Haben vor einem Jahr einen Pakt geschlossen: Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und Landeshauptfrau-Stellvertreter Udo Landbauer (FPÖ).
APA/HELMUT FOHRINGER

Ganz Österreich wird Niederösterreich, zumindest wenn es nach Kanzler Karl Nehammer geht. Für die programmatische Ausrichtung seiner ÖVP im Wahljahr nimmt sich der Parteichef ganz offensichtlich die neue Linie der niederösterreichischen Landespartei als Blaupause. "Mitte mit Kante" nennen das Niederösterreichs Schwarze. Wobei die Kante auf der rechten Seite geschliffen wird. Das schwarze Bemühen um blaue Stimmen wird wohl auf ähnliche Weise im Bund weitergeführt.

Ein Jahr ist es her, dass die Volkspartei bei der Landtagswahl in Österreichs größtem Bundesland die absolute Mehrheit verloren hat, während die FPÖ massiv zugelegt, die SPÖ leicht verloren, Grüne und Neos Achtungserfolge erzielt haben.

Die schwarz-blaue Koalition arbeitete in dieser Zeit bereits weite Teile ihres teils höchst umstrittenen Arbeitsprogramms ab: Mit dem Corona-Fonds und der Rückzahlung von Covid-Strafen wurde gleich zu Beginn der Legislaturperiode eine zentrale FPÖ-Forderung für eine Koalition realisiert. Auch die umstrittene Prämie für Wirtshäuser, die ein "traditionelles Speisenangebot" aufweisen, ist bereits umgesetzt. Und mit dem Verbot von Genderstern und anderen kompakten Formen geschlechtergerechter Sprache in der öffentlichen Verwaltung scheint die Volkspartei so zufrieden, dass Kanzler Nehammer die Idee in den Wahlkampfkatalog der Bundespartei übernommen hat.

Der nächste Wahlkampf wartet schon

Insgesamt ist das politische Klima in Niederösterreich rauer geworden. Während die Landeshauptfrau-Partei Kritik früher an ihrer Absoluten abperlen ließ, sucht sie nun öfter selbst den Konflikt. Und während die ÖVP beteuert, den Nationalratswahlkampf nicht nach Niederösterreich tragen zu wollen, werden die kommenden Monate mit Sicherheit eine Herausforderung für die Koalitionsparteien, die dann im Bund um Stimmen kämpfen.

Dazu kommt: Anfang 2025 steht schon die nächste Niederösterreich-Wahl an. Im Jänner werden die Gemeinderäte in den meisten der 573 Kommunen gewählt. Für die Parteien sind das entscheidende Wahlgänge, weil sie über die auch für die Landespolitik wichtige Stärke der Ortsparteien entscheiden. Die Ausgangslage der fünf Landtagsparteien ist ein Jahr nach der Wahl: durchwachsen. Ein Überblick.

ÖVP: Konsolidierung nach Mitte-rechts

Niemand freut sich über schlechte Wahlergebnisse, aber dieses Resultat war für die Volkspartei von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner besonders bitter. Schließlich hat sie nicht nur die absolute Mehrheit im Landtag, sondern auch die Mehrheit in der Konzentrationslandesregierung verloren.

Die Kompromisse im Arbeitsübereinkommen mit der FPÖ erschienen dann so stimmig, dass sich die Volkspartei gegen den Vorwurf wehren musste, die rechte Koalition sei von Anfang an paktiert gewesen. Das harmoniesüchtige "Miteinander" hat Mikl-Leitner begraben, das Parteimotto lautet nun "Mitte mit Kante". Nicht ohne Grund mischt sich die Landeshauptfrau jetzt auch immer öfter in die Bundespolitik ein: Es gilt, Profil zu gewinnen. Auf einer absoluten Mehrheit kann sich die Volkspartei eben nicht mehr ausruhen.

Unruhe herrscht auch in der Parteizentrale. Geschäftsführer, Kommunikationschef und andere Schlüsselfiguren im einst gut geölten schwarzen Apparat haben sich verabschiedet. Und weniger Geld aus der Parteienförderung gibt es außerdem.

FPÖ: Inhaltliche Erfolge im Polit-Establishment

Nach dem Scheitern der schwarz-roten Koalitionsverhandlungen waren die Freiheitlichen rasch und regierungswillig zur Stelle. Was die Einhaltung ihrer Wahlkampfversprechen betrifft, gaben sich die Blauen schmerzbefreit: Entgegen früherer Beteuerungen ermöglichte die Partei die zum absoluten Feindbild aufgebaute Johanna Mikl-Leitner als Landeshauptfrau.

