Der ORF bereitet neue Vorgaben für seine rund 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter insbesondere für Social Media und bei Nebentätigkeiten wie Moderationen vor. "Es braucht klare Regeln mit klaren Konsequenzen", betont dazu der Sprecher der ÖVP-nahen Mehrheit im ORF-Stiftungsrat, Thomas Zach. Hier gehe es darum, wie glaubwürdig und unabhängig der ORF in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Und das sei im Jahr des ORF-Beitrags von allen eine entscheidende Frage für das Unternehmen und seine Akzeptanz. Zach spricht von einer "Erwartungshaltung eines großen Teils des Stiftungsrats".

"Klare Konsequenzen" für Verstöße gegen neue Verhaltensregeln für ORF-Mitarbeiter erwartet Thomas Zach, Sprecher der ÖVP-nahen Mehrheit im Stiftungsrat.
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"Entscheidendes Jahr" für ORF

"Dieses Jahr ist für den ORF ein extrem wesentliches, wenn nicht entscheidendes Jahr", sagt Zach. "Wir können heuer beweisen, dass wir mit unseren neuen Möglichkeiten das leisten können, was von uns erwartet wird: öffentlich-rechtlicher Rundfunk in höchster Qualität." Der ORF bekam mit dem neuen, mit Jahresbeginn in Kraft getretenen ORF-Gesetz eine neue Finanzierung mit dem ORF-Beitrag von allen sowie neue Möglichkeiten online, insbesondere im Streaming.

Die Akzeptanz des ORF in der Bevölkerung ist – insbesondere durch die FPÖ-Kampagne gegen den ORF-Beitrag – im Nationalratswahljahr 2024 ein zentrales, vielleicht existenzielles Thema für den ORF in heutiger Form. Die Freiheitlichen sprechen sich für eine Budgetfinanzierung – finanziert dann aus allgemeinen Steuern der Bevölkerung und Unternehmen – sowie deutliche Budgetkürzungen beim ORF aus. Der ORF ist mit gut einer Milliarde Euro Jahresumsatz, großteils aus dem ORF-Beitrag, weitaus größter Medienkonzern in Österreich.

Ethikkommission nach Rücktritten

Die neuen Regeln für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ORF wurden von einer teils international besetzten Ethikkommission erarbeitet. ORF-Generaldirektor Roland Weißmann hat sie eingerichtet nach dem Rücktritt von Robert Ziegler als niederösterreichischer ORF-Landesdirektor wegen Einflussnahmen im Sinne der ÖVP und seines Umgangs mit der Belegschaft als Chefredakteur des Studios sowie des Rücktritt von Matthias Schrom als TV-Chefredakteur, nachdem dessen Chats mit dem damaligen FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache samt Interventionstipps bekannt geworden waren.

Die Kommission unter dem Vorsitz der früheren SRG-Managerin Ingrid Deltenre analysierte die bestehenden Vorgaben für das ORF-Personal etwa zu Social Media und Nebenjobs und sprach Empfehlungen für neue aus. Sie werden vom ORF-Management zu einem neuen Regelwerk verarbeitet und derzeit mit Betriebsrat und Redaktionsrat abgesprochen; im März soll es dem ORF-Stiftungsrat als oberstem ORF-Entscheidungsgremium vorgelegt werden. Beschließen muss es der Stiftungsrat nicht: Der Generaldirektor setzt die neuen Regeln per Dienstanweisung in Kraft. Man kann davon ausgehen, dass die neuen Regeln auch die von Zach geforderten Konsequenzen für Verstöße enthalten werden.

"Unabdingbar für Glaubwürdigkeit"

"Diese neuen Regeln sind unabdingbar für die Glaubwürdigkeit und die Unabhängigkeit des ORF. Auf diesen beiden Pfeilern ruht unsere Akzeptanz", sagt Zach im Gespräch mit dem STANDARD. Er ist Sprecher der ÖVP-nahen Stiftungsräte, die die Mehrheit in diesem Gremium stellen.

Zach räumt ein, dass es bereits recht ausführliche Regularien für den Auftritt auf Social Media oder auch für Nebentätigkeiten wie Moderationen im "Verhaltenskodex" für ORF-Journalistinnen und -Journalisten gibt.

Sie geben etwa vor: "Nebenbeschäftigungen dürfen keinen Zweifel an der Unabhängigkeit der Berichterstattung des ORF und des/der betroffenen MitarbeiterIn aufkommen lassen und dürfen dem Ansehen des ORF und der Sendungen, mit denen der/die betroffene MitarbeiterIn beschäftigt ist, nicht schaden."

"Tu nichts Dummes", empfiehlt der ORF (nach dem Vorbild der BBC) (auch) für die Präsenz auf Social Media: "Wir werden nicht nur als Privatperson im Internet wahrgenommen, sondern auch als ORF-Mitarbeiterin oder -Mitarbeiter. Wer seine (politischen) Ansichten in sozialen Netzwerken verbreitet, läuft Gefahr, dass die journalistische Unabhängigkeit und Unparteilichkeit infrage gestellt werden könnte."

Zach vermisst Kontrolle

Der Sprecher der ÖVP-nahen Stiftungräte vermisst allerdings bisher etwas: "Die konsequente Umsetzung und Einhaltung der Regeln hat bisher gefehlt. Es reicht nicht, ein Mail mit den Leitlinien im Anhang an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verschicken", wie dies der frühere ORF-General Alexander Wrabetz getan habe. "Das ist zu wenig bei einer so wichtigen Frage. Diese Regeln sind niemals ernsthaft ins Unternehmen hineingebracht worden", findet Zach. Es brauche einen Diskurs darüber mit der Belegschaft und eine "Kultur der Verantwortung" (die ORF-Chef Weißmann vorgab).

Wer schaut darauf, dass die neuen Regeln eingehalten werden? "Das kann nicht alleine der Generaldirektor sein", erklärt Zach. Wie in allen Unternehmen sei das die Aufgabe der jeweils zuständigen Führungskräfte, Ressortleiter etwa: "Das ist eine wesentliche Aufgabe von Führungskräften, die Einhaltung der Unternehmensvorgaben und -regeln sowie die Umsetzung der Unternehmensziele einzumahnen." Er findet, es brauche "keine Kommission, an die solche Fragen delegiert werden", wie sie etwa der Sprecher der SPÖ-nahen Stiftungsräte, Heinz Lederer, empfiehlt.

"Klare, scharf definierte" Regeln

Welche Konsequenzen soll es nun für Verstöße gegen die neuen Regeln geben? Zach will sich auch auf STANDARD-Nachfrage nicht auf konkrete Maßnahmen festlegen. "Es gibt in allen Unternehmen einen Katalog von Konsequenzen und damit ausreichende Mittel sicherzustellen, dass Regeln eingehalten werden." Natürlich sei es ein Unterschied, "ob man zu spät zum Dienst erscheint oder ob man das Unternehmen schädigt", sagt der von der ÖVP entsandte Stiftungsrat.

Zach plädiert für möglichst "klare, scharf definierte" Regeln: "Je schärfer ich die Grenze ziehe, desto klarer ist, was ein Verstoß ist. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen sich sicher fühlen mit den Regeln."

Wo verläuft aus seiner Sicht eine solche Grenze? "Wo ich als ORF-Mitarbeiter auftrete, erzeuge ich eine Wahrnehmung für den ORF, und diese Wahrnehmung muss dem Unternehmen in seinen Zielen dienen und darf ihm nicht schaden." (Harald Fidler, 12.2.2024)