Von welchen Medienmenschen wird man 2024 mehr hören? Von Werner Ertls Schaffen wird man noch hören. Ertl steht seit Februar 2023 dem ORF-Zentralbetriebsrat vor. Und diese ORF-Personalvertretung geht gerade bei einem Höchstgericht gegen die teils namentliche Offenlegung von ORF-Gehältern und Nebeneinkünften laut neuem ORF-Gesetz ab Frühjahr 2024 vor – formal gegen den ORF. Die Regierungsparteien ÖVP und Grüne verbanden den neuen ORF-Beitrag für alle ab 1. Jänner 2024 mit neuen Transparenzvorschriften und Sparvorgaben für den ORF.

ORF-Betriebsratschef Werner Ertl.
ORF-Betriebsratschef Werner Ertl.
ORF Thomas Ramstorfer Bearbeitung DER STANDARD Lukas Friesenbichler

"Wir sind nicht gegen Transparenz", betont ORF-Zentralbetriebsratschef Werner Ertl auf Anfrage des STANDARD: "Wenn alle Österreicherinnen und Österreicher im öffentlichen und staatsnahen Dienst, in Ministerien oder bei Energieversorgern, ab 170.000 Euro jährlich ihr Einkommen veröffentlichen, dann gerne auch im ORF." Aber Ertl äußert den Verdacht, dass mit dieser Offenlegungspflicht gezielt ORF-Journalistinnen und -Journalisten in den Fokus gerückt werden sollten: "Was wirklich ärgerlich ist, ist, in einem Wahljahr Gehälter offenzulegen von jemand, der Wahlberichterstattung macht. Das zielt auf die Journalistinnen und Journalisten ab." Das sei "unstatthaft und unfair" im Vergleich zum übrigen Österreich. Und die Offenlegung sei in dieser Form nicht verfassungsgemäß – das will der ORF-Betriebsrat nun bei gleich zwei Höchstgerichten feststellen lassen.

Veröffentlichung ab 170.000 Jahresbrutto

Die Einkünfte von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ab 170.000 Euro brutto pro Jahr muss der ORF ab 2024 namentlich veröffentlichen. ORF-intern rechnet man mit einer Liste von etwa 50 Personen, darunter naturgemäß der ORF-Generaldirektor mit nach eigenen Angaben 380.000 Euro und die vier ORF-Zentraldirektorinnen sowie die neun Landesdirektorinnen und -direktoren. Mit Bonuszahlungen dürfte ORF-Manager Pius Strobl, zuständig etwa für das 303-Millionen-Bauprojekt ORF-Zentrum, über dem Salär des ORF-Generals liegen. In die Riege der Bestverdienerinnen dürften etwa auch die ORF-3-Geschäftsführer Peter Schöber und Kathrin Zierhut-Kunz fallen.

Auch einzelne Betriebsräte dürften – etwa mit Bestellungen oder Abschieden von ORF-Generälen – schon die eine oder andere Gehaltsstufe gutgemacht haben. Ob einzelne Personalvertreter in die Dimensionen der Namensliste reichen, wird sich zeigen, wenn sie denn im Frühjahr veröffentlicht wird – so sie veröffentlicht wird. Ertl weiß für sich so oder so: "Ich bin nicht betroffen, bei weitem nicht."

Die Transparenzvorschriften sehen außerdem vor, dass der ORF meldet, wie viele seiner Beschäftigten jeweils in eine von sieben Gehaltsklassen fallen – von "unter 50.000" im Jahr bis "mehr als 300.000" Euro brutto. Zudem muss der ORF offenlegen, wie viele seiner Beschäftigten in eine von fünf Kategorien für Nebeneinkünfte fallen – von durchschnittlich monatlich bis 1.150 Euro Nebeneinkommen bis "über 12.000 Euro".

Vielklassengesellschaft ORF

Auch die fünf verschiedenen ORF-Kollektivverträge mit all ihren Gehaltsklassen sind zu veröffentlichen sowie Zulagen für die vier höchsten Gehaltsklassen. Die Kollektivverträge wurden seit der ältesten "Freien Betriebsvereinbarung" und den ähnlich angelegten Kollektivverträgen 1996 schrittweise verschlechtert – jeweils für neu Angestellte. Daneben gibt es noch nach anderen, oft schlechteren Kollektivverträgen Beschäftigte in den Tochterunternehmen des ORF, Leiharbeitskräfte sowie freie Mitarbeiter mit oft als prekär eingestuften Konditionen.

Gegen den ORF via OGH zum VfGH

Rechtliche Schritte der Personalvertretung gegen die neue Gehaltstransparenz kursieren seit Monaten im ORF, DER STANDARD berichtete. Erwartet wurde bisher eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Aber nach Informationen aus Betriebsratskreisen soll die ORF-Belegschaftsvertretung eine andere Route gewählt haben.

Der ORF-Betriebsrat hat den Obersten Gerichtshof (OGH) angerufen, bestätigt Betriebsratschef Ertl dem STANDARD auf Anfrage. Die Personalvertreter brachten einen Feststellungsantrag ein, dass die namentliche Offenlegung von Gehältern verfassungswidrig sei. Das Ziel: Der OGH soll den Verfassungsgerichtshof zur Klärung der Verfassungswidrigkeit (oder -konformität) anrufen. Und bis die Verfassungsrichter diese Frage geklärt haben, soll der OGH dem ORF untersagen, die Gehälter namentlich zu veröffentlichen.

Der "Transparenzbericht" über die ORF-Gehälter ist bis 31. März vom ORF vorzulegen. (Harald Fidler, 29.12.2023)