Die Umstellung von der GIS zum neuen ORF-Beitrag für alle begleitete Christian Kerschbaumsteiner noch als Co-Geschäftsführer der ORF-Tochter GIS mit. Zum Jahreswechsel, unmittelbar vor dem Umstieg auf die Haushaltsabgabe, verabschiedete er sich formell von der in OBS umgetauften ORF-Tochter. Man trennte sich einvernehmlich, bestätigt man auf STANDARD-Anfrage im ORF, will die Gründe aber nicht näher kommentieren.

OBS-Illustration für den neuen ORF-Beitrag.
OBS-Illustration für den neuen ORF-Beitrag.
OBS Screenshot

Geschäftsführer eingespart

Auch Kerschbaumsteiner reagierte auf eine schriftliche Anfrage des STANDARD über die Gründe seines Ausscheidens von Dienstagfrüh via Linkedin bisher nicht. Kolportiert werden unterschiedliche Auffassungen über den Managementstil. In einer für das Unternehmen GIS organisatorisch fordernden Situation mit deutlichem Jobabbau im Jahr 2023 wurden diese offenbar deutlicher Thema.

Die GIS und nunmehrige OBS trennte sich mit der Umstellung auf die Haushaltsabgabe von rund 80 Außendienstmitarbeiterinnen und -mitarbeitern, die bisher an Türen klopften und nach GIS-pflichtigen Rundfunkgeräten fragten. Mit dem ORF-Beitrag aller Hauptwohnsitze und Firmen, unabhängig vom Empfang, wurde diese Frage obsolet. Man arbeitet sich nun insbesondere anhand der – schon zuvor für die GIS zugänglichen – Meldedaten durch die gemeldeten Hauptwohnsitze.

Nun soll es nach STANDARD-Informationen bei einem Geschäftsführer in der verkleinerten ORF-Tochterfirma bleiben, die Funktion hat seit Anfang 2022 Alexander Hirschbeck, der selbst im Außendienst der GIS begonnen hat. Mit Kerschbaumsteiners Abgang spare man auch in der Geschäftsführung der OBS, heißt es dazu im ORF.

Gut 600.000 private Zahler mehr erwartet

Der Abgang eines Geschäftsführers habe nichts mit den Kalkulationen für die Umstellung auf den ORF-Beitrag über die zu erwartenden Beitragszahlerinnen und -zahler zu tun, heißt es im ORF. Sie basieren auf Schätzungen des Finanzministeriums.

Die Erläuterungen zu dem im Sommer 2023 beschlossenen ORF-Gesetz und ORF-Beitrags-Gesetz über die neue Haushaltsabgabe gingen von 525.000 Haushalten aus, die ab 2023 zusätzlich ORF-Beitrag zahlen müssen. Zudem rechnete man mit zusätzlich 100.000 Firmen, die mit dem Abschied von der GIS beitragspflichtig würden.

Der ORF ging in seiner Budgetplanung für 2024, beschlossen vom Stiftungsrat im November 2023, von 714.000 zusätzlichen beitragspflichtigen Haushalten aus, die im September 2023 noch keine GIS zahlten.

Für etwas mehr als 100.000 bei der GIS gemeldete Nebenwohnsitze wurde bisher zumindest für vier Monate pro Jahr GIS fällig; sie müssen seit der Umstellung keinen Beitrag mehr zahlen. Nach Abzug der wegfallenden Nebenwohnsitze bleiben nach diesen Prognosen 610.000 private Zahler mehr.

Der ORF rechnete auch mit fast doppelt so vielen Befreiungen für einkommensschwache Privathaushalte wie bisher – fast 400.000.

Weniger Geld für viele

Der ORF-Beitrag wurde für den Großteil der bisher 3,2 Millionen Haushalte mit GIS-Kombi-Entgelt günstiger – der ORF bekommt nun statt 18,59 Euro noch 15,30 Euro pro Monat und Haushalt. Für rund 170.000 Menschen, die bisher nur TV- oder Radio-GIS zahlten, wurde der Beitrag an den ORF allerdings deutlich teurer.

