf Bildschirme schauen dürfen.
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Auch der Generation Z, geboren zwischen 1995 und 2010, wird es einmal so gehen. Deren Vertreter rufen seit einigen Wochen ihre Altersgenossinnen und -genossen auf Tiktok dazu auf, bloß nicht so zu werden wie die Millennials, die aktuell ihren Nachwuchs zu "iPad-Kindern" erziehen, wie es dort heißt. Als Generation, die selbst mit digitalen Medien aufgewachsen und teilweise sogar regelrecht davon abhängig sei, wisse sie es am besten, heißt es in den Videos der jungen, selbst noch Kinderlosen.

Wenn ich mir als Mutter eines zweijährigen Kindes diese Videos ansehe, kann ich nur lachend den Kopf schütteln. Eltern von heute seien zu faul, um ihre Kinder zu erziehen und sich mit ihnen zu beschäftigen. Der vermeintliche Beleg dafür: Kinder, die man in der U-Bahn oder im Restaurant gesehen hat, die auf Smartphones schauen.

Es wäre lustig, wenn es nicht so traurig wäre. Als Mütter von heute sind wir es gewohnt, kritisiert zu werden. Die Babyboomer-Generation tut sich schwer mit dem Zugang zu Erziehung, den viele Eltern heute haben. Unzählige Male habe ich es selbst erlebt: Wildfremde weisen mich in der U-Bahn, im Park oder sonst wo darauf hin, mein Kind habe den falschen Schnuller, sei zu warm oder zu kalt angezogen oder ich solle doch was tun, dass mein Baby endlich zu schreien aufhört. Auch viele befreundete Mütter erzählen mir von solchen Erlebnissen.

Keine Ahnung

Man könnte es als "Generationsplaining" bezeichnen. Man erklärt sich selbstbewusst zum Experten für eine Sache, von der man eigentlich keine Ahnung hat. In diesem Fall: keine haben kann, weil man selbst noch keine Kinder hat. Pädagoginnen, Kinderpsychologen und anderes Fachpersonal freilich ausgenommen.

Die meisten dieser Videos stammen von Männern, viele haben wohl kaum je mehr als zwei oder drei Stunden am Stück mit einem Kleinkind verbracht. Heutzutage Kinder zu haben ist hart, härter, als man es sich jemals vorstellen würde, und für alle, die es nicht selbst erlebt haben, kaum vorstellbar. Auch ich habe die brutale Wucht, mit der einen die Elternschaft und die Ansprüche in einer Gesellschaft wie unserer trifft, komplett unterschätzt.

Wir Eltern, vor allem wir Mütter, lesen Ratgeber, tauschen uns in Foren aus, gehen in Stillgruppen und zu Vorträgen. Wir lesen Bücher über Beikost und bindungsorientierte Erziehung. Wir lassen unsere Babys nicht schreien, verzichten auf Schlaftrainings, lesen vor, malen und basteln mit den Kindern, backen zuckerfreie Muffins für den Kindergeburtstag, informieren uns, welche Vitamine sie brauchen, packen tagtäglich gesunde Jausendosen, kochen abwechslungsreiche Menüs, überlegen uns Spiele, die unsere Kinder altersgerecht fördern. Und wir wissen sehr wohl, dass ein Zweijähriger nicht länger als 20 Minuten täglich auf einen Bildschirm schauen sollte – auch darüber haben wir mindestens ein Buch gelesen oder eine ärztliche Empfehlung gehört.

Wenn ein irrationaler Wutanfall – weil man beim Rausgehen eine Hose anziehen muss oder der Apfel in der Mitte durchgeschnitten wurde – den nächsten jagt, schreien wir nicht: "Jetzt gib doch mal Ruhe!", sondern wir gehen auf Augenhöhe mit unseren Kindern, nehmen sie in den Arm und sagen: "Ich verstehe, dass du wütend bist. Es muss schwer sein, wenn man nicht selbst entscheiden kann. Lass deine Emotionen raus!" Wir erklären unseren Kindern, was wir tun, entscheiden nicht über ihre Köpfe hinweg, setzen Grenzen, begleiten den Ärger, wenn sie nicht akzeptiert werden und versuchen gleichzeitig, uns auch Zeit für uns zu nehmen, uns nicht als Mütter für die Familie aufzuopfern, weil auch das kein gutes Vorbild wäre. All das machen wir, während wir, anders als viele unserer eigenen Mütter, auch noch berufstätig sind. Und meist ohne Hilfe von Großeltern, die oft weit weg wohnen.

