Weiblich gelesene Person trägt eine Pflanze aus der Wohnung, im Hintergrund sind Umzugskisten aufgestapelt.
Die Eigentumsquote ist seit mehr als einem Jahrzehnt rückläufig.
Getty Images/miniseries

Der vielzitierte "Traum vom Eigenheim" ist zuletzt für viele geplatzt, noch ehe er richtig begonnen hat. Nicht nur, dass die Kreditzinsen für Wohnbau innerhalb eines Jahres von 1,87 Prozent 2022 auf über vier Prozent im letzten Quartal 2023 gestiegen sind, auch die Vergaberichtlinien durch die verschärfte KIM-Verordnung (Kreditimmobilienmaßnahmen) und seit Jahren steigende Immobilienpreise machen sich bemerkbar. Es ist ein Thema, das die Bevölkerung ebenso beschäftigt wie gut vernetzte Branchenvertreter aus Bau- und Finanzwirtschaft und hochrangige Politikerinnen. Auch die ÖVP hat sich des Themas angenommen, versteht sich als Vertreter der Häuslbauer – auch wenn dies die Opposition anders sieht.

Nach der gescheiterten Idee der Streichung der Grunderwerbssteuer hat Finanzminister Magnus Brunner nun eine weitere Maßnahme aus der Schublade gekramt: eine steuerliche Erleichterung bei Wohnbaukrediten. Die allerdings stößt auf gemischte Reaktionen – insbesondere in Anbetracht der ambitionierten Ziele der Volkspartei.

Klares Ziel, undurchsichtiger Weg

Denn die Vision bis 2030 wurde unmissverständlich kommuniziert: Die Eigentumsquote soll von derzeit 48 auf 60 Prozent steigen. Weit weniger nachvollziehbar ist der Weg dorthin. Über zumeist unkonkrete Vorschläge mit reichlich Kritik schaute bislang wenig Zählbares heraus, die Opposition sitzt der Regierung im Nacken.

Erst im Dezember vergangenen Jahres hatte die SPÖ die Bundesregierung im Zuge einer dringlichen Anfrage mit unerledigten wohnpolitischen Vorhaben aus dem Regierungsprogramm konfrontiert. So vermisse man praktisch alle angekündigten Maßnahmen des Kapitels "Schaffung von leistbarem Wohnraum". Ein solches Vorhaben ist nicht nur im aktuellen schwarz-grünen Regierungsprogramm verankert, auch im groß angekündigten "Österreichplan" Karl Nehammers (ÖVP) findet sich eine "Offensive für Wohnungseigentum" prominent wieder.

Wie diese Pläne verwirklicht werden sollen? Neben staatlich besicherten Wohnbaukrediten, dem Ausbau von Förderungen und der Möglichkeit, Genossenschaftswohnungen zu geringeren Kosten zu erwerben, steht vor allem eines im Fokus: die steuerliche Belastung beim Erwerb des ersten Eigenheims zu senken.

Bislang nur für Vermieter möglich

Für eine solche steuerliche Entlastung reicht ein Blick in die jüngere Vergangenheit. Bis ins Jahr 2016 gab es eine 25-prozentige Absetzbarkeit der Zinsen, die Mittel dafür wurden aus einem Topf für Sonderausgaben geschöpft. Unter ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling wurde die staatliche Unterstützung jedoch zugedreht. Die Antragstellung wäre zu bürokratisch gewesen, die Inanspruchnahme entsprechend gering, so die Bilanz. Zudem habe es steuersystematische Bedenken gegeben, erinnert sich Grünen-Abgeordneter Jakob Schwarz im STANDARD-Gespräch.

Möglich ist die steuerliche Absetzung von Kreditzinsen seitdem ausschließlich für Wohnungen, die vermietet werden. Sie können – neben einer Reihe anderer Kostenfaktoren – als sogenannte Werbungskosten geltend gemacht werden, wodurch der maßgebliche Betrag für die Versteuerung verringert wird.

Die Grundidee erneut auf Wohnungen und Häuser auszuweiten, die selbst bezogen werden, klingt erstmal fair. Doch wie sieht es wirklich aus? Blickt man auf vergangene ÖVP-Vorschläge für leistbares Wohnen zurück, sieht man reichlich Kritik. Maßnahmen wie die Streichung der Grunderwerbssteuer würden kaum finanzielle Entlastung bringen – schon gar nicht für jene, die nicht wohlhabenderen Bevölkerungsschichten angehören. Ist der neue Vorschlag diesbezüglich besser?

