In der nur langsam abklingenden Inflationswelle hat sich Österreich nicht mit Ruhm bekleckert. Mit 5,6 Prozent im Dezember lag die Teuerung im Vorjahr immer noch bei fast bei dem Dreifachen des Zielwerts der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent. Auch im Vergleich mit der Eurozone macht das Land damit keine gute Figur, dort lag die Teuerung bei 2,9 Prozent. Zur Begründung wird gerne auf die hierzulande höhere Gewichtung des Tourismussektors verwiesen. Das ist eine Tatsache, aber ist sie wirklich ausschlaggebend für die höhere Inflation?

Eine Familien sitzt in einem Gastgarten vor verschneiter Alpinkulisse.
Essen muss jeder, egal wo. Zuletzt war der Preisauftrieb bei Lebensmitteln ähnlich hoch wie in der Gastronomie.
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"Die von der Politik oft vorgebrachte Beschwichtigung, dass ein starkes Tourismusland wie Österreich quasi von Natur aus höhere Teuerungsraten habe, reicht nicht aus", schreibt die Agenda Austria in einer Studie. Dazu hat das arbeitgebernahe Institut die Gewichtung der Eurozone sowie anderer Länder der Währungsunion bei der Inflationsberechnung für Österreich herangezogen – allerdings hätte dies keine oder nur sehr geringe Auswirkungen auf die Teuerung hierzulande. Und wenn man die Inflation in anderen Staaten nach Österreichs Gewichtung mit hohem Tourismusanteil anwendet? "Dann ändert sich auch nicht sehr viel", sagt Agenda-Ökonomin Carmen Treml.

Weniger Lebensmittel

Zur Begründung verweist die Agenda Austria darauf, dass im Gegenzug zu dem größeren Einfluss von Gastronomie und Tourismus die Gewichtung bei Lebensmitteln aus dem Einzelhandel hier entsprechend geringer ausfällt. "Da beide Sektoren in ähnlichem Umfang teurer geworden sind, ergibt sich am Ende keine große Differenz", heißt es dazu. Derzeit zumindest. Denn auf lange Sicht hat der Tourismus sehr wohl dazu beigetragen, dass die Teuerung in Österreich schon vor der nunmehrigen Inflationswelle stets um gut einen Prozentpunkt über jener des Euroraums lag. Langfristig ist der Preisauftrieb in der Gastronomie nämlich überdurchschnittlich hoch, bei Nahrungsmitteln ist das Gegenteil der Fall.

Dazu kommt die Geldpolitik der EZB, die sich am gesamten Euroraum ausrichtet und nicht an den speziellen Gegebenheiten in Österreich. "Der EZB-Zinssatz war für Österreich immer schon zu tief", sagt Treml mit Blick auf die höhere Inflation. Stark zum Tragen kommt der Effekt aber derzeit bei der Bekämpfung des Preisauftriebs. Obwohl die Notenbank den Leitzins in Rekordzeit von null auf nunmehr 4,5 Prozent geschraubt hat, wirkt dieses Zinsniveau laut Agenda Austria nicht preisdämpfend, sondern noch immer expansiv.

Zu tiefe Zinsen

Denn die realen, also inflationsbereinigten Kreditzinsen sind dafür noch immer zu niedrig, ebenso die realen Sparzinsen. Die Folge: Es wird in Österreich weiterhin zu viel investiert und zu viel konsumiert. "Wenn die EZB die Zinsen im Sommer senken wird, würde sich das überproportional auf Österreich auswirken", gibt Ökonomin Treml zu bedenken.

Was sollte die Regierung tun, um den Preisauftrieb zu bremsen? "Bei Inflation ist es wichtig, dass man sich auf die lange Frist konzentriert", sagt Treml. Etwa überbürokratische Prozesse abbauen, indem man die Gewerbeordnung reformiert. Auch bei den hohen Lohnnebenkosten anzusetzen wäre ein "erster und wichtiger Schritt".

Unterlassen sollte die Regierung hingegen kurzfristige Maßnahmen wie Preisdeckel, wodurch der Inflationsdruck meist nur in die Zukunft verschoben werde. Zudem wäre es "wünschenswert", würden keine Wahlzuckerln in Form von Geldgeschenken an die Bevölkerung verteilt werden. Ein Blick in die Vergangenheit lehrt jedoch, dass solche Wünsche in Wahljahren wahrscheinlich unerfüllt bleiben. (Alexander Hahn, 31.1.2024)