Gerhard Karner neben Karl Nehammer der gerade vor einem Mikrophon spricht.
Der türkise Vorschlag stößt auf wenig Gegenliebe.
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Frage: Was ist die von der ÖVP geplante Refugee-Card?

Antwort: Eine Bezahlkarte für Asylwerberinnen und Asylwerber, die sie künftig statt Bargeld erhalten sollen. Mit einem monatlich darauf gebuchten Guthaben sollen sie Verpflegung wie Lebensmittel erhalten. Vorbild ist Deutschland, wo ein ähnliches Modell gerade eingeführt wird. 14 von 16 Bundesländern nehmen daran teil. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) will auch in Österreich den Ländern eine gemeinsame Vorgangsweise vorschlagen.

Frage: Warum will die ÖVP die Refugee-Card einführen?

Antwort: Einerseits argumentiert sie, dass viele Asylwerbende Teile des Geldes, das sie monatlich zur Verpflegung bekommen, in ihre Herkunftsländer überweisen würden – etwa an Familienangehörige oder Freunde. Mit dem Umstieg auf Sach- statt Geldleistungen und über die Guthabenkarte für das Verpflegungs- und Taschengeld will sie das unterbinden. Andererseits glaubt die Volkspartei, dass das Vorenthalten von Bargeld einen Anreiz nehmen würde, überhaupt nach Österreich zu kommen, und dass damit die Zahl der Asylanträge sinken könnte.

Frage: Ist es so einfach möglich, Asylwerbenden Bargeld vorzuenthalten?

Antwort: Technisch ist es bei den ersten deutschen Lösungen nicht nur möglich, Bargeldbehebungen zu unterbinden, sondern etwa auch, den Zugriff auf die Karte auf bestimmte Gemeinden zu beschränken. Auch wäre es denkbar, bestimmte Händler auszuschließen – nicht aber bestimmte Produkte wie etwa Zigaretten oder Alkohol. Alle Beschränkungen würden jedenfalls enge Absprachen mit dem Finanzdienstleister bedeuten. Und selbst bei umfassenden Einschränkungen ließen sich Wege finden, diese zu umgehen – etwa, indem Betroffene Lebensmittel gegen Bargeld tauschen.

Frage: Und wie steht es um den Datenschutz?

Antwort: "Jedenfalls muss ausgeschlossen werden, dass es durch Bezahl- oder auch normale Bankomatkarten nicht möglich wird, Asylwerber*innen zu überwachen", sagt die Überwachungsforscherin Angelika Adensamer vom Forschungsinstitut Vicesse. Auch im Asylverfahren hätten alle Menschen ein Recht auf Achtung ihrer Privatsphäre und Datenschutz. Zudem werde in der öffentlichen Debatte immer wieder betont, dass Österreich eine starke Bargeldkultur habe – und tatsächlich kann man an vielen Orten nur mit Bargeld zahlen. "Dies nun gerade für Schutzsuchende unmöglich zu machen grenzt an Schikane", sagt Adensamer.

Frage: Wie viel Geld bekommen Asylwerberinnen und Asylwerber überhaupt?

Antwort: Das variiert leicht von Bundesland zu Bundesland. Denn die Asylwerber-Grundversorgung ist Sache der Länder, die jeweils eigene Regelungen haben. Grundsätzlich fällt aber auch derzeit ein großer Teil der Versorgung auf Sachleistungen wie die Unterkunft. Gibt es dort kein Essen – was meistens der Fall ist –, erhalten die Personen zwischen 195 und 210 Euro monatlich an Verpflegungsgeld plus 40 Euro Taschengeld. Wer in einer Privatunterkunft lebt statt in einem organisierten Asylheim, bekommt 160 Euro für die Miete und 260 Euro zur Verpflegung.

Frage: Stimmt es eigentlich, dass Asylwerbende so viel Geld ins Ausland schicken?

Antwort: Dazu gibt es Mutmaßungen, aber keine Belege. Grundsätzlich ist festzuhalten: Die rund 200 Euro Verpflegungsgeld pro Monat (6,50 bis sieben Euro pro Tag) liegen weit unter dem Existenzminimum in Österreich. "Es gibt keine mir bekannte Evidenz, dass in dieser Phase des Verfahrens große Mengen an Geld abgespart werden können, um sie irgendwohin zu überweisen", sagte Lukas Gahleitner-Gertz vom Verein Asylkoordination, der Freiwillige und Vereine in der Flüchtlingsbetreuung unterstützt, am Freitag im Ö1-"Morgenjournal". Im Gespräch mit dem NDR argumentieren auch etwa der Migrationsforscher Herbert Brücker und Integrationswissenschafter Niklas Harder, dass es keine Beweise dafür gebe, dass Gelder aus Sozialleistungen ins Ausland überwiesen würden. Eher würden Geflüchtete erst Geld zahlen, wenn sie selbst berufstätig werden.

Frage: Wie steht der grüne Koalitionspartner zur Idee der ÖVP?

Antwort: Der türkise Vorschlag stößt dort auf wenig Gegenliebe. Sachleistungen würden nicht nur keine Ersparnis bieten, sondern kämen sogar deutlich teurer als Geldleistungen, sagt der grüne Sprecher für Asylpolitik, Georg Bürstmayr, auf STANDARD-Nachfrage. Denn Sachleistungen seien mit höherem Verwaltungsaufwand und zusätzlichen Personal- und Investitionskosten verbunden. Eine "Geldkarte" könnte sich Bürstmayr nur vorstellen, wenn damit auch Bargeld behoben werden kann. Genau das will die ÖVP mit ihrem Konzept aber verhindern.

Frage: Machen Sachleistungen statt Bargeld das Asylsystem billiger?

Antwort: Zumindest nach bisheriger Erfahrung laut Gahleitner-Gertz nicht – im Gegenteil. Ein Bezahlsystem, das keine Überweisungen und Bargeldbehebungen vorsieht, würde in jedem Fall Mehrkosten bedeuten. Auch der Menschenrechtsverein Pro Asyl argumentiert, dass Sachleistungen in Kommunen in den 1990ern und 2000ern aus Kostengründen eingestellt worden seien, weil sie sie zu teuer gewesen seien. Für diese brauche es etwa Personal, das teurer ist als Geldleistungen.

Frage: Was hat das Zentrum für die Entwicklung von Migrationspolitik (ICMPD) mit alledem zu tun?

Antwort: Die Organisation, deren Generaldirektor der einstige Vizekanzler Michael Spindelegger ist, sei laut Innenminister Gerhard Karner (beide ÖVP) Ansprechpartner. Die Umsetzung des Projekts müsste aber jedenfalls ausgeschrieben werden. Das ICMPD arbeitet auch aktuell mit dem Innenressort zusammen, vor einigen Jahren startete es ein Pilotprojekt für eine Bezahlkarte für Geflüchtete in Bayern. Der damals geplante Partner: Wirecard, deren Ex-Manager Jan Marsalek immer noch flüchtig ist. Auf Anfrage erklärt ein Sprecher der Organisation, dass das Projekt nie zustande kam. (Muzayen Al-Youssef, Martin Tschiderer, 2.2.2024)