Robert Fuchs, Gründer der Fahrradschule Schulterblick in Wien
Robert Fuchs hat 2011 eine Fahrradschule gegründet und bringt Kindern und Erwachsenen bei, wie sie sich auf den Straßen sicher fühlen können.
Melanie Raidl/Der Standard

Im Straßenverkehr hat Robert Fuchs schon alles Mögliche erlebt, er war lange Jahre als Fahrradbote tätig. Ein Auto hat er auch nie besessen. Von A nach B ging es für ihn immer schon mit dem Rad oder den Öffis. Irgendwann stellte er sich die Frage: Warum haben Radfahrer ein teils so schlechtes Image – und wie lassen sich Konflikte im Straßenverkehr vermeiden? Dabei fiel ihm auf, wie er dem STANDARD erzählt, dass die Ausbildungsmöglichkeiten für Fahrradfahrende recht mager waren. Mit der Radfahrprüfung in der Volksschule war es das bei den meisten Menschen schon. Die Übungen für die Prüfung fanden allerdings immer im abgesichertem Raum statt. Im echten Straßenverkehr zu fahren ist aber wieder ganz etwas anderes, sagt Fuchs. Daher gründete er 2011 die Fahrradschule Schulterblick, mit der Intention, Kindern, aber auch Erwachsenen, mehr Lust auf das Radeln in der Stadt zu machen. Kurse, die dann theoretisch als auch praktisch im Straßenverkehr stattfinden, gibt er für Erwachsene, Erwachsene mit Kindern oder für Schulklassen.

An seinem Job, aber auch dem Radfahren selbst schätzt Fuchs vor allem das Gemeinschaftsgefühl, welches auf den Straßen aufkommen kann. Radeln lade zur Kommunikation ein, viele schöne Begegnungen würden zustande kommen. "Wer sich sicher ist und Kompetenz aufgebaut hat, wird die Begegnungen und die Gemeinschaft auf der Straße wertschätzen", ist er sich sicher. Diese drei Dinge würde er wegen seines Jobs niemals tun:

1. Losfahren ohne Schulterblick

"Ein Schulterblick bedeutet viel mehr, als nur zu schauen, ob der Weg frei ist. Es geht um eine innere Einstellung: Bin ich Einzelkämpfer auf der Straße oder Teil einer Gemeinschaft? Will ich mich nur durchsetzen, oder will ich, dass alle sicher unterwegs sind? Mit gutem Gewissen loszufahren erfordert nicht nur den einen Blick, sondern auch Kooperation und klare Kommunikation mit den anderen Verkehrsteilnehmern und -teilnehmerinnen. Die Fahrtechnik ist natürlich wichtig, aber noch wichtiger ist das gute Miteinander. In meinem Job in der Verkehrserziehung habe ich die Erfahrung gemacht, dass reines Wissen über die Regeln nicht ausreicht, man muss auch deren Sinnhaftigkeit verstehen. Gerade auf dem Radweg fühlen sich viele Fahrende geschützt, weil es ihre Spur ist. Aber trotzdem wird es Konflikte mit anderen Verkehrsteilnehmenden geben, wenn sie mit diesen nicht interagieren. Auch unter Radlerinnen und Radlern kann dies schnell passieren: Ist jemand direkt vor mir plötzlich langsamer und ich weiß nicht, was die Person als Nächstes tut, weil sie kein Handzeichen gibt, kann das irritieren. Wer hingegen kommunikativ fährt, wird auch Positives zurückbekommen."

2. Rücksichtslos durch die Straßen eilen

"Viele Menschen setzen nicht so viel auf Rücksicht im Verkehr, dabei steht sie in der Straßenverkehrsordnung geschrieben. Man merkt auch, dass es vielen Leuten schwerfällt, sich rücksichtsvoll zu verhalten. Es ist ein bisschen wie das Bravsein in der Schule, man wird immer angehalten, es zu tun, und gleichzeitig ist es ein weitgehend veralteter und inhaltsloser Begriff. Ich sage gerne: Das was wir als Rücksichtslosigkeit bezeichnen, ist einfach ein Mangel an Kompetenz. Statt mehr Rücksichtnahme brauchen wir die Fähigkeit, die Begegnungen im Straßenverkehr so zu gestalten, dass sie für alle angenehm sind. Ich versuche, meinen Schülerinnen und Schülern gerade deshalb vor allem die Kompetenzen für Begegnungen beizubringen. Es ist wichtig, sich auch mal für eigene Fehler zu entschuldigen, aber auch sich zu bedanken, wenn man zum Beispiel Vorrang bekommt. Das heißt natürlich nicht, dass man alles einfach hinnehmen muss. Verständigung im Sinne eines guten Miteinanders, mehr brauchen wir nicht."

3. Andere als Hindernisse wahrnehmen

"Ich nehme oft wahr, dass das Stehenbleiben vielen schwerfällt und sie am liebsten überall durchfahren würden. Oft ist es stark in den Menschen verankert, dass andere Verkehrsteilnehmer Gefahrenquellen oder nur Hindernisse sind, die sie überwinden müssen. Manchen ist es gar nicht bewusst, dass sie so denken. Dabei geht die Gefahr nicht von anderen Menschen aus. Meistens wird es durch mangelnde Kommunikation oder unklare Verständigung gefährlich auf der Straße. Andere Verkehrsteilnehmende wird es immer geben, man wird nie allein in der Stadt fahren. Jene, deren Idealvorstellung ein komplett freier Weg für sie allein ist, werden immer wieder sehr frustriert sein. Aber da bin ich wieder bei den Kompetenzen: Wer diese für das Radfahren in der Stadt aufbaut, wird auch in einer vollen Straße mit verschiedenen Verkehrsteilnehmenden gut zurechtkommen." (Melanie Raidl, 18.2.2024)