Lasergerät
Ein Lasergerät wird im Labor für experimentelle Quantenphysik der Universität Amsterdam für ein Experiment vorbereitet.
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Angesichts ihrer bizarren Effekte ist es nicht weiter überraschend, wenn der Welt der Quanten allerlei Rätselhaftes bis Mystisches angedichtet wird. Teleportieren Fachleute Quantenzustände oder scheinen Teilchen durch mehrere Spalte gleichzeitig zu fliegen, wirkt das wie einem Märchenbuch entsprungen.

Freilich hat Quantenphysik dennoch nichts mit faulem Zauber zu tun und ist eine exakte Wissenschaft. Hinter vielen der spektakulären Experimente, die etwa Anton Zeilinger seinen Nobelpreis bescherten, verbergen sich jedoch gänzlich unspektakuläre Kristalle – die aber selbst beinahe magische Eigenschaften haben.

Bei magischen Kristallen denken viele wohl an Esoterik, den Stein der Weisen oder an Kyberkristalle, die in Lichtschwertern des Star-Wars-Universums stecken. Tatsächlich ist die Stoßrichtung Laser nicht falsch, denn es sind die optischen Eigenschaften, die den kleinen, farblos-transparenten Steinen ihre prominente Rolle in der Quantenphysik verleihen: Es handelt sich um nichtlineare Kristalle.

Phänomene der nicht-linearen Welt

Lineare Zusammenhänge sind in der Natur weit verbreitet. Das Schwingen eines Pendels, der Strom, der durch ein Kabel fließt, oder der zurückgelegte Weg bei fixer Geschwindigkeit folgen linearen Gesetzen. Andere Effekte sind dagegen nichtlinear, zum Beispiel hängt der Luftwiderstand eines Autos quadratisch von der Geschwindigkeit ab.

"Nichtlineare Physik ist im Alltag recht häufig", sagt Gregor Weihs, Professor für Photonik und Vizerektor für Forschung an der Universität Innsbruck. Das liegt daran, dass viele lineare Phänomene an ihren Grenzen nichtlinear werden, wie Weihs erklärt: "Wasserwellen beispielsweise wachsen linear, bis sie zu groß werden und brechen – eine nichtlineare Dynamik."

Brechende Welle
Wellen im Wasser wachsen und breiten sich linear aus. Ab einer gewissen Größe brechen sie, und es entsteht eine nichtlineare Dynamik.
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Ein besonderer nichtlinearer Effekt tritt auf, wenn sich starkes Licht durch spezielle Materialien bewegt. Die elektromagnetischen Wellen versetzen die Elektronen zunächst in saubere, lineare Schwingungen. Doch wenn die Auslenkung groß genug ist, pendeln die Partikel plötzlich zum Teil mit der doppelten Frequenz der einfallenden Strahlung.

Energieintensiver Farbwechsel

"So entsteht wieder Licht. Fällt etwa rotes Licht in das nichtlineare Material ein, kommt blaues heraus", erklärt Weihs. "Man bekommt Obertöne." Während herkömmliche Obertöne, etwa bei Gitarren, dadurch entstehen, dass verschiedene Wellenlängen auf der Saite Platz haben, beruht die Frequenzverdopplung auf einem nichtlinearen Effekt.

Damit das jedoch effektiv funktioniert, muss viel Energie in ein Material gepumpt werden, das einerseits den Elektronen klare Schwingungsachsen vorgeben muss und doppelbrechend sein sollte. Nichtlineare Kristalle, die mit intensiven Laserstrahlen beschossen werden, erfüllen diese Bedingungen. Daher findet man sie überall.

Von Industrieanwendungen bis zu grünen Laserpointern, deren grünes Licht häufig von verdoppelten Infrarotdioden stammt: Frequenzverdopplung ist eine unschätzbar wertvolle Technologie. Für Weihs ist aber eine andere Fähigkeit nichtlinearer Kristalle interessant – besonders als Leiter des neuen Exzellenzclusters Quantum Science Austria.

