"Nur Ja heißt Ja" auf einem Plakat vergangenes Jahr am 8. März im spanischen Sevilla.
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Das neue Gesetzespaket im Kampf gegen Gewalt an Frauen ist auf vielen Ebenen ein Meilenstein: Straftaten wie Zwangsheirat, weibliche Genitalverstümmelung (FGM) oder Cyberstalking werden damit in der EU einheitlich geahndet, die Strafen auch verschärft. EU-Staaten müssen eine nationale Hotline einrichten, die Gewaltopfer rund um die Uhr und kostenlos erreichen können. Doch es bleibt ein schaler Nachgeschmack: Man hätte, wie bereits viele europäische Länder, Vergewaltigungen nach dem Prinzip "Ja heißt Ja" bestrafen können. Damit hätte man den Konsens aller Beteiligten in den Vordergrund gestellt, anstatt stets die Abwehrreaktion des Opfers zu betonen.

Viel zu oft wird der Tatbestand der Vergewaltigung vor Gericht als nicht gegeben angesehen, weil das Opfer sich angeblich nicht genug gewehrt habe und zu passiv geblieben sei. In Österreich musste bis vor wenigen Jahren Gewalt angedroht oder angewendet werden, damit man von einer Vergewaltigung als Straftat sprechen konnte. Erst seit 2016 gilt das Prinzip "Nein heißt Nein", es zählt also nicht mehr ausschließlich körperliche, sondern auch verbale Gegenwehr.

Abwehr nicht immer möglich

Aber Betroffene sollten nicht dokumentieren müssen, dass sie sich gewehrt haben. Auch jetzt steht bei solchen Fällen oft Aussage gegen Aussage, aber Druck und Verantwortung lasten eben aufseiten des Opfers, eine Abwehr zu belegen. Nicht selten ist jedoch Erstarren eine Reaktion auf sexualisierte Gewalt, oft haben Betroffene auch Angst, sich zu wehren, weil sie etwa in einem Abhängigkeitsverhältnis zu dem Täter stehen. Fachleute sprechen diesbezüglich von Freezing, also dem völligen Erstarren in einer Gewaltsituation – wenn den Opfern weder eine verbale noch eine physische Abwehr möglich ist.

Bereits jetzt ist mehr oder weniger jede Betroffene, die mit dem Vorwurf der sexualisierten Gewalt an die Öffentlichkeit geht, mit Vorwürfen der Falschbeschuldigung konfrontiert – obwohl sie statistisch gesehen extrem unwahrscheinlich sind. Eine einheitliche Regelung unter dem Prinzip "Ja heißt Ja" würde einen Perspektivenwechsel bringen.

Gemeinsames Einvernehmen

"Ja heißt Ja" bedeutet nicht, dass jeder Handgriff abgesegnet werden muss, sondern während sexueller Handlungen in Kommunikation zu bleiben. Damit wird deutlich, dass Konsens für Sex Voraussetzung ist und dass alle Beteiligten verantwortlich sind, darauf zu achten. Eine juristische Regelung dazu ist nicht leicht, würde aber ein stärkeres gesellschaftliches Bewusstsein dafür schaffen, dass sexuelle Handlungen nur in gemeinsamem Einvernehmen geschehen sollten.

Die EU hat die Chance dafür mit dem Gesetzespaket vorerst verpasst. Schade, dass immer noch nicht selbstverständlich ist, dass nur dann von Sex die Rede sein kann, wenn alle Beteiligten ihn auch wollen. (Noura Maan, 7.2.2024)