Ein Kind wird auf eine Impfung vorbereitet. 
In Österreich mehren sich die Masernfälle. Wie gegensteuern?
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PRO: Kein Vergleich zu Corona

von Muzayen Al-Youssef

Zu einer Impfpflicht ist schon alles gesagt, könnte man meinen. Erinnern wir uns an das Jahr 2021 zurück: Das Coronavirus fegte gerade über das Land, und die Regierung kündigte hastig eine Impfpflicht an. Immer verbissener stritten Fürsprecher und Gegner über deren Sinnhaftigkeit. Nach Monaten ließ die Politik den Plan fallen: Er war der Panik entsprungen und entsprechend unausgegoren.

Warum also überhaupt wieder darüber sprechen? Nun: Eine Impfpflicht ist nicht gleich eine Impfpflicht. Ein zentrales Gegenargument im Fall des Coronavirus war, dass eine Impfung nicht vor einer Infektion schützt. Damit nützt sie bloß jenen Personen, die sie selbst in Anspruch genommen haben. Menschen diese individuelle Entscheidung, die letztlich nur die eigene Gesundheit betrifft, zu entziehen wäre falsch.

Darin liegt aber auch der Unterschied zu Masern. Sich dagegen impfen zu lassen bedeutet, gar nicht erst infiziert zu werden. So können Betroffene drastische Langzeitfolgen für sich selbst vermeiden – aber eben auch für andere. Wer nicht krank wird, kann andere nicht anstecken. Hinzu kommt, dass besonders Kinder gefährdet sind. Für sie ist es gar nicht möglich, selbstbestimmt zu entscheiden, ob sie sich impfen lassen wollen.

Anstatt eine Impfpflicht dogmatisch zu verteufeln, wäre es sinnvoll, sich zu fragen, ob sie junge Menschen vor einer unnötigen Erkrankung schützen könnte. Sie werden es uns danken, sobald sie diese Entscheidung selbst treffen können. (Muzayen Al-Youssef, 14.2.2024)

KONTRA: Trotzdem der falsche Weg

von Gerald John

An Masern gibt es nichts zu verharmlosen. Gerade bei kleinen Kindern kann diese Krankheit schlimme Komplikationen auslösen. Umso wichtiger wäre es, dass sich möglichst alle Menschen impfen lassen.

Trotzdem wäre eine Impfpflicht der falsche Weg. Der internationale Vergleich zeigt, dass auch gelindere Mittel wie durchdachte Aufklärung zum Ziel führen können. Manche Staaten erreichen ohne Zwang hohe Immunisierungsquoten.

Das Diktat hingegen bringt unerwünschte Nebenwirkungen mit sich. So zeigen regelmäßige EU-Befragungen, dass Zweifel an Sinn und Sicherheit von Impfungen in Ländern am weitesten verbreitet sind, wo es eine Pflicht gibt. Druck dürfte das Vertrauen also schwächen – mit der Gefahr, dass die Menschen zwar die Krot der vorgeschriebenen Impfungen schlucken müssen, dafür aber immer häufiger die ebenfalls sinnvollen empfohlenen Angebote ausschlagen.

Dazu kommen gesellschaftliche Kollateralschäden. Die hierzulande in einer Panikreaktion eingeführte Corona-Impfpflicht entpuppte sich als Turbo der Polarisierung. Wer will, dass sich noch mehr Leute unter dem Gefühl der Bevormundung in verschwörungsschwangere, staatsfeindliche Blasen abkoppeln, kann dieses Experiment nun bei Masern wiederholen. Denn klar ist: Mit Samthandschuhen lässt sich eine Impfpflicht nicht durchsetzen. Ohne harte Strafen geht da nichts. (Gerald John, 14.2.2024)