Karl Nehammers "Österreich-Plan" ist in Kapitel unterteilt, die jeweils darstellen sollen, was Österreich nach Meinung der ÖVP sein soll: "Land der Leistung", "Land der Vernunft", "Land der Mobilität" – gespickt mit Vorschlägen, die zum Teil recht brisant sind (z. B. "automatisches Pensionssplitting unter Ehegatten"). Er enthält auch ein Kapitel über das "Land der wehrhaften Demokratie".

Hier hält der Kanzler fest, dass die Demokratie "fixer Bestandteil Österreichs und unserer Identität" ist. Allerdings bleibt er hier erstaunlich allgemein und vermeidet es, die größte Gefahr, die momentan die Demokratie bedroht, nämlich den neuen Rechtsextremismus, zu erwähnen.

In Nehammers "Land der wehrhaften Demokratie" gibt es keine rechtsextreme und/oder rechtspopulistische Bedrohung.

Lederhose
Meint der Kanzler mit"österreichischer Leitkultur" ein Lederhosengebot?
IMAGO/Pressefoto Rudel/Herbert R

Es werden auch keine konkreten Maßnahmen dagegen angeführt. Unter "Land der wehrhaften Demokratie" führt Nehammer "Bundesheer stärken", die "geistige Landesverteidigung", ein "klares Bekenntnis zur Wissenschaftsfreundlichkeit" (das geht gegen die Corona-Schwurbler) und den "Kampf gegen den Antisemitismus" an. Aber das ist es auch schon. Nichts gegen die "Neue Rechte", nichts gegen die Staatsumsturzpläne der Kickl-FPÖ ("Fahndungslisten" gegen "Volksverräter", Deportation und Staatsbürgerschaftsentzug von "Nichtangepassten").

Dabei sagt sogar der Verfassungsschutz in seiner aktuellen Lagebeurteilung: "Die sogenannte ‚Neue Rechte‘ stellt gegenwärtig im Bereich des Rechtsextremismus die größte Herausforderung dar. Insbesondere die Identitäre Bewegung Österreich (IBÖ) und (ihre Tarnorganisation, Anm.) die DO5, nutzen sämtliche Krisen der vergangenen Jahre", um "an Bedeutung zu gewinnen und ihre Gesinnung in die Mitte der Gesellschaft zu bringen. Eine besondere Herausforderung für den Verfassungsschutz ist die hohe Waffenaffinität der ‚Neuen Rechten‘."

Verfechter von Deportationsfantasien

Aber auch der Bundespräsident weist in seiner Botschaft zum Holocaust-Gedenktag darauf hin, dass "gerade jetzt, wo Feinde unserer offenen Gesellschaft, Feinde der liberalen Demokratie, mehr und mehr Aufwind bekommen", gehandelt werden müsse.

Nehammer müsste über die engen Kontakte der "Neuen Rechten" zur Kickl-FPÖ Bescheid wissen. Die Falter-Redakteurin Nina Horaczek hat soeben nachgewiesen, dass es im FPÖ-Parlamentsklub von ultrarechten Mitarbeiter(innen) nur so wimmelt.

Mag sein, dass Nehammer da etwas nicht sehen will. Zwar sagt er, dass, "wer in Österreich leben will, nach unseren Werten leben (muss)", zu denen "die rechtsstaatliche, demokratische Kultur und die Gleichbehandlung von Frauen und Männern" gehöre. Das könnte zwar auch für Verfechter von Deportationsfantasien gelten, gemeint sind aber natürlich Muslime.

Unklar ist, was der Kanzler mit einer "österreichischen Leitkultur" meint, die "sich auch als nationales Kulturgut gesetzlich widerspiegeln soll". Lederhosengebot? Es solle damit sichergestellt werden, "dass Symbole und Verhaltensweisen, die unseren Grundwerten entgegenstehen, rechtlich differenziert behandelt werden können".

Ein auffälliger Punkt ist übrigens die massive Ablehnung einer Erleichterung der Erlangung der Staatsbürgerschaft. Damit bleiben hunderttausende junge Menschen mit Migrationshintergrund, die auch hier geboren sind, weiter vom Wahlrecht ausgeschlossen.

Nehammers "Österreich-Plan" kennt keine rechte Gefahr. Oder höchstens implizit, mit Maßnahmen gegen die Migration. In seiner Rede in Wels spielte Nehammer ein einziges Mal auf Kickl als "Spalter" an. Das ist Realitätsverweigerung. (Hans Rauscher, 26.1.2024)