Die freiheitliche Basis verzieh schnell – schließlich machte sich Landeshauptfrau-Stellvertreter Udo Landbauer rasch daran, die blaue Handschrift im Regierungsprogramm umzusetzen. Allen voran der Corona-Fonds sorgte für Begeisterung unter Landbauers pandemieskeptischen Fans, auch wenn nur ein kleiner Teil davon in die Rückzahlung von Strafen fließt. Den für die FPÖ schmerzhaften Kompromiss einer vollständigen Inflationsanpassung der niederösterreichischen Politikergehälter überstand Landbauer ebenso.

Nebenbei hat der Wahlerfolg auch Landbauers internen Führungsanspruch gefestigt. Widersacher Gottfried Waldhäusl wurde von der Landesregierung ins Landtagspräsidium verabschiedet.

SPÖ: Opposition auf der Regierungsbank

Für die SPÖ verliefen die Wochen nach der Landtagswahl alles andere als ideal. Nachdem die Partei ihr schlechtestes Ergebnis in Niederösterreich eingefahren hatte, trat wenig später der SPÖ-Landesvorsitzende Franz Schnabl zurück. Ein frischer Nachfolger wurde mit Sven Hergovich schnell gefunden, und es sah danach aus, als würden sich SPÖ und ÖVP auf ein Koalitionspapier einigen – doch die Gespräche scheiterten.

Die Sozialdemokraten sind wegen des Proporzes in der Landesregierung trotzdem vertreten, haben an den Entscheidungen von Schwarz-Blau innerhalb der Regierung bisher aber kaum einen Anteil. Hergovich will dennoch auf der politischen Bühne in Niederösterreich aktiv auftreten. Er gibt sich die Rolle des "Kontroll-Landesrates" und versucht damit kantige Oppositionspolitik. Inhaltlich springt für die SPÖ bislang wenig dabei heraus. Zudem hatte die Partei wegen des Wahlergebnisses weniger Anspruch auf Parteienförderung, daraus resultierten finanzielle Schwierigkeiten. Nur im Falle eines Zerbrechens des schwarz-blauen Koalitionspapiers könnte der SPÖ eine entscheidende Rolle zukommen.

Grüne: Mehr Optionen, wenig Durchsetzungskraft

Ein leichtes Plus bei der Landtagswahl brachte den Grünen nach fünf Jahren Pause wieder den Klubstatus zurück. Damit haben die Grünen mehr Ressourcen im Landtag und das Recht, eigene Anträge zu stellen. Von diesem Recht machte die Partei im ersten Jahr der Legislaturperiode auch genügend Gebrauch: Mehr als 30 Anträge haben die Grünen nach eigenen Angaben im Landtag eingebracht. Doch trotz einer Verbesserung der politischen Möglichkeiten im Landtag bleiben sie in der Oppositionsrolle gefangen – Schwarz-Blau lässt abseits ihres Regierungsprogramms wenig zu, die Koalition hat eine sichere Mehrheit und braucht die grünen Stimmen nicht.

Neben Sven Hergovich etablierte sich die grüne Klubobfrau Helga Krismer als eine der schärfsten Kritikerinnen von Schwarz-Blau. Mit Aussagen wie Mikl-Leitner würde sich "Hitlergrußzeiger" in die Regierung holen, um an der Macht zu bleiben, machte die Grünen-Politikerin auf sich aufmerksam. Für den großen Wurf im Klimaschutz, den die Grünen auch in Niederösterreich fordern, fehlt der Partei aber der politische Hebel.

Neos: Die schwierige Suche nach Verbündeten

Auch wenn die Neos neben FPÖ und Grünen zu den Wahlsiegern zählten und Stimmen dazugewinnen konnten, wurde ihr Ziel verfehlt: das Erreichen des Klubstatus im Landtag. Mit drei Abgeordneten können die Pinken auch in dieser Legislaturperiode keine eigenen Anträge im Landtag stellen und sind weiterhin auf einen Verbündeten angewiesen. Abseits der schwarz-blauen Landesregierung ist auch die Zusammenarbeit mit SPÖ und Grünen nicht immer einfach, es gab laut Landeschefin Indra Collini aber öfter gemeinsame Anträge. Mit der Abschaffung der ORF-Landesabgabe und der nichtamtlichen Stimmzettel sehen die Neos Teile ihres Programms umgesetzt.

Für die Neos wird es in Niederösterreich weiterhin darum gehen, für eigene Themen zu werben und sich einen "Partner" im Landesparlament zu suchen, um pinke Inhalte auf das politische Parkett zu bringen. Die Gemeinderatswahlen im Jänner 2025 werden für die Neos entscheidend, um auf kommunaler Ebene die noch dünne Parteistruktur auszubauen. Dann wären sie auch für die Landtagswahl 2028 besser aufgestellt. (Sebastian Fellner, Max Stepan, 29.1.2024)