Psychotherapie
Die türkis-grüne Reform sieht nicht nur ein Masterstudium an öffentlichen Unis vor, sie regelt auch die postgraduale Ausbildung samt therapeutischen Befugnissen.
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Wien – Die Ärztekammer schießt sich auf wesentliche Teile der Psychotherapiereform ein, die Türkis-Grün im Frühjahr im Parlament beschließen will. Der Gesetzesentwurf der Regierung war bis vergangene Woche in Begutachtung und sieht einen großräumigen Umbau der Ausbildung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten vor.

Bei der Präsentation der Reform zu Jahresbeginn stand vor allem im Fokus, dass künftig nicht mehr nur kostspielige Privatunis, sondern auch die öffentlichen Universitäten ein Masterstudium in Psychotherapie anbieten können, das an einen facheinschlägigen Bachelor anschließen soll. Ein Budget für bis zu 500 Masterstudienplätze verspricht die Regierung dafür. Dieses Vorhaben erntet von den meisten Fachverbänden und auch den Unis viel Zustimmung, zumal die Nachfrage nach Psychotherapie in den vergangenen Jahren stark gestiegen ist und das staatliche Angebot die Ausbildung für Studierende leistbarer machen soll, wie Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) ankündigte. Auch die Ärztekammer begrüßt die Akademisierung der frühen Ausbildungsphasen.

Kontakt zu Psychiatrie fehle

Massive Kritik übt die ärztliche Standesvertretung nun hingegen am Umbau der nachgelagerten postgradualen Ausbildung und den damit einhergehenden Befugnissen. Der letzte und mit fünf Jahren längste Abschnitt der Ausbildung soll prinzipiell weiterhin in der Hand von Vereinen liegen, die als "psychotherapeutische Fachgesellschaften" verschiedene Schulen und Behandlungsmethoden vertreten. In der Ausgestaltung der Praxisteile sieht Ärztekammer-Chef Johannes Steinhart allerdings eine "sehr gefährliche Entwicklung", wie er bei einer Pressekonferenz am Mittwoch erklärte.

Denn vorgeschrieben ist in der Novelle bloß, dass die postgraduelle Praxis in "klinikartigen" psychotherapeutischen Settings stattfinden soll. Aus Sicht der Ärzte ist das zu wenig, weil damit nicht garantiert ist, dass die Auszubildenden mit psychiatrisch Erkrankten in Kontakt kommen und mit den medizinischen Hintergründen vertraut werden. "Man kann die Ausbildung damit komplett an der Medizin vorbei machen", bemängelt Christa Rados von der Gesellschaft für Alterspsychiatrie und Alterspsychotherapie. Auch Steinhart stößt sich an der "künstlichen Abtrennung der Psychotherapie von der psychosomatischen Medizin und der Psychiatrie".

Aus Sicht der Ärztekammer müsste ein Teil der Praxisausbildung jedenfalls in psychiatrischen Kliniken abgehalten werden, und zwar für eine Dauer von zumindest sechs Monaten. Bei Krankheiten wie Schizophrenie sei es nämlich unbedingt notwendig, auch mögliche biologische Ursachen oder medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten zu kennen und die Grenzen psychotherapeutischer Ansätze zu erlernen. Werde dieses Wissen nicht verpflichtend in der Praxis vermittelt, drohe ein gravierender Qualitätsverlust.

Ärztevertreter wollen Ärzte aufwerten

Außerdem ärgert die Ärzte, dass Psychotherapeuten schon nach dem Masterstudium niedergelassen behandeln dürfen sollen. Das schaffe eine gravierende Ungleichheit zu Psychiatern, denen das erst nach sechsjährigem Studium plus sechsjähriger Facharztausbildung erlaubt ist. Für Dietmar Bayer, den Obmann der Kurie der niedergelassenen Ärzte, drohen damit trotz regelmäßiger verpflichtender Supervision "Westentaschenpsychiater", sprich: Die Hürden für eigenverantwortliche Behandlung seien für Psychotherapeuten im Gesetz zu niedrig bemessen. "Ein Turnusarzt kann ja auch nicht in einer Garagenpraxis eine Herzoperation machen und dabei seinen Ausbildungsarzt telefonisch um Rat fragen", argumentierte Bayer.

Generell fordert die Kammer, dass Medizinerinnen und Mediziner in der Novelle des Psychotherapiegesetzes aufgewertet werden. So solle etwa ein abgeschlossenes Medizinstudium dem Psychotherapie-Master im Hinblick auf die weitere Ausbildung gleichgestellt werden. Auch sollen Fachärzte für Psychiatrie und Kinderpsychiatrie sowie Ärzte mit einem Kammerdiplom für psychotherapeutische Medizin automatischen Zugang zur Berufsliste der Psychotherapeuten bekommen. (Theo Anders, 14.2.2024)