Für die steirischen Blauen war es die größte Schlappe ihrer Parteigeschichte: ein Minus von knapp zehn Prozent, das Wahlziel vom zweiten Platz verfehlt, der Landeshauptmannsessel in weite Ferne gerückt. Diese in mehrfacher Hinsicht herbe Niederlage musste FPÖ-Spitzenkandidat Mario Kunasek bei der steirischen Landtagswahl 2019 einstecken. Die Freiheitlichen mussten damals die Rechnung für das Ibiza-Video, den Spesenskandal sowie die wenige Wochen vor dem Urnengang bekanntgewordene Liederbuchaffäre bezahlen.

Landtagssitzung in der Steiermark.
Voraussichtlich im Herbst wird der Landtag der Steiermark neu gewählt.
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Vier Jahre und wenige Monate später hat sich der politische Wind in der Steiermark gedreht – nicht nur für die FPÖ. Voraussichtlich im Herbst wird der Landtag neu gewählt. Würde der Urnengang schon jetzt stattfinden, würde die FPÖ mit 26 Prozent auf den ersten Platz katapultiert, vor der SPÖ mit 24 und der Landeshauptmannpartei ÖVP mit nur noch 20 Prozent. Die KPÖ wäre mit 14 Prozent die Nummer vier – vor den Grünen mit acht und Neos mit sieben Prozent. Das geht aus einer Market-Umfrage im Auftrag des STANDARD hervor, für die Mitte Jänner 781 in der Steiermark Wahlberechtigte befragt wurden.

Stand jetzt sieht es also danach aus, als würde in der Steiermark einiges ins Rutschen geraten. Allerdings: Bis zur Wahl ist noch Zeit, erinnert der Grazer Wahlforscher und Politikexperte Heinz Wassermann von der Fachhochschule Joanneum. Und: Beachtet man die Schwankungsbreiten, ist fast alles offen. Das Rennen um Platz eins zwischen FPÖ und SPÖ ist genauso wenig entschieden wie jenes zwischen SPÖ und ÖVP um Platz zwei oder das zwischen Grünen und Neos um Platz fünf.

Doch die Großwetterlage für die FPÖ könnte auch in der Steiermark günstiger nicht sein. Im Gegensatz zu 2019 gibt es mittlerweile wieder kräftigen bundespolitischen Rückenwind – seit mehr als einem Jahr führt die FPÖ sämtliche Umfragen zur Nationalratswahl an. Die Unzufriedenheit mit den Regierungsparteien ÖVP und Grüne auf Bundesebene ist auch in der Steiermark groß, die Wunden, die Corona aufgerissen hat, und die Sorgen, die die immense Teuerung den Menschen bereitet, tun ihr Übriges.

Blauer Rückenwind

Der ehemalige Verteidigungsminister und Landesparteichef Kunasek ist zudem ein erprobter Wahlkämpfer, der die Freiheitlichen zum mittlerweile dritten Mal in eine Landtagswahl führt. Diesmal peilt er Platz eins und den Landeshauptmannsessel an. "Die steirische FPÖ ist wie die Bundes-FPÖ eine Jo-Jo-Partei, die bei der einen Wahl in lichte Höhen schnellt und dann wieder eine krachende Niederlage einfährt. In der Steiermark lässt sich das seit der Landtagswahl 2000 beobachten", sagt Wassermann. Verstärkung bekommt Kunasek von der Bundes-FPÖ. Herbert Kickl reiste mehrfach in die Obersteiermark, um gemeinsam mit Landes- und Lokal-FPÖ gegen die dortigen Asylquartiere zu wettern.

Mario Kunasek bei einer Landtagssitzung.
Mario Kunasek profitiert auch von den guten Werten der Bundes-FPÖ.
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Die Chancen stehen jedenfalls gut für die steirischen Blauen, obwohl sie seit mittlerweile zwei Jahren von einem Finanzskandal erschüttert werden. Es geht um Klubgelder der Grazer FPÖ in Höhe von fast zwei Millionen Euro, die in die Taschen blauer Politiker geflossen sein sollen. Im Zuge der Ermittlungen wurde im Vorjahr auch Kunasek in die Liste der Beschuldigten aufgenommen. Er bestreitet die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung. Offen ist aber in diesem Zusammenhang nicht nur, wie sich die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft auf den Wahlausgang noch auswirken, sondern auch, ob noch die Abspaltung der Grazer Stadt-FPÖ, jener Teil, der mit den Korruptionsvorwürfen nichts zu tun hat, bei den Landtagswahlen kandidiert, betont Wassermann.

