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Regisseur (mit "gi" ausgesprochen) Frank Castorf gab am Freitag Einblick in seine "Heldenplatz"-Inszenierung.
APA/GEORG HOCHMUTH

Besondere Theaterabende erfordern besondere Maßnahmen. Also stellte Regisseur Frank Castorf am Freitagnachmittag, eine Woche vor der Premiere am 17. Februar, seinen Inszenierungsansatz für den neuen Heldenplatz am Burgtheater vor. Warum eine eigene Pressekonferenz deswegen? Hat man Angst, dass die Produktion sonst unverstanden bleibt? Der 72-jährige Deutsche ist ja für seine exzessiven Überarbeitungen bekannt und war zuletzt mit Elfriede Jelinek (Lärm. Blindes Sehen. Blinde sehen!) und Peter Handke (Zdeněk Adamec) 2021 gleich doppelt an der Burg zu erleben.

Aber nein, es waren nur zu viele Interviewanfragen, als dass er sie neben den Proben einzeln hätte bewältigen können, lautet die beruhigende Erklärung. Castorfs Inszenierungsidee hat es trotzdem in sich – und packt beherzt auf Bernhards Urtext ("Was ist daran eigentlich skandalös? Es ist ein gutes Pamphlet") zu.

Wie immer wird er auch diesmal anderes Material hineinmixen. Konkret: den US-Schriftsteller Tom Wolfe, der in den 1930ern durch Deutschland reiste und dabei Nazizeit und Führerkult in ihren Anfängen beobachtete, und den späteren US-Präsidenten John F. Kennedy. Der damals auch in Europa unterwegs war und Tagebuch führte. Was Castorf an letzterer "Lichtgestalt der Demokratie und des Aufbruchs" besonders interessiert? In den 1930ern war Kennedys Vater für eine Appeasement-Politik mit Nazideutschland und fürchtete 40.000 jüdische Flüchtlinge in Amerika, weil er meinte, dort würde in Reaktion der Antisemitismus wachsen. "Deshalb mussten Amerika und New York in das Stück rein!", sagt Castorf. Und noch aus einem Grund: "Österreich ist ja viel kleiner, als Sie wissen."

"Psychische Haltung" entscheidend

Wie viel Bernhard ("der Alpen-Beckett") steckt denn also noch drin? Der überwiegende Teil der vier Stunden. Stand: eine Woche vor der Premiere. Aber Bernhard ist ja nicht seine "wunderbare Sprache" allein, führt Castorf aus. Aus welcher "psychischen Haltung" Texte entstanden sind, diese Frage sie für ihn immer entscheidend gewesen. Deshalb müsse man "nicht nur sagen, was er geschrieben hat, sondern den seelischen Sound dieser Menschen finden". Wenn die Rechnung aufgeht? "Dann kommt der richtige Satz und ergreift die Seele, nicht nur die Ohren."

Castorf selbst hat Bernhards Stück dem Burgtheater vorgeschlagen. Er will es auf die "durchschlagende Wirkungslosigkeit des Klassikers" (Max Frisch) hin überprüfen. Er sei ermahnt worden, zu Bernhard freundlich zu sein, und dem komme er gerne nach. Aber trotzdem: "Da werden sich sicher Sachen abspielen, die nicht jedem gefallen können und dürfen." Denn er wolle weder einen Bildungsauftrag erfüllen noch Leitartikel illustrieren. Skandale passieren ihm zwar nebenbei, freuen ihn aber: 15 Minuten lang Buh-Rufe? Da fühlt er sich "wie Mick Jagger".

Ambivalenz und Selbstgerechtigkeit

Die größte Angst hat er in einer "Zeit des politischen Kabaretts davor, dass die Menschen nur noch lachen". Ambivalenz wird es also auch diesmal geben. Denn: "Man muss einer Frau nicht die Suppe oder das Hemd ins Gesicht schmeißen", wie Robert Schuster es im Stück tue. Da fange Faschismus an – auch wenn der jüdische Schuster eigentlich von der ganz anderen Seite komme. Überhaupt sieht der Regisseur aus der ehemaligen DDR auch die Selbstgerechtigkeit heute junger Generationen kritisch: "In der Geschichte ist es immer einfach, die richtige Haltung einzunehmen, wenn die Geschichte schon passiert ist." Wenn sie gerade passiere, sei dies viel schwieriger. Wohl interessiert ihn gerade deshalb "die Geschichte, nicht das Geschichtenerzählen". Denn man könne aus der Geschichte lernen, nicht aber aus Google.

Über eine Stunde lang gibt Castorf Einblick in sein Inszenieren ("Man muss um das Theater kämpfen, nicht jeder dahergelaufene Lümmel schafft das"). Seinem sechsköpfigen Ensemble (Birgit Minichmayr, Inge Maux, Branko Samarovski, Franz Pätzold, Marie-Luise Stockinger, Marcel Heuperman) streut er dann auch noch Rosen ("schnell im Kopf, haben Spaß, sind immer etwas quer im Kopf") – ebenso wie sich selbst: "Ich bin beliebt, weil ich alles schenke", sagt er und meint damit, dass nicht die Hauptrolle den ganzen Text haben wird und Hausmädchen Herta daneben nur bügeln darf. Tipp zum Darstellerinnentrio: "Gehen Sie nicht vor der Pause."

"Die Umwege, die zum Ziel führen", machen Castorf Spaß. Aber: "Manchmal macht man den Fehler und zu viel des Guten, und dann verliert man den Faden." Es wird sich in einer Woche zeigen. (wurm, 9.2.2024)