Der seit Jahresbeginn eingehobene ORF-Beitrag unabhängig vom Empfang sorgt auch im Monat zwei seiner Existenz für Proteste und Diskussionen. Bisher als Streamer von der GIS unbehelligte Userinnen und User sehen den Beitrag als "neue Ungerechtigkeit", wie einer formuliert: Wesentliche Teile des ORF-Angebots seien nicht über Streaming zugänglich. Der ORF verspricht Abhilfe, das sei aber auch eine Frage der Rechte.

Illustration ORF-Finanzierung: ORF-Logo und Euro-Münzen.
Der neue ORF-Beitrag unabhängig vom Empfang wird von bisherigen Streamern als "neue Ungleichheit" empfunden.
STANDARD-Grafik

Höchstgericht hob "maßgeblich ungleiche" GIS auf

Der Verfassungsgerichtshof hat die GIS mit Ausnahmen für Streaming-Empfang als unzulässige Ausnahme für eine wesentliche Nutzungsmöglichkeit als verfassungswidrig aufgehoben. Wörtlich stellte das Höchstgericht 2022 fest: "Geht der Gesetzgeber in Wahrnehmung seiner Finanzierungsverantwortung für den ORF von einer Finanzierung über ein Programmentgelt aus, dann darf er im Hinblick auf die Vorgaben des BVG Rundfunk nicht ein für die Rundfunkordnung insgesamt wesentliches Nutzungsverhalten von dieser Finanzierungsverpflichtung ausnehmen, weil er damit die Finanzierungslast bei grundsätzlich vergleichbarer Teilhabemöglichkeit im Lichte der Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wie sie das BVG Rundfunk vor Augen hat, maßgeblich ungleich verteilt."

Haushaltsabgabe statt GIS

Die Regierungsmehrheit von ÖVP und Grünen hat die Verfassungswidrigkeit mit der neuen Haushaltsabgabe für den ORF gelöst, die unabhängig vom Empfang für Hauptwohnsitze und von Firmen eingehoben wird. Der ORF-Beitrag wurde gegenüber der GIS in einzelnen Bundesländern durch Kürzung des ORF-Anteils, Streichung von Bundesabgaben und von einzelnen Landesabgaben regional um bis zu 46 Prozent reduziert. Dafür müssen gut 700.000 mehr Haushalte und Unternehmen mehr als bisher Beitrag zahlen.

"Neue Ungleichheit"

"Jetzt bezahlen Streamer die volle Haushaltsabgabe und können über die vom ORF angebotenen Streamingdienste aber nur einen Bruchteil des gesamten ORF-Programms empfangen", moniert etwa ein User gegenüber dem STANDARD. Der ORF habe "mehr als genug Zeit gehabt", sein Angebot mit 1. Jänner 2024 vollständig zu streamen, argumentiert er auch in einer Beschwerde an den ORF-Kundendienst. Das führe "zur selben Ungleichheit wie zuvor, nur umgekehrt". Wenn der ORF den Streamern nicht die gleiche Leistung biete, sollten sie nicht die gleich hohe Haushaltsabgabe zahlen müssen.

"Generell ist der Beitrag gesetzlich einheitlich festgelegt", erklärt ein ORF-Sprecher auf STANDARD-Anfrage zu den Beschwerden über gleiches Geld für weniger Streaming-Angebot: "Eine Differenzierung entspräche daher nicht dem ORF-Gesetz. Eine Vereinfachung des Finanzierungssystems war der Hintergrund der Novellierung."

"Praktisch vollständiges Livestreaming"

Der Sprecher verspricht aber Abhilfe mit dem Umstieg auf das mit Jahresbeginn gestartete neue Streaming-Portal ORF On, der für April 2024 angekündigt ist: "Es wird mit der vollständigen Umstellung von der TVthek zu ORF On ein praktisch vollständiges Livestreaming-Angebot geben. Die Lücken, die es dort geben könnte, liegen dann in der Sphäre der jeweiligen Lizenzgeber beziehungsweise der Rechteklärung, deren Umsetzung teilweise ausgesprochen langwierig ist."

Login für Auslandsnutzung

Eingeschränkten Zugriff auf ORF-Inhalte im Stream moniert auch ein User im Ausland gegenüber dem STANDARD. Obwohl er schon bisher GIS und nun ORF-Beitrag zahle, könne er Sendungen in der TVthek nicht nutzen. "Mitten in Deutschland" könne er etwa nicht auf den "Kulturmontag" des ORF zugreifen. Das empfinde er als "unfair und empörend".

Die Daten von Beitragszahlern seien dem ORF beziehungsweise seiner Beitragstochter OBS ja bekannt. Mit einem "sonst im Internet völlig selbstverständlichen" Login könnte man diesen Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern "den Zugang zu allen ORF-Programme in der ganzen Welt ermöglichen".

Der ORF erklärt dazu, nur ein "sehr geringer Teil des ORF-Fernsehangebots" sei derzeit noch nicht frei streambar, und das aus lizenzrechtlichen Gründen. Radio und Online seien davon gar nicht betroffen. Und er widerspricht dem Beispiel: "Der 'Kulturmontag' ist grundsätzlich auch im Ausland via Stream empfangbar." (fid, 3.2.204)