Von welchen Medienmenschen wird man 2024 mehr hören? Eine Entwicklung Sebastian Hinterstoissers für Red Bull und seinen langjährigen Boss Dietrich Mateschitz wird in diesem Jahr zum neuen Maßstab für die Fernsehbranche. Hinterstoisser entwickelte im Dosenkonzern eine neue Quotenmessung, die 2024 in einen neuen Teletest einfließt. Der europäische Verband der TV-Werbevermarkter, EGTA, bewertet das als "interessanteste Neuerung am TV-Markt seit Einführung der ersten TV-Messung". Sie ermöglicht auch TV-Werbevermarktung in Echtzeit – wie online geläufig.

Sebastian Hinterstoisser ist Geschäftsführer von TV-Insight, das ein gewaltiges Onlinepanel zum neuen Teletest beisteuert.
Sebastian Hinterstoisser ist Geschäftsführer von TV Insight, das ein gewaltiges Onlinepanel zum neuen Teletest beisteuert.
privat Bearbeitung DER STANDARD

Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz hat 2009 Servus TV gegründet und wollte damit damals nach eigenen Angaben Fernseh-Know-how erarbeiten für seine Idee eines globalen Red-Bull-TV. Vielleicht wollte der Mann mit Sinn für Großes zudem in der Heimat mit einem Servus TV nach seinem Geschmack den ORF oder einen der ORF-Fernsehkanäle überflügeln. Die Quotenmessung Teletest sah Servus TV damals ein gutes Stück entfernt davon (und tut das heute noch, auch wenn der Sender inzwischen der größte private Anbieter beim Gesamtpublikum ist). Red Bull entwickelte eine eigene Quotenmessung. Und die wird 2024 nun Branchenstandard als Teil eines neuen Teletests.

Mateschitz, erklärt

Hinterstoisser indes erklärt Mateschitz' Motivation so: Der Red-Bull-Gründer habe erkannt, "dass mit dem derzeitigen Stand der TV-Messung keine wirklich valide Grundlage besteht, um einerseits die Programmgestaltung für den Seher zu verbessern und anderseits auch den werbetreibenden Kunden eine stabile Abrechnungsgrundlage zu liefern. Diese Erkenntnis, gepaart mit dem Wissen um den zunehmenden Shift der Werbemillionen von heimischen TV-Unternehmen in Richtung der digitalen Konkurrenz aus dem Ausland, hat zu dem Wunsch geführt, selbst eine verbesserte Quotenmessung zu entwickeln." Mateschitz wollte damit laut Hinterstoisser "von Anfang an den heimischen Medienmarkt unterstützen", Servus TV sei nicht im Vordergrund gestanden. Deshalb habe Red Bull die Technologie nicht alleine genützt, sondern 2021 in eine gemeinsame Firma mit dem Trägerverein des Teletests eingebracht und mit Teletest-Know-how weiterentwickelt.

2012 begann Hinterstoisser nach dem Studium der Wirtschaftsinformatik an der Hochschule München bei Servus TV, erst in Programmierung und Medienforschung etwa, dann als Projektmanager für die damalige Senderführung, etwa für Digitalisierung des Senders. 2017 übernahm Sebastian Hinterstoisser dann das Management der Owned-Media-Kanäle von Red Bull wie Red Bull TV und redbull.com. 2019 machte ihn Konzernboss Dietrich Mateschitz zum Manager seiner Division Red Tech, zuständig für allerlei IT-Lösungen und Innovationen für den Konzern und externe Partner.

Eine dieser Entwicklungen waren Lösungen für TV-Nutzungsmessung, die nun in den "Teletest 2.0" einfließen, und für die Echtzeitausspielung von Werbung im Fernsehen, die die TV-Branche – unter der Marke "TV-Load" – recht zuversichtlich stimmt.

Was wird aus der Quote?

Bisher steht in 1.670 österreichischen Haushalten mit rund 3.700 dort lebenden Menschen, von der Marktforschungsfirma GfK repräsentativ ausgewählt, ein Teletest-Gerät im Fernsehzimmer. Menschen im Haushalt und Gäste melden sich per Fernbedienung an, wenn sie fernsehen, das Gerät zeichnet auf, welche Programme wie lange laufen, und übermittelt die Daten nachts an GfK. Die Auswertung für den Vortag geht am frühen Vormittag an die Sender.

Das zusätzliche Messsystem – genannt "TV Insight" – beruht auf den Nutzungsdaten von mehr als einer Million mit dem Web verbundenen und anonymisierten Fernsehgeräten. Es wird "mit den bisherigen Teletest-Daten trainiert und kalibriert", um repräsentative Daten zu liefern: "Das ermöglicht die Messung der TV-Reichweite auf Basis eines synthetischen TV-Panels, das vielfach größer ist als das derzeitige TV-Panel hinter der bisherigen Teletest-Messung" und bringe "viel höhere Stabilität und Belastbarkeit der Daten", sagt der Red-Tech-Chef. Sie seien damit "mindestens gleichwertig mit der digitalen Konkurrenz von Google, Amazon, Meta, Netflix ...". Durch die Anonymisierung gebe es zugleich keine Probleme mit dem Datenschutz, versichert er.

Die Entwicklung fließt nun, ab 2024, in einen neuen Teletest 2.0 ein. Hinterstoisser ist seit 2021 Geschäftsführer der TV Insight GmbH, die noch zu 98,75 Prozent Red Bull gehört, mit 1,25 ist der Verein Arbeitsgemeinschaft Teletest aller größeren TV-Sender des Landes beteiligt, die auch den Teletest in Auftrag gibt.

Google und Co entgegentreten

Die Entwicklung sei "die weltweit erste TV-Messung, die in Echtzeit Daten liefert für den gesamten TV-Markt und somit eine digitale Vermarktung der normalen TV Reichweiten ermöglicht", erklärt Hinterstoisser. Ziel sei nicht weniger, als "dem österreichischen TV-Markt eine Möglichkeit zu geben, sich gegen die große und teilweise übermächtige internationale digitale Konkurrenz zu verteidigen".

Das Generalsekretariat der Arbeitsgemeinschaft Teletest klang zuletzt auf STANDARD-Anfrage noch etwas weniger euphorisch und wollte zum neuen Teletest vorerst nur das sagen: "Mit dem Teletest 2.0 wird ab 2024 die zunehmende fragmentierte TV-Nutzung und die damit verbundenen Schwankungen in einem Zuschauerpanel stabilisiert. Dabei wird das Beste aus zwei Welten zusammengeführt: Stabile Nutzungsmuster aus der hbbTV-Messung von TV-Insight werden mit den Zielgruppeninformationen und Nutzungsvorgängen aus der GfK-Panelmessung zusammengeführt. Wir befinden uns aktuell in einer intensiven Test- und Entwicklungsphase, neben der Stabilisierung der TV-Daten werden diese im nächsten Schritt mit einer plattformübergreifenden Streaming-Messung angereichert." (fid, 6.1.2023)