Menschen mit Bedürfnissen

Es ist eine Mammutaufgabe, das alles unter einen Hut zu bringen. Und wir machen das alles, weil wir es wollen und hart dafür gekämpft haben. Aber auch, weil die Gesellschaft es verlangt – Ärzte, Schwiegereltern, Nachbarinnen. Weil es diese Studien, Infos und Ratgeber gibt, von denen wir jetzt wissen, von denen die Generationen davor aber keine Ahnung hatten. Und weil wir Menschen erziehen wollen, die mit ihren Emotionen umgehen, über Gefühle sprechen, Konflikte austragen, Fehler eingestehen und sich entschuldigen können. Wir behandeln unsere Kinder wie Menschen, deren Bedürfnisse und Meinung zählen, und nicht wie Schreihälse, die schnellstmöglich ruhiggestellt werden müssen, wie sie von der Generation Z in den diversen Videos bezeichnet werden.

Was auch bezeichnend dafür ist, wie unsere Gesellschaft mit Kindern umgeht. Was wirklich helfen würde, wäre ein Aufruf der Gen Z, öffentliche Orte endlich kinderfreundlicher zu machen. Wo gibt es heute schon Spielbereiche, altersgerechte Möbel und Kinderabteile?

Familie findet in unserer Gesellschaft im Verborgenen statt, zumindest für alle, die es ach so besser wissen: in den Wohnzimmern und auf den Spielplätzen des Landes. Denn überall sonst fehlt schlichtweg eine angemessene Umgebung für Kinder, und deshalb braucht es manchmal ein iPad, um ein Kind zu beschäftigen. Nicht immer, weil die Eltern ihre Ruhe haben wollen, sondern ganz oft auch deshalb, weil Eltern es schon erlebt haben, dass Mitreisende oder andere Gäste im Restaurant sich über die Kinder beschwert haben, die nicht stillsitzen können oder auch mal weinen.

Manche Eltern mögen das Smartphone inflationär zücken, doch für die allermeisten ist es die Ausnahme, eine Möglichkeit, um 20 Minuten am Tag Ruhe zu haben, einen Kaffee zu trinken, ohne nach jedem Schluck unterbrochen zu werden. Es ist ein Werkzeug, das nicht leichtfertig eingesetzt wird. Wer seinem Kind nach fünf Stunden Vorlesen, Spielen und Malen für die letzten 30 Minuten der Zugfahrt ein Smartphone in die Hand drückt oder nach einem langen Urlaubstag voller kindgerechten Programms und Outdoor-Aktivitäten abends im Restaurant zum Handy greift, hat sofort einen Boomer oder jetzt auch noch einen Vertreter der Generation Z am Nebentisch sitzen, der den Zeigefinger erhebt.

Großer Druck

Das Problem ist unsere Gesellschaft, es sind nicht die Kinder und auch nicht die Erziehenden. Eltern stehen unter großem Druck. Als mein Kind noch ein Baby war, das mehrere Stunden täglich geschrien hat, war meine größte Sorge, ein solcher Schreianfall könnte in der Straßenbahn losgehen. Denn ich erinnerte mich gut an meine eigenen Gedanken, wenn ich ein weinendes Kind in der Bim sah: Ich hatte Mitleid mit dem Kind und stellte die Fähigkeiten der Eltern infrage. Als ich dann selbst in der Situation war, ließen die Angst vor den Blicken, vor besserwisserischen Ratschlägen, mit denen viele nicht hinterm Berg halten können, mich daheimbleiben, obwohl die Einsamkeit der langen Tage in der Karenz mit einem schreienden Baby mich fast um den Verstand gebracht hätte.

Heute ist das anders. Jetzt habe ich Mitleid mit der Mutter, die mit einem quengelnden Kind U-Bahn fahren muss. Ich nicke ihr wissend zu, lächle sie freundlich an oder sage ihr, dass sie nicht allein ist und einen tollen Job macht. Wir sind jetzt schließlich im selben Klub, Teil einer Solidargemeinschaft. Und keine Sorge, Gen Z, in die nehmen wir euch dann auch gerne auf, auch wenn ihr uns jetzt verurteilt. Ein bisschen werden wir uns insgeheim aber auch denken: Wir haben es ja gewusst. Bis dahin schlage ich euch vor, einfach die Klappe zu halten und es den Eltern zu überlassen, die Erziehungsentscheidungen zu treffen. (Bernadette Redl, 3.1.2024)