Wie kamen drei Rechtsextremisten während der Demonstration für Demokratie und gegen Rechtsextremismus am 26. Jänner auf das Palais Epstein? Und wer waren sie? Der frühere Kopf der Identitären, der in Deutschland seit seinem Auftritt am Lehnitzsee verdeckt zur Fahndung ausgeschrieben wurde, brüstete sich selbst in einem Video, dass er einer der Männer gewesen sei. Im Video sieht man auch zwei andere Männer, allerdings vermummt, das Transparent anbringen. Und auch einige gut informierte "Spatzen" pfeifen es inzwischen von den Dächern des ersten Bezirks.

Demo gegen rechts, Demonstration 'Demokratie verteidigen!' vor dem Parlament in Wien.
Tausende demonstrierten am Ring gegen Faschismus, drei standen auf dem Dach des Palais Epstein.
© Christian Fischer

Sellner dementierte seine Anwesenheit auf dem Dach nach seinem Video mit Zwinker-Emoji, einem irreführenden zeitlichen Verweis und dem Hinweis, er dürfe das ja gar nicht.

Die Polizei will auf Anfrage des STANDARD weder beantworten, ob Sellner am Palais Epstein aufgegriffen wurde, noch ob die anderen beiden Personen ebenfalls amtsbekannt waren. Die Begründung der Landespolizeidirektion Wien hierfür: "Eine Prüfung, ob die drei Angezeigten in der Vergangenheit bereits polizeilich aufgefallen sind, also amtsbekannt sind, ist bei verwaltungsrechtlichen Übertretungen nicht vorgesehen."

Auf Nachfrage, ob sie denn gestattet wäre, heißt es: "Abfragen in den polizeilichen Plattformen dürfen nur gestellt werden, wenn dies zur Erfüllung der jeweiligen Aufgabe rechtlich erlaubt, sachlich erforderlich und vom Umfang her notwendig ist. Es gibt verschiedene Register, die in dieser Plattform abgefragt werden können, auch zum Beispiel das Strafregister, welches unter anderem Auskunft darüber geben kann, ob jemand amtsbekannt ist. Derartige Anfragen sind für verwaltungsstrafrechtliche Anzeigen nicht notwendig und somit nicht erlaubt."

Schwer zu entziffern

Die Demo, die laut den veranstaltenden Organisationen von 80.000 Menschen besucht wurde, laut der Polizei vor 35.000, sollte von den Aktivisten wohl gestört werden, als sie gegen 19 Uhr, die Kundgebung war schon eine volle Stunde im Gange, plötzlich auf der Seite des Palais, die dem Dr.-Karl-Renner-Ring zugewandt ist, ein Transparent entrollten, auf dem die von Sellner beim Geheimtreffen bei Potsdam propagierte Vertreibung von Menschen beworben wurde. Allerdings war die einschlägige Botschaft in luftigen Höhen an dem verregneten Abend schwer zu entziffern. Zusätzlich vernebelten die bengalischen Feuer der Männer auf dem Dach den Schriftzug.

Laut Polizei haben Beamte die drei Männer jedenfalls auf dem Dach angetroffen, aus dem Gebäude begleitet und wegen Ordnungsstörung angezeigt. Die Männer sagten der Polizei, sie seien über ein Nebenhaus auf das Dach des Epstein geklettert.

Da das Palais Epstein aber dem Parlament gehört, interessiert die Frage, wie sie auf das Dach kamen, an einem Abend mit großem Polizeiaufgebot vor Ort noch mehr.

Die SPÖ-Abgeordneten Mario Lindner und Sabine Schatz brachten am Mittwoch eine parlamentarische Anfrage an Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) ein, in der sie auch wissen wollen, ob ausgeschlossen werden könne, dass es sich bei den "Aktivist:innen um Mitarbeiter:innen, Angestellte oder Personen mit Zutrittsberechtigung für das österreichische Parlament" handle. Also etwa um Personen, die in den Klubs einer Parlamentsfraktion arbeiten. Für die Beantwortung von Anfragen haben Ministerinnen und Minister zwei Monate Zeit.

Doch Karl-Heinz Grundböck von der Parlamentsdirektion kann im Gespräch mit dem STANDARD am Mittwoch ausschließen, dass hier eine Zutrittsberechtigung des Hohen Hauses im Spiel war. Denn im Palais Epstein haben sich zwar früher auch Büros von Parlamentsklubs befunden, heute aber ausschließlich Büros der Parlamentsdirektion.

Eigener Sperrkreis

Vor allem aber habe "das Palais Epstein einen eigenen Sperrkreis, und der ist nicht identisch mit dem Sperrkreis des Parlamentsgebäudes". Warum Grundböck außerdem ausschließen kann, dass die Rechtsextremen über das Palais selbst gekommen sind: Es war an jenem Abend nicht leer. "Es war das Medienservice der Parlamentsdirektion gemeinsam mit ORF-Mitarbeitern im 2. Stock im Epstein, es wäre aufgefallen, wenn da jemand durchgelaufen wäre." Der ORF war vor Ort, um Bilder von der Demo für die "Zeit im Bild" zu machen.

Die Polizei sei dann in Begleitung des Sicherheitsdienstes des Palais Epstein auf dessen Dach gekommen.

Dass sich aber Hausfremde über das Nachbargebäude in der Bellariastraße 4 Zugang verschafften, passierte an diesem Abend nicht das erste Mal, weiß Grundböck: Schon 2015, als noch Büros der Klubs der ÖVP und der SPÖ im Epstein untergebracht waren, seien Eindringlinge über diesen Weg ins Haus gelangt. Damals soll es sich aber um einen Einbruch ohne politischen Hintergrund gehandelt haben.

"Wir erörtern gemeinsam mit der Polizei, wie man das für die Zukunft verhindern kann", so Grundböck. Womit auch ein Teil der Anfrage von Schatz und Lindner beantwortet wäre, nämlich jener, ob eine "Überarbeitung des Sicherheitskonzepts geplant sei".

Auch die Grünen haben noch Fragen zu der Aktion an den Innenminister. Eva Blimlinger, Sprecherin für Gedenkpolitik, Antisemitismus und Rechtsextremismus für ihre Partei, brachte am Mittwochnachmittag ebenfalls eine parlamentarische Anfrage an Karner ein. "Es kann nicht sein, dass Rechtsextreme sich auf Dächern von Parlamentsgebäuden tummeln und Demonstrant:innen und Passant:innen gefährden", kritisiert Blimlinger, "die Polizei und der parlamentarische Sicherheitsdienst müssen hier rascher und besser agieren. Das Innenministerium muss aus den Fehlern lernen, ich erwarte mir nun Aufklärung zu dem Vorfall am Dach des Palais Epstein." (Colette M. Schmidt, 31.1.2024)