Der Schlossherr sitzt auf seinem türkisen Fauteuil und lässt den Blick durch den Raum streifen. "Ich habe alles umgebaut und modernisiert", sagt Hannes Koza. Er meint sein Büro, vermutlich auch das ganze Schloss Vösendorf, in dem der Bürgermeister seinen Amtssitz hat, eventuell aber gleich die gesamte Gemeinde. Koza ist kein Tiefstapler – und alles ein bisschen schöner zu machen sein Erfolgsrezept.

Seine Geschichte erzählt auch einiges über die ÖVP
Hannes Kozas Geschichte erzählt auch einiges über die ÖVP.
Heribert Corn

Er ließ mehr Blumen im Park pflanzen, das Schloss modern möblieren, eine Kellerkammer wurde zum Veranstaltungsraum umfunktioniert, regelmäßig tagt jetzt auch ein Kindergemeinderat im Haus. Es tut sich etwas in Vösendorf, und das wird Bürgermeister Koza gedankt. Bis heute. Und trotz allem.

Kreatives Zeichnen

In Kozas Büro ist das Auffälligste ein riesiges buntes Bild, das die ganze Wand zwischen zwei Fenstern ausfüllt. Striche bilden einen abstrakten Fischschwarm. "Habe ich selbst gemacht", sagt er, "mit dem Computer", und zeigt unbedacht auf das Corpus Delicti am Schreibtisch, seinen Amts-Apple.

In Vösendorf kennt jeder Hannes Koza. "Zumindest 99 Prozent", sagt er selbst. Wer X, ehemals Twitter, nutzt, könnte ihn ebenfalls schon länger kennen. Dort fiel er durch die ruppige Art auf, mit der er wortgewaltig vor allem seine Partei, die ÖVP, und ihre Anliegen verteidigte. Koza war so etwas wie ein türkiser Troll. Persönlich ist er anders, das sagen selbst politische Gegner: lustig, sympathisch, hilfsbereit. Seit kurzem hat Koza eine gewisse Prominenz in ganz Österreich. "Ich war wirklich ein Trottel", sagt er.

Das Drama kam danach

Auf X wollte er Ende vergangenen Jahres die SPÖ-Abgeordnete Julia Herr abkanzeln. Er teilte einen Tweet von ihr mit dem Zusatz, dass sie "Hass, Neid und Missgunst" wohl schon im Kinderfreunde-Kindergarten gelehrt bekommen habe. Die Kinderfreunde sind ein Verein mit sozialdemokratischen Wurzeln, der Kindergärten betreibt und Ferienlager organisiert. Es wurde ein Anwalt eingeschaltet. Koza musste seine Aussage, dass dort Hass geschürt werde, widerrufen, 1000 Euro spenden und die Anwaltskosten übernehmen. Das war ärgerlich für ihn, aber noch kein Drama. Das Drama kam danach.

Man muss dafür wissen: Koza wohnt am Rande des Parks jenes Schlosses, in dem das Gemeindeamt untergebracht ist. Das ist kein Bürgermeisterprivileg, seine Familie residiert dort schon seit Jahrhunderten. Koza und seine Frau betreiben im Schlosspark einen Heurigen, darüber haben sie ihre Wohnung. Der Anwalt schickte die Honorarnote also an Kozas Privatadresse mit Hausnummer 2. Schließlich hat er seine Beleidigung nicht im Namen der Gemeinde getätigt, es war seine private Entscheidung, im Internet zu pöbeln.

Koza bereut das auch selbst, zumindest in Ansätzen: "Ich wollte natürlich nur Julia Herr beleidigen und nicht die Kinderfreunde", sagt er. Was danach geschah, bereut er aber noch mehr. Wobei sein Schuldbewusstsein nur das halbe Delikt umfasst: Koza setzte sich an den Computer und begann, so erzählt er es selbst, die Honorarnote zu verändern. Nach ein paar Klicks war sie auf Hausnummer 1 ausgestellt, die Amtsadresse. Auch den Betreff soll er überarbeitet haben, sodass alles wie ein legitimer Abrechnungsfall für die Gemeinde aussah: 1129,32 Euro musste er zahlen. Und die holte er sich zurück – aus dem Steuertopf.

Hannes Koza in seinem Büro im Schloss Vösendorf, dem Amtssitz der Gemeinde und dem Tatort in der Causa Koza.

"Ein Blackout"

"Ein Blackout" nennt er seine Reaktion, "oder sowas". Er bestreitet nichts, wobei er weiterhin überzeugt ist, dass nicht die Verrechnung über die Gemeinde das Problem war, sondern vor allem die Fälschung des Dokuments. "Ich bin in der Abmahnung als Bürgermeister angesprochen worden", rechtfertigt er sich. Schlussendlich landete die Honorarnote im "Buchungskonto Feuerwehr" der Gemeinde Vösendorf und später die ganze Geschichte in der Krone. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Untreue und Urkundenfälschung gegen ihn.

