Parteien und Politiker in Österreich vermeiden meist klare Koalitionsansagen – oder auch nur die Andeutung von Präferenzen – vor einer Wahl und verweisen lieber auf das Wahlergebnis, auf das man warten müsse. Das ist ärgerlich, wenn die Wählerinnen und Wähler dann nicht wissen, was für einer Regierung sie tatsächlich ihre Stimme geben. So manche, die zuletzt in Niederösterreich oder Salzburg die ÖVP gewählt haben, hätten das nicht getan, wenn sie gewusst hätten, dass sie damit einer FPÖ-Beteiligung den Weg ebnen würden.

Karl Nehammer und Andreas Babler
Karl Nehammer und Andreas Babler sollten einen harten Wahlkampf führen – und die Koalitionsfrage nach der Wahl beantworten.
Collage: derStandard/Friesenbichler Fotos: APA

Umso erstaunlicher ist es, wie offen sich nun führende Vertreter von SPÖ und ÖVP aus den Ländern für eine Wiederauflage der nicht mehr ganz so großen Koalition ihrer beider Parteien aussprechen. Das Ziel von Peter Kaiser, Christopher Drexler und ihren Parteifreunden aus dem Westen scheint klar: Zwar haben ihre Parteichefs eine Regierung mit der FPÖ unter Herbert Kickl ausgeschlossen, aber besonders bei der ÖVP wird das nicht ganz geglaubt. Da ein türkis-rotes Bündnis die einzige realistische Alternative zu einem "Volkskanzler Kickl" darstellt, ist ein festes Bekenntnis dazu ein Mittel, um diese Zweifel auszuräumen – und rechtzeitig Stimmung für diese sonst recht wenig geliebte Konstellation zu machen.

All diese Ansagen dienen auch dazu, Andreas Babler und Karl Nehammer zu ähnlichen Festlegungen zu drängen oder zumindest eine solche Präferenz im öffentlichen Bewusstsein fest zu verankern. Bei Nehammer gab es im jüngsten STANDARD-Interview bereits Signale in diese Richtung, und Babler wäre ohne einen Bündnispartner ÖVP zur Opposition verdammt. Wer immer sich vor Kickls Ambitionen fürchtet, würde sich wohler fühlen, wenn ein rot-türkises – oder türkis-rotes – Bündnis mit oder ohne dritten Partner schon vor der Wahl eine ausgemachte Sache wäre. Und es wäre anders als so viele andere politische Aussagen eine ehrliche Botschaft.

Harter Wahlkampf

Allerdings – klug wäre es nicht. Die Parteien würden der FPÖ in die Hände spielen, die sich ja gerne als einzige Alternative zu gleichgeschalteten "Systemparteien" gebärdet. Die ÖVP könnte dann weniger konservative und rechte Wähler ansprechen, die zwischen Blau und Türkis lavieren. Die SPÖ wäre auf der linken Flanke, von der KPÖ und eventuell der Bierpartei, angreifbarer. Denn jeder weiß, dass Bablers sozial- und steuerpolitische Versprechen, vor allem eine Vermögenssteuer, mit der ÖVP kaum durchsetzbar sind. Das Schielen auf eine neue Groko stärkt bloß die Parteien an den Rändern und macht damit eine spätere Regierungsbildung in der Mitte schwieriger.

Deshalb wäre es schlau, wenn die Großkoalitionäre in beiden Parteien von nun an stillhalten und es ihren Spitzenkandidaten ermöglichen, sich um die Koalitionsfrage mit den üblichen "Lassen wir erst die Wähler sprechen"-Plattitüden zu drücken. Dann können beide nicht nur gegen Kickl, sondern auch gegeneinander einen harten Wahlkampf führen. Die Chancen für ein Zusammengehen nach der Wahl wären dadurch nicht geschmälert, das konnte man in Niederösterreich und Salzburg sehen.

Erkannt hat das einer, der das politische Geschäft auch von seiner zynischen Seite her gut versteht – der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil. Er hat recht: Der rot-türkise Flirt kann bis nach der Wahl warten. (Eric Frey, 7.2.2024)