Von welchen Medienmenschen wird man 2024 mehr hören? Generaldirektor des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich ist schon von Haus aus ein öffentlich recht exponierter Job. Der neue ORF-Beitrag ab 2024 von allen aber trägt Roland Weißmann besondere Aufmerksamkeit von gut 700.000 bisher GIS-freien Streamern ein. Die neue Haushaltsabgabe wird im Wahlkampf 2024 womöglich nicht allein die FPÖ beschäftigen. Und die vom Verfassungsgerichtshof verlangte Reform der ORF-Gremien könnte die Amtszeit von Stiftungsrat, Publikumsrat und der ORF-Führung verkürzen. Weißmann wird nicht fad werden 2024.

Auf Roland Weißmann kommt 2024 einiges zu - und nicht nur ein ORF-Beitrag von allen, unabhängig vom Empfang.
Auf Roland Weißmann kommt 2024 einiges zu – und nicht nur ein ORF-Beitrag von allen, unabhängig vom Empfang.
APA Eva Manhart Bearbeitung STANDARD Otto Beigelbeck

ORF-Beitrag statt GIS-freien Streamings

2023 hat Roland Weißmann aus der Perspektive des Küniglbergs, hoch über Wien, wo Österreichs weitaus größter Medienkonzern seinen Sitz hat, einiges erreicht: Statt der GIS, der man mit Streamingnutzung ohne Rundfunkgeräte gut entkommen konnte, kommt eine Haushaltsabgabe von allen – mit den bisher üblichen Befreiungen, mit Ausnahmen für Einpersonenunternehmen, aber in Summe mit erwartet gut 700.000 weiteren zahlenden Privathaushalten und gut 100.000 zusätzlich zahlenden Unternehmen. Damit macht man sich bei bisher GIS-freien Streamern keine Freunde, und die FPÖ surft auf der Grantwelle über den ORF-Beitrag Richtung Nationalratswahl.

Beschwerde privater Medienhäuser bei EU-Kommission

Weißmann erreichte mit dem ORF-Gesetz auch deutlich mehr Möglichkeiten im Streaming. Der ORF startet mit den Möglichkeiten seine Streamingplattform ORF On an diesem Neujahrstag, und ORF.at wird deutlich videolastiger, behält aber seinen bewährten Erfolgseinstieg mit dem raschen Nachrichtenüberblick. Die Möglichkeiten online und die neue Finanzierung trug Weißmann – und Medienministerin Susanne Raab – den Grant privater Medienhäuser ein. Sie sehen ihre wirtschaftliche Existenz durch den übermächtigen ORF mit neuen Möglichkeiten und neuer Finanzierung gefährdet. Bei der EU-Kommission liegen Wettbewerbsbeschwerden gegen das neue ORF-Gesetz. Schon einmal, 2010, musste Österreich nach einem solchen EU-Wettbewerbsverfahren zur ORF-Finanzierung das Gesetz nachschärfen.

Bundesbudget statt Beitrags

Den neuen ORF-Beitrag von allen gleich wieder abzuschaffen hat jedenfalls die FPÖ schon angekündigt. Sie verspricht einen deutlich reduzierten "Grundfunk", der Begriff ist von der AfD geborgt und bedeutet eine Finanzierung aus dem Bundesbudget statt des Beitrags. Bundesbudget, das Geld kommt auch aus den Steuerleistungen von Menschen und Firmen, man merkt es nur nicht so unmittelbar wie eine Jahresvorschreibung der ORF-Beitragstochter OBS (bisher: GIS). Und: Budgetfinanzierung könnte den ORF noch abhängiger von der jeweiligen Regierung machen, als er es ohnehin schon ist.

ORF-Gremien verfassungswidrig regierungsnah

Der Verfassungsgerichtshof hat schon die GIS-Ausnahmen für Streaming als verfassungswidrig aufgehoben und das neue ORF-Gesetz angestoßen. Im Oktober 2023 hat das Höchstgericht noch Passagen des ORF-Gesetzes über die Besetzung der ORF-Gremien als verfassungswidrig regierungsnah aufgehoben. Was nicht geht laut Verfassungsgericht: mehr Mandate im Stiftungsrat für die Regierung als für den ORF-Publikumsrat, eine Mehrheit der ORF-Publikumsräte vom Kanzler ausgewählt, kaum Kriterien im Gesetz für die Auswahl von ORF-Räten. Und: Regierung, Länder, Parteien können ihre Vertreter im Stiftungsrat nicht nach Wahlen vorzeitig abberufen und neu besetzen.

