Zehntausend Teile braucht es, um ein einziges Auto zu bauen. Über 50.000 Zulieferer beliefern einen weltumspannenden Konzern wie die deutsche Volkswagen-Gruppe. Als Berichte über den Einsatz von Zwangsarbeitern in einem chinesischen VW-Werk auftauchten, ließ der Konzern die Umstände prüfen. Ende des Vorjahres wurde das Ergebnis präsentiert: Die Vorwürfe hätten sich nicht erhärtet.

Geht es nach dem geplanten EU-Lieferkettengesetz (Corporate Sustainability Due Diligence Directive CS3D), sollen solche Prüfungen zum Standard für viele Unternehmen werden. Im Grundsatz haben sich Rat, Kommission und Parlament auf den Entwurf der Richtlinie geeinigt. Nun wird am finalen Gesetzestext gefeilt. Die Abstimmung im Rat ist für 9. Februar anberaumt. Doch aus Deutschland kommt Widerstand. Man werde nicht zustimmen, so Finanzminister Christian Lindner und Justizminister Marco Buschmann (beide FDP). Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gibt noch nicht auf.

In einer Textilfabrik in Bangladesch wird genäht.
Nähen für den globalen Markt - werden Mindeststandards eingehalten? Was, wenn nicht? Wer wird in die Pflicht genommen? Das soll unter dem neuen Lieferkettenregime streng geregelt sein.
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Umstritten ist das Vorhaben auch in Österreich. Nicht, was das Ziel betrifft, wonach Menschenrechte und UmweltStandards stärker als bisher eingehalten werden sollen. Die IV und die WKÖ haben ihre Kritik dieser Tage wegen "drohender Überregulierung" erneuert. In einer emotionalen Debatte im Nationalrat vergangene Woche wurden Für und Wider ausgetauscht. FPÖ-Mann Axel Kassegger warnte vor einem "weiteren Bürokratiemonster für Unternehmen". Leidtragende würden Konsumenten durch steigende Preise sein. ÖVP-Abgeordnete Maria Theresia Niss fürchtete um die Wettbewerbschancen europäischer Unternehmen. Neos-Mann Gerald Loacker sah es nicht als ureigenste Aufgabe von Unternehmen, sich um die Einhaltung von Menschenrechten zu kümmern. Da sei die Politik mit zwischenstaatlichen Abkommen gefordert. Der Sozialdemokrat Alois Schroll argumentierte für ein strenges Lieferkettengesetz und verwies auf unwürdige Produktionsbedingungen, die Abholzung der Regenwälder und die Überfischung der Meere. Auch die Grünen stehen aufseiten der Befürworter.

Kein Einwand gegen ein Gesetz

Grundsätzlich gegen ein solches Gesetz spricht sich kaum jemand aus. Viele große Unternehmen haben bereits Verhaltenskodizes für ihre Lieferanten. Länder wie Frankreich, die Niederlande oder Deutschland haben auch bereits einschlägige Gesetze. In Deutschland müssen seit 2023 Unternehmen ab 3000 Arbeitnehmern im Inland hinsichtlich Wahrung der Menschenrechte und Vermeidung umweltschädlichen Verhaltens jährlich einen Bericht an die Behörden übermitteln. Der EU-Vorschlag geht weiter.

Eine Frau steht im Supermarkt vor dem Obstregal. 
Auch was wir essen, kommt oft aus fernen Ländern. Die Lebensmittelindustrie zählt zu den Risikofaktoren. Nicht nur die ganz großen Konzerne sollen in die Pflicht genommen werden.
IMAGO/Martin Wagner

Unternehmen sollen zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie der Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU überführt werden. Sie müssen zudem sicherstellen, dass ihr Geschäftsmodell mit den Pariser Klimazielen vereinbar ist. In die Pflicht genommen werden sollen Betriebe ab 500 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 150 Millionen Euro. In Risikosektoren wie Textilbranche, Agrarwirtschaft, Lebensmittelindustrie und Bauwirtschaft gilt die Schwelle ab 250 Beschäftigten mit 40 Millionen Umsatz. Erfasst sind direkte wie indirekte Lieferanten, von denen Unternehmen Produkte oder Dienstleistungen beziehen – Vertrieb, Transport, Lagerung inklusive. Bei Verstößen drohen Verwaltungsstrafen von bis zu fünf Prozent des Umsatzes.

Der Ökonom Harald Oberhofer von der WU Wien hält das Lieferkettengesetz für das falsche Instrument, um die hehren Ziele zu adressieren. Um europäische Werte und Standards durchzusetzen, sei die Entwicklungspolitik das richtige Werkzeug. Er ortet auch die Gefahr, dass Unternehmen Anreize hätten, ihre Unternehmensstruktur zu ändern, um unter die Meldeschwellen zu fallen. Nicht auszuschließen sei außerdem, dass sich Konzerne aus den ärmsten Regionen mit laxen Standards zurückziehen. Gedient wäre damit niemandem. Sein Resümee: "Man darf nicht erwarten, dass die Welt eine bessere wird." (Regina Bruckner, 4.2.2024)