Koza ist ein großer Mann, Mitte 40, den Kopf streckt er immer leicht nach vorne, als würde er sich gleich kopfvoran irgendwo hineinstürzen. Eigentlich war er Weinbauer und Heurigenwirt, dann beschloss er, im tiefroten Vösendorf Bürgermeister zu werden. Vor drei Jahren gelang ihm das überraschend, obwohl die SPÖ die Wahl arschknapp gewonnen hatte. "Am Stammtisch sitzen und zu schimpfen war mir zu wenig", sagt Koza. Die Grünen waren sein Mehrheitsbeschaffer.

In Vösendorf kommt das an

Wenn Koza durch Vösendorf spaziert, winkt er ausnahmslos jedem, dem er begegnet. "Grias eich", "hallo Claudia". Die meisten winken und grüßen freundlich zurück. Außerhalb von Vösendorf ist fast jeder davon ausgegangen, dass Koza nach dem Auffliegen seiner mutmaßlichen Fälschung zurücktritt. Koza aber hat sich dazu entschieden, Neuwahlen auszurufen – und selbstverständlich wieder zu kandidieren. Innerhalb seiner Gemeinde kommt er mit dieser Entscheidung erstaunlich gut an.

In Vösendorf wird deutlich, wie die Problembewältigung nach ÖVP-Fasson funktioniert: Fast alles lässt sich aussitzen. So wurden in der jüngeren Vergangenheit sämtliche Affären, Skandale und Vorwürfe behandelt. Deshalb ist Wolfgang Sobotka noch Nationalratspräsident, obwohl ihn selbst die Grünen laufend zum Rücktritt auffordern. Deshalb ist August Wöginger weiterhin Klubchef, auch wenn ermittelt wird. Deshalb gilt in der ÖVP Sebastian Kurz vielen bis heute als Heiland aus besseren Zeiten. Und so kann wohl auch Koza politisch überleben.

Denn in Vösendorf zeigt sich: Menschen verzeihen manchmal mehr, als man erwarten würde. Auch in der ÖVP Niederösterreich soll es Überlegungen gegeben haben, Koza fallenzulassen. Doch die Landespartei steht wieder hinter ihm. Immerhin ist er der erste ÖVP-Bürgermeister in der Geschichte Vösendorfs, einer der reichsten Gemeinden des Landes.

"Jeder baut amoi an Schas"

"Er hot an Schas baut, oba jeder baut amoi an Schas", sagt eine junge Frau, die gerade aus der Fleischerei kommt. Die Aufregung über den Fall Koza könne in Vösendorf niemand verstehen, meint sie. "Der Hannes" mache viel, das wisse hier jeder.

Vor der Volksschule warten rund zwei Dutzend Eltern auf ihre Kinder. Es ist Zeugnistag in Vösendorf. Niemand auf dem Schulhof ist der Meinung, dass Koza ein schlechter Bürgermeister ist, bloß wegen "der einen Gschicht". "Natürlich ist das eine schiefe Optik", sagt ein Vater. "Aber was der bei uns gemacht hat, sucht seinesgleichen." Er meint das positiv. Die Causa Koza, die sei nur deshalb so groß, weil da "ein paar Beleidigte einen Feldzug führen". Damit meint er wohl die SPÖ Vösendorf, durch die der Fall aufgedeckt wurde.

Alfred Strohmayer, der SPÖ-Vizebürgermeister, sagt: "Mir wäre bedeutend lieber, wenn alles korrekt abgelaufen wäre. Aber ich habe diese mutmaßliche Fälschung gesehen, und dagegen muss man doch etwas tun." Mit Koza habe er früher gut zusammengearbeitet, der sei ein geselliger, netter Typ, aber "er verwechselt Gemeindeeigentum wohl mit Privateigentum". Gemeinsam mit seiner Anhängerschaft versuche Koza nun "Täter-Opfer-Umkehr" zu betreiben, ist Strohmayer überzeugt.

Geteilte Meinungen

In Vösendorf hat sich Strohmayers Sichtweise noch nicht weit verbreitet. Am Schulhof stellt eine Mutter infrage, ob Koza "den Fehler" überhaupt mit Absicht begangen habe. Dabei bestreitet er gar nichts. Sie traut ihm sogar "die Absolute" zu bei der vorgezogenen Wahl im Mai. Vielleicht hat sich in Vösendorf ein Gefühl eingestellt, das viele Orte des Landes erfasst hat: jenes, dass ein bisserl korrupt doch sowieso alle sind.

Strohmayer wurden nach Aufkommen der Causa sämtliche Zugriffe auf Gemeindedaten gesperrt, erzählt er. Aber er habe Hinweise auf weitere Vergehen Kozas erhalten. "Mit großer Wahrscheinlichkeit war die Honorarnote kein Einzelfall", sagt er. Strohmayer wolle "dranbleiben". Das sei er den Bürgern schuldig.

Koza bleibt zuversichtlich. Sein Traum ist es, in den Nationalrat einzuziehen – wobei er "selbstverständlich" hauptberuflich Bürgermeister bleiben wolle, wie er betont. Die aktuelle Affäre spielt ihm für die Nationalratswahl 2024 wohl nicht in die Hände, das weiß er selbst. Schließlich müsste seine Partei ihn auf einen wählbaren Listenplatz setzen.

Allerdings: Wer weiß. Skandale werden hierzulande auch schnell vergessen. (Katharina Mittelstaedt, 10.2.2024)