Christopher Drexler bei einer Landtagssitzung.
Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) kam als Nachfolger von Hermann Schützenhöfer.
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Eine äußerst schwierige Ausgangslage hat Landeshauptmann Christopher Drexler. Dieser hatte das Amt zur Mitte der Legislaturperiode von Hermann Schützenhöfer übernommen, der sich 2022 in die Pension verabschiedet hatte. Zum Abschied räumte Schützenhöfer ein, dass die Bekannt- und Beliebtheitswerte seines Wunschnachfolgers ausbaufähig seien und dieser Zeit brauchen werde, um ein Profil aufzubauen.

Abgesehen davon kann der steirische ÖVP-Chef auch nicht auf bundespolitischen Rückenwind zählen. Ganz im Gegenteil: Nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz als Kanzler und Parteichef und den zahlreichen noch anhängigen Ermittlungen gegen aktive oder ehemalige ÖVP-Politiker, die publik gewordene Korruptionsskandale ausgelöst hatten, bescheinigen Umfragen der ÖVP auf allen Ebenen herbe Verluste. So auch in der Steiermark.

Kein Plan B für Drexler

Drexler, der sein Regierungsteam runderneuert hat, muss sich zum ersten Mal als Spitzenkandidat einem Landtagswahlkampf stellen. Er deutete auch an, nur als Erster in einer Regierung bleiben zu wollen, sein Wunschpartner wäre weiterhin die SPÖ. Plan B habe er im Falle einer Niederlage keinen.

Anton Lang von der SPÖ.
Der rote Anton Lang ist Vizelandeshauptmann der Steiermark.
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Aber auch für die Roten läuft es in der Steiermark nicht ganz rund. Dabei ist Landeshauptmannstellvertreter Anton Lang genügsamer Zweiter, die Koalition läuft ohne größere Friktionen. Trotzdem: In Umfragen kommt die Partei kaum vom Fleck. Noch schlimmer wäre aus Sicht der Roten nur noch jenes Szenario, dass in Krisenzeiten Parteien in Regierungsverantwortung abgestraft werden – das würde in der Steiermark auch die Roten als Juniorpartner in der Landesregierung treffen. Das Problem der SPÖ ortet Wassermann aber nicht in der Bewertung der Koalitionsarbeit, sondern in den noch nicht zu erkennenden inhaltlichen Zukunftsabsichten der Koalitionspartner.

KPÖ Spitzenkandidatin Claudia Klimt-Weithaler.
Spitzenkandidatin Claudia Klimt-Weithaler macht Pluspunkte mit der KPÖ.
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Regelrecht im Aufwind befindet sich hingegen die KPÖ – das zeigte sich bereits bei den Gemeinderatswahlen in Graz und den Landtagswahlen in Salzburg. Auch in der steirischen Landespolitik konnte sich die KPÖ etablieren – inzwischen sogar deutlich stärker als die Grünen und die Neos. Die Kommunisten rund um Spitzenkandidatin Claudia Klimt-Weithaler könnten auf Landesebene also für die nächste Überraschung sorgen.

Die grüne Sandra Krautwaschl im Landtag.
Sandra Krautwaschl war schon 2019 Spitzenkandidatin der Grünen.
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Für die Grünen werden die Bäume diesmal nicht in den Himmel wachsen – vielmehr wird die Spitzenkandidatin Sandra Krautwaschl auf Landesebene die Zeche für die Regierungsbeteiligung auf Bundesebene zu zahlen haben. Die Landtagsabgeordnete führte die Grünen schon 2019 in die Wahl. Damals konnte sie ein sattes Plus einfahren. Momentan bewegen sie sich aber wieder in die Gegenrichtung.

Der pinke Niko Swatek im Landtag.
Niko Swatek führt heuer die Pinken in die Landtagswahl.
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Ein Plus wird hingegen den Neos prognostiziert – wenn auch kein großes. Derzeit müssen sie sich mit dem sechsten Platz hinter den Grünen zufriedengeben. Wobei auch dieses Match noch nicht ausgetragen ist. (Sandra Schieder, Oona Kroisleitner, 6.2.2024)