In der vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF und der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG geförderten Forschungskooperation bündeln Wissenschafterinnen und Wissenschafter der Unis Wien, Linz und Innsbruck sowie der Technischen Universität Wien, des Institute of Science and Technology Austria (Ista) und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ihr Know-how rund um Quantenphysik. Die Finanzierung zu diesem Ausbau der Quantenforschung kam vom Wissenschaftsministerium.

Photonen spalten

Die nichtlineare Physik schafft das Unmögliche, nämlich dass Photonen verschmelzen oder sogar zerfallen können. "Die Frequenzverdopplung kann als das Verschmelzen zweier niedrigenergetischer Photonen zu einem hochenergetischen interpretiert werden", sagt Weihs. "Doch auch die Umkehrung ist möglich, etwa dass ein blaues Photon in zwei rote Photonen zerfällt."

Der zweite Prozess wird als parametrische Fluoreszenz oder mit dem englischen Akronym SPDC bezeichnet. Der Grund für die Schlüsselrolle, die dieser Photonenzerfall in vielen quantenoptischen Experimenten einnimmt, ist vergleichsweise simpel: Wie Physikerinnen und Physiker wissen, entstehen die beiden Tochterphotonen genau zeitgleich.

Diese Gleichzeitigkeit wird unterschiedlich genutzt, etwa indem einer der Photonenzwillinge abgefangen und gemessen wird. Der Detektorklick zeigt dann, dass das zweite Photon erfolgreich erzeugt wurde und wann es sich auf den Weg durch den Versuchsaufbau macht. So kündigt ein Photon das andere an.

Verschränkung erzeugen

Die eigentliche Bedeutung von SPDC liegt aber woanders: Wie die Gesetze der Quantenphysik verlangen, sind die Tochterphotonen verschränkt. Unter Verschränkung versteht die Physik die Eigenschaft mancher Quantensysteme, selbst über beliebig große Distanzen hinweg streng korreliertes Verhalten zu zeigen.

Bei den SPDC-Photonen, deren Energien sich aufgrund der Energieerhaltung zu der Energie des Mutterphotons addieren müssen, liegt die Verschränkung im Zeit-Energie-Freiheitsgrad: Sobald Frequenz und Ankunftszeit eines Photons bestimmt sind, stehen auch die des Partners fest. Mithilfe geschickter Aufbauten kann die Verschränkung aber auf andere Freiheitsgrade der Lichtteilchen übertragen werden.

Oft wählten Fachleute die Polarisation, also die Schwingungsebene der elektromagnetischen Wellen. Es war die Entwicklung von Quellen polarisationsverschränkter Photonen, basierend auf nichtlinearen Kristallen, die unsere moderne Ära der Quantenphysik miteingeläutet hat – und eine neue Generation von Experimenten.

Zentrale Experimente

Der Rest ist Geschichte: präzise Tests der Bell-Ungleichungen, Quantenteleportation über riesige Distanzen und das abhörsichere Verteilen von Codes mithilfe verschränkter Photonen. Hinter all diesen eindrucksvollen Versuchen, ob in der Grundlagenforschung oder auf dem jungen Feld der Quantentechnologien, stecken bisher nichtlineare Kristalle. Allerdings gibt es ein Problem.

"Der Zerfallsprozess ist sehr ineffizient: Nur jedes Millionste blaue Photon wird in ein rotes Paar umgewandelt. Für Experimente ist das eigentlich unpraktisch", sagt Weihs. "Daher wird zurzeit intensiv an Quellen geforscht, die auf Knopfdruck einzelne Photonen, oder Photonenpaare, ausspucken."

Österreichs Quantencommunity ist stark an dieser Suche beteiligt. In Weihs' Gruppe etwa stehen Quantenpunkte im Mittelpunkt dieser Suche: Die künstlichen Atome aus verschiedenen Halbleitern senden, nachdem die mit Lasern angeregt wurden, genau ein oder zwei Lichtteilchen aus – nicht mehr.

Mit nichtlinearen Kristallen wäre das nicht möglich. Doch bis diese vielversprechende Technologie serienreif ist, wird es noch etwas dauern. Inzwischen werden nichtlineare Kristalle, verborgen im Dickicht optischer Aufbauten unzähliger Experimente, weiterhin die heimlichen Helden der Quantenphysik bleiben. (Dorian Schiffer, 2.2.2024)