Gremienreformen können Amtszeiten verkürzen

Schon zweimal in der ORF-Geschichte waren ORF-Generäle ihren Job mit neuen ORF-Gesetzen vorzeitig los – Gerd Bacher wurde von Bruno Kreiskys, Kanzler und SPÖ-Chef, Rundfunkgesetz 1974 aus dem Amt befördert, Gerhard Weis vom ORF-Gesetz der ÖVP/FPÖ-Regierung unter Wolfgang Schüssel. In beiden Fällen erwarteten sich die Regierungen von den Nachfolgern einen – ihnen gegenüber – freundlicheren ORF. Die Erwartungen der recht rasch wechselnden Kanzler der Regierungspartei ÖVP an die Berichterstattung des ORF scheint Roland Weißmann nicht rundweg zu erfüllen. Die ÖVP bestimmte mit ihrer Mehrheit 2021 im Stiftungsrat seine Bestellung zum ORF-General. Formell bestellt ist er bis Ende 2026. Bei vorzeitigem Dienstschluss muss der Generalsvertrag ausbezahlt werden, Weißmann soll ein Rückkehrrecht auf seine frühere Position als Chefproducer haben.

Offenlegung von Gehältern, strengere Regeln, KV

Unbill mit der Belegschaft verspricht die Offenlegungspflicht des ORF-Gesetzes: 2024 muss der ORF erstmals offenlegen, wie viele seiner Beschäftigten in welche Gehaltsklassen fallen. Bei Jahreseinkommen ab 170.000 Euro müssen laut Gesetz Gehälter namentlich offengelegt werden, zudem Einkünfte aus Nebentätigkeiten. Der ORF-Betriebsrat geht dagegen gerade beim Obersten Gerichtshof vor.

Eine "Ethikkommission" unter dem Vorsitz der ehemaligen Managerin der Schweizer SRG, Ingrid Deltenre, arbeitet einen neuen Verhaltens- und Corporate-Governance-Kodex für den ORF und dessen Belegschaft aus. Erwartet werden etwa strengere Regelungen für Nebentätigkeiten und strengere Regeln für Social-Media-Aktivitäten von ORF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern. Die Vorschläge und neue Vorschriften dürfte Weißmann spätestens im März dem Stiftungsrat vorlegen. Damit macht man sich in der Belegschaft nicht nur Freundinnen und Freunde.

Grant trug dem General und vor allem dem Betriebsrat auch der KV-Abschluss für 2024 ein. Er folgte Österreichs geringster KV-Erhöhung um 2,1 Prozent für 2023, vorgezogen immerhin auf Herbst 2022. Für 2024 wurden damals schon 2,4 Prozent vereinbart. Nun wurden mit dem Gehaltsabschluss 4,6 Prozent Erhöhung 2024 zusätzlich vereinbart, plus Teuerungsausgleich.

Gleich zu Jahresbeginn endet, am 10. Jänner, die Bewerbungsfrist für neue Ressortleiterinnen und Ressortleiter über alle Medien für Österreichs größten Newsroom mit rund 370 Journalistinnen und Journalisten. Auftraggeberin der Ausschreibung ist formell die neue Chefredakteurin Gabi Waldner-Pammesberger. Aber die Entscheidung über solche Personalfragen liegt beim ORF-General. Enttäuschungen sind da einkalkuliert.

Es wird ein spannendes, auch unsicheres Jahr für den ORF und dessen General. Zu seinen Hobbys zählen Langstreckenlauf und Boxen, Karate kann er auch. Die Österreich-Spiele der Fußball-Europameisterschaft (und den Grand Prix von Österreich) muss der Sportfan bei Konkurrent Servus TV schauen. (Harald Fidler, 1.1.2023)