Auf X (vormals Twitter) haben sich gleich zwei namhafte Ökonomen zu Wort gemeldet. Wifo-Chef Gabriel Felbermayr hält den Vorschlag für eine "sinnvolle Idee", fordert aber eine Deckelung und überlegte Steuergestaltung. Arbeiterkammer-Ökonom Markus Marterbauer hingegen zeigte sich in einer ersten Reaktion skeptisch, schließlich habe es mit derartigen Modellen international schlechte Erfahrungen gegeben, Stichwort Immobilienblasen. Überhaupt gebe es effizientere Ansätze für leistbares Wohnen und eine bessere Verteilungswirkung.

Verteilungsexperte: "Instrument, das jenen hilft, die ohnehin viel haben"

In dieselbe Kerbe schlägt auch Leonard Jüngling. "Es ist ein Instrument, das jenen hilft, die ohnehin viel Einkommen haben", bemängelt der Ökonom des arbeitnehmernahen Momentum-Instituts. "Der Staat sollte das Geld lieber nutzen, um leistbaren Mietwohnraum zu schaffen. Davon profitieren tatsächlich jene, die weniger Einkommen zur Verfügung haben." Schließlich gehe es angesichts der hohen Zinsen – eine Senkung des maßgeblichen Leitzinses durch die Europäische Zentralbank (EZB) ist bislang noch nicht in Sicht – um "mehrere Hundert Millionen Euro", schätzt Jüngling. Die Wirkung dürfte dennoch gering sein, eine erhöhte Eigentumsquote erwartet der Verteilungsexperte nicht.

Zu einem ähnlichen Resümee kommen Ökonomen der US-Denkfabrik Tax Foundation. Demnach werde das Ziel, Wohneigentum durch Zinsabsetzbarkeit zu fördern, nur selten erreicht. Ganz im Gegenteil drohten gar höhere Kosten aufgrund steigender Nachfrage und damit anziehender Immobilienpreise.

Wie effektiv das Modell ist, hängt letztlich aber von der Ausgestaltung ab. Und von einer solchen ist man noch ein Stück weit entfernt. Aus dem Finanzministerium heißt es lediglich, das Modell werde derzeit "ÖVP-intern" erarbeitet. Es müsse jedenfalls "unbürokratischer sein und eine höhere Entlastung bringen", wird Finanzminister Brunner zitiert.

Vorauseilende Rückendeckung gab es bereits vergangene Woche von der Industriellenvereinigung (IV). Um die schwächelnde Baubranche anzukurbeln, brauche es gezielte Anreize für den Wohneigentumserwerb, sagte IV-Generalsekretär Christoph Neumayer am Rande eines Pressegesprächs zu aktuellen Konjunkturdaten. "Damit schafft man Win-win-Situationen für Unternehmen wie Menschen, die in ihre Zukunft investieren möchten", referenzierte er unter anderem auf einen Zinsabsetzbetrag für Immo-Kredite.

Auch grüner Juniorpartner skeptisch

Einen solchen begrüßt auch die Bundessparte Bank und Versicherungen der Wirtschaftskammer Österreich, wenngleich Geschäftsführer Franz Rudorfer vorausschickt, "alles, was die Schaffung von Wohneigentum erleichtert", zu unterstützen.

Eine Umsetzung in der aktuellen Legislaturperiode scheint allerdings unwahrscheinlich, der grüne Koalitionspartner zeigte sich bislang skeptisch. Die bis 2016 gültige Regelung sei keine wirkliche Hilfe gewesen für jene, die sie gebraucht hätten, resümiert Nationalratsabgeordneter Jakob Schwarz.

Statt auf die Absetzbarkeit von Kreditzinsen zu setzen, erinnert er an den Vorschlag seiner Partei, variable Kredite leichter in fix verzinste umwandeln zu können. "Das hätte den Vorteil, dass es die Banken, die ohnehin gut verdienen, finanzieren und nicht der Staatshaushalt", so Schwarz. Ein kategorisches Nein sei das zwar nicht, wohl aber gebe es sinnvollere Maßnahmen, die man eher diskutieren müsse. (Nicolas Dworak, 6.2.2024)