Der Bund verzichtete auf seine bisher auf die GIS eingehobenen Abgaben, das waren 3,86 Euro im Monat. Wien, Niederösterreich und Salzburg strichen die Landesabgaben auf den Beitrag, Oberösterreich und Vorarlberg hoben schon auf die GIS keine ein.

344.000 Beiträge von Unternehmen

Unternehmen müssen nach dem Personalstand pro Gemeinde mit Niederlassungen bis zu 100 Beiträge zahlen. Das Finanzministerium rechnete mit rund 344.000 Beiträgen von Firmen im Jahr 2024.

Firmen bekommen erst Ende April, Anfang Mai ihre Vorschreibungen von der OBS, wenn die aktuellen Daten der Finanzbehörden über die Kommunalsteuer vorliegen, nach der die OBS für Firmen berechnet wird.

"Im grünen Bereich"

Privathaushalte bekamen schon 2023 Post von der OBS, wer ihr keine Sepa-Lastschriftabbuchung erlaubt, erhielt schon im Jänner die Vorschreibung für das ganze Jahr 2024 von rund 184 Euro. Wie läuft die Abwicklung des neuen Beitrags seit Jahresbeginn? Menschen mit Einblick in die Entwicklung der OBS berichten dem STANDARD von einer bisherigen Entwicklung der Beiträge seit Jahresbeginn "im grünen Bereich". Ob die Prognosen über zusätzliche Zahler sich als realistisch erweisen, liege nicht zuletzt an der Qualität der verfügbaren Meldedaten über Hauptwohnsitze.

710 Millionen pro Jahr

Im ORF verfolgt man die Entwicklung des neuen ORF-Beitrags naturgemäß aufmerksam: Er liefert mehr als zwei Drittel* von gut einer Milliarde Euro jährlicher ORF-Einnahmen und macht den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zum weitaus größten Medienkonzern im Land.

Der ORF darf laut neuem Gesetz zwischen 2024 und 2026 im Jahresschnitt nicht mehr als 710 Millionen aus den Beiträgen einsetzen, um seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag zu erfüllen. Nimmt er mehr aus dem Beitrag ein, gehen die Mittel vorerst auf ein Sperrkonto. Mit dem Geld kann er allfälligen Finanzbedarf für den Auftrag ausgleichen.

Grazer Anwälte vermissen Beschlüsse

Zwei Wiener Rechtsanwälte* vermissen nun für den neuen Beitrag das im Gesetz weiterhin vorgesehene Prozedere für die Bestimmung der Beitragshöhe – Beschluss durch den ORF-Stiftungsrat, Prüfung des Finanzbedarfs für den öffentlichen ORF-Auftrag und Bestätigung durch die Medienbehörde. Nach deren Rechtsansicht bräuchte man diese Schritte, auch wenn das Gesetz selbst die Höhe des Beitrags sowie die möglichen Mittel für den ORF für drei Jahre festschreibt, wie das Portal "Inside-Politics" berichtet.

Die Medienbehörde KommAustria erklärte dem Portal dazu: "Wie Sie wissen, wurde das ORF-Gesetz novelliert. Dazu gehört, dass der Gesetzgeber in Paragraf 31 Abs. 19 ORF-G den Beitrag mit EUR 15,30 für den Zeitraum der Jahre 2024 bis 2026 festgelegt hat. Insofern war eine Befassung der KommAustria gesetzlich nicht vorgesehen. Alle anderen Bestimmungen des § 31 ORF-Gesetz, insbesondere jene, die die Genehmigung der KommAustria betreffen, gelten somit für allfällig notwendige Anpassungen des ORF-Beitrags nach 2026. Zu den weiteren Bestimmungen verweisen wir freundlichst auf das ORF-Gesetz." (fid, 14.2.2024)