In einem Gerichtsverfahren zu der Frage, ob ein amtierender Bundeskanzler im U-Ausschuss rund um die Besetzung der Staatsholding Öbag falsch ausgesagt hat, erwartet man so einiges – dass die Verhandlung mit den Zeugenaussagen zweier bislang unbekannter russischer Geschäftsmänner enden würde, hatte aber wohl niemand auf dem Zettel. Die beiden Manager sollten gewissermaßen das Ass im Ärmel sein, das die Verteidigung von Sebastian Kurz (ÖVP) zieht.

Bislang gestaltete sich der Prozess gegen den Ex-Kanzler und seinen Ex-Kabinettschef Bernhard Bonelli ja durchaus überraschungslos: Türkise Weggefährten wie die Ex-Finanzminister Hartwig Löger und Gernot Blümel (ÖVP) entlasteten Kurz tendenziell und stützen seine Erzählung, er habe sich eben nicht stark in Personalia bei der Öbag eingemischt.

"Keine Zurufe von außen"

Auch aktive und ehemalige Aufsichtsräte der Staatsholding betonten, keine "Zurufe von außen" gehabt zu haben, als sie Schmid 2019 zum Öbag-Chef machten. Das bestätigte am Mittwoch auch Günther Helm, der bis Ende 2022 im Öbag-Aufsichtsrat mitgewirkt hat.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) berief sich hingegen auf Chats, die Kurz der Falschaussage überführen sollten, und auf die Aussagen Thomas Schmids, der bekanntlich Kronzeuge werden will. Besonders seine Einvernahme im Dezember, die sich über gleich zwei Verhandlungstage hinzog, hat Kurz stark geschadet. Ruhig und durchaus glaubwürdig widersprach Schmid dem Ex-Kanzler in zentralen Punkten.

Und dann kamen die Russen: Schon bei Schmids Einvernahme legte Kurz-Verteidiger Otto Dietrich "eidesstättige Erklärungen" zweier Geschäftsleute vor, die von Schmid Skandalöses erfahren haben wollen. Bei einem Bewerbungsgespräch vergangenen Sommer habe er ihnen von "starkem Druck" durch die WKStA erzählt und angedeutet, nicht immer wahrheitsgemäß auszusagen. Für Richter Michael Radasztics reichten diese Schriftsätze nicht - wenn, dann sollten die Russen persönlich aussagen. Am Mittwoch war es dann so weit: Um Punkt 13 Uhr erschien der erste Zeuge, A., per Videolink aus der österreichischen Botschaft in Moskau.

Sebastian Kurz 
Für Sebastian Kurz war es wohl der vorerst vorletzte Tag im Straflandesgericht.
APA/EVA MANHART

Er habe damals, im Sommer 2022, nach einem geeigneten Manager für ein Ölprojekt in Georgien gesucht, erzählte er. Über seinen "alten Freund Alexander", einen Manager der Sberbank, sei er auf Thomas Schmid gestoßen. Der wollte nicht nach Georgien kommen, deshalb habe man sich in Amsterdam getroffen, wo Schmid mittlerweile wohnt.

Beim Googeln habe A. festgestellt, dass Schmid in Strafverfahren in Österreich verwickelt sei, deshalb habe man ihn dazu befragt – denn prinzipiell sei Schmids Lebenslauf "perfekt" gewesen, auch wenn er weder Georgisch noch Russisch spreche. Schmid habe A. und einem weiteren Manager dann erzählt, er verspüre "starken Druck" durch die Justiz.

Schön und gefährlich

Von seinen früheren Freunden sei Schmid enttäuscht, "Heute"-Herausgeberin Eva Dichand sei etwa sehr schön, sehr klug, gefährlich und keine gute Person. Schmid habe zwar nicht gesagt, dass er vor der Justiz lüge – dafür sei er laut A. ein zu "kluger Kerl" –, aber er traue ihm zu, sich selbst retten zu wollen. Er habe Schmid dann abgesagt, weil er kein Vertrauen mehr in ihn gehabt habe.

Im Lauf der Befragung wurde A. zusehends genervter. Er habe nicht gewusst, dass seine Aussage mehrere Stunden dauern würde, merkte er einmal an. Vor allem die Vertreter der WKStA hakten mehrfach nach – etwa zu der Frage, warum es in der eidesstättigen Erklärung hieß, Schmid habe gesagt, nicht immer ganz wahrheitsgemäß auszusagen, A. das nun aber vor Gericht nicht bestätigen wollte. "Aber das ist doch dasselbe. Wenn eine Person unter Druck steht, kann sie etwas sagen, was nicht ganz die Wahrheit ist", meinte der russische Geschäftsmann.

Telepathie nötig

Der zweite Zeuge konnte oder wollte sich dann nicht mehr erklären: Er sagte spontan krankheitsbedingt ab - was auch A. wunderte, da dieser in der Früh noch mit ihm gesprochen habe. Er soll nun am 23. Februar, dem wohl letzten Verhandlungstag, einvernommen werden, sofern er sich nicht da auch "unwohl" fühle. Kurz zeigt sich jedenfalls siegessicher: Alle relevanten Zeugen hätten bestätigt, dass er nicht mit ihnen über die Öbag gesprochen und sich somit nicht in Personalangelegenheiten eingemischt habe. Dazu wäre schon "Telepathie" nötig gewesen. (fsc, 31.1.2024)