Von welchen Medienmenschen wird man 2024 noch mehr hören? Von der langjährigen Medienmanagerin Ingrid Deltenre spätestens, wenn der ORF-Stiftungsrat Anfang März neue Verhaltensregeln für die ORF-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Unabhängigkeit über Nebenjobs bis zu Social-Media-Aktivitäten bespricht. Deltenre leitet eine Ethikkommission, die ORF-General Roland Weißmann 2023 nach Chataffären um Politeinfluss und Chats und Rücktritten führender ORF-Journalisten eingeladen hat, neue Regeln zu erarbeiten.

Ethikkommission liefert Basis für neuen ORF-Verhaltenskodex, geleitet von der früheren SRG- und EBU-Managerin Ingrid Deltenre.
Ethikkommission liefert Basis für neuen ORF-Verhaltenskodex, geleitet von Ingrid Deltenre. Im Bild: Deltenre noch als Generaldirektorin der Rundfunkunion EBU 2015 in Wien.
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Vor ORF-Gehaltsbericht

Die neuen, verschärften Verhaltensregeln für das ORF-Personal und seine Führungskräfte sollen womöglich nicht ganz zufällig Anfang März den ORF-Stiftungsrat und damit auch die interessierte Öffentlichkeit beschäftigen: Bis Ende März schreibt das neue ORF-Gesetz erstmals die Veröffentlichung von ORF-Gehältern und Nebenbeschäftigungen von Mitarbieterinnen und Mitarbeitern vor - ab 170.000 Jahresbrutto auch namentlich, wenn der ORF-Betriebsrat nicht noch beim Obersten Gerichtshof einen Antrag dagegen durchbekommt.

Anlass für die Ethikkommission unter Ingrid Deltenres Führung war allerdings der Rücktritt von Robert Ziegler als ORF-Landesdirektor in Niederösterreich, nachdem eine ORF-interne Untersuchungskommission Vorwürfe über seine Einflussnahmen als Chefredakteur im Landesstudio im Sinne der Landes-ÖVP sowie über seinen Umgang mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erhärtet gesehen hatte. Davor war - wegen Chats mit dem damaligen FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache - TV-Chefredakteur Matthias Schrom im November 2022 zurückgetreten. Und im Jänner sorgte die Moderation des langjährigen ORF-Stars Vera Russwurm - wiewohl selbst keine ORF-Mitarbeiterin - beim Wahlkampfauftakt der ÖVP Niederösterreich mit Johanna Mikl-Leitner und ÖVP-Chef Karl Nehammer für Diskussionen.

Im Februar 2023 hat ORF-General Weißmann noch ohne Ethikkommission per interner Mitteilung die Regeln für Nebenbeschäftigungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verschärft. Anlässe dafür könnten Russwurms Wahlauftakt-Moderation der Einsatz von einer ORF-Moderatorin bei einer Veranstaltung in der Wirtschaftskammer oder Einsätze einer Moderatorin des ORF Niederösterreich etwa für Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) gewesen sein. In der Folge klagten (vor allem auch überschaubar entlohnte) Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Ö1, dass ihnen bisher genehmigte Moderationen bei Kulturveranstaltungen untersagt würden. Im November sorgte die genehmigte Moderation einer "ZiB"-Anchorwoman bei der Interpol-Jubiläumskonferenz in Wien für Diskussionen, bei der Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) und Kanzler Karl Nehammer prominent vertreten waren.

ORF-Qualitätskontrollorin

Direkt für den ORF arbeitete Deltenre, früher Direktorin des öffentlich-rechtlichen Schweizer Fernsehens und Generaldirektorin der Union der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender Europas (EBU), schon vor der 2023 installierten Ethikkommission: Sie ist externe Sachverständige für das vom ORF-Gesetz vorgeschriebene ORF-Qualitätssicherungssystem. Die Berichte darüber werden jeweils im September des Folgejahres dem ORF-Stiftungsrat vorgelegt.

"Ich attestiere dem ORF uneingeschränkt, die Vorgaben bezüglich dem Qualitätssicherungssystem eingehalten und umgesetzt zu haben", berichtete Ingrid Deltenre nach ORF-Angaben dem Stiftungsrat im Herbst 2022: Der ORF habe im Jahre 2021 dem Kriterienkatalog für die Qualität seines Programms in allen Punkten entsprochen und das geforderte Qualitätsmanagement im Jahre 2021 effektiv und erfolgreich umgesetzt.

Ein Jahr später lobte Deltenre laut ORF das "seit vielen Jahren differenzierte System der Qualitätssicherung" das "jedes Jahr kontinuierlich weiter entwickelt wird". Und, auch diesmal zitiert sie die Aussendung mit : Der ORF habe im Jahre 2022 dem Kriterienkatalog für die Qualität seines Programms in allen Punkten entsprochen und das geforderte Qualitätsmanagement im Jahre 2022 effektiv und erfolgreich umgesetzt.

Die von Deltenre geführte Ethikkommission hat mit Jahresende ihren Bericht ORF-Generaldirektor Roland Weißmann geliefert, der ORF formuliert auf Basis ihrer Erkenntnisse Guidelines und neue Compliance Richtlinien für den öffentlich-rechtlichen Medienkonzern und seine rund 4000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (inklusive Tochterunternehmen). Man wird davon hören. (fid, 14.1.2024)