Florian Grünig, Bauleiter bei Hochtief
Florian Grünig arbeitet in Wien am Ausbau der Linie U2, zuvor war der Deutsche unter anderem in Stuttgart und Stockholm tätig.
DER STANDARD

Nach seinem Studium des Bauingenieurwesens arbeitete Florian Grünig direkt bei der Firma Hochtief und kam intern in den Infrastrukturbereich. So kam er zum Tunnelbau, der ihn anfing zu begeistern. In Stockholm arbeitete er bereits an einem Projekt für einen Tunnel für Stromkabel, durch die grüne Energie fließen soll. Auch in Stuttgart machte er die Bauleitung für die U-Bahn. Jetzt ist der Deutsche in Wien für die Neugestaltung der Linie U2 und der U-Bahn-Stationen mitverantwortlich.

Weil der Tunnelbau zeitintensiv ist, arbeitet Grünig als Schichtbauleiter neun Tage am Stück von frühmorgens bis abends und hat dann fünf Tage frei. Grünig ist dafür verantwortlich, dass die Baustelle richtig funktioniert. Er muss dokumentieren und festhalten, was während der Arbeiten passiert, damit die Abrechnung stimmt. Er muss analysieren, welche Aufgaben die Poliere und Arbeiter priorisiert durchführen sollen und, wenn etwas schiefgeht, das Problem lösen – bis der Tunnel immer länger wird und man sehe, dass es vorangehe, sagt Grünig im Gespräch mit dem STANDARD. Spannend ist für ihn das innerstädtische Arbeiten, weil genau darauf geachtet werden muss, dass sich durch die Baggerarbeiten 20 Meter unter der Erde die angrenzenden Gebäude nicht zu sehr setzen.

Weil Maschinen im Tunnel auf engstem Raum fahren und betätigt werden, müsse besonders auf die Arbeitssicherheit geachtet werden. Pro Tag kommt der Bagger im Tunnel etwa zwei bis drei Meter voran, was die Baustelle zu einem jahrelangen Projekt macht. Wie eine andere Welt ist es da unten, sagt der Bauleiter, einmal hätten er und seine Kollegen sogar einen Mammutzahn gefunden, der nun ausgestellt wird. Was Grünig aufgrund seines Jobs jedenfalls niemals tun würde, hat er im Gespräch erzählt:

1. Nicht richtig kommunizieren

"Das Fundament der guten Arbeit ist Kommunikation. Bei uns ist das das A und O. Sonst würde ja auch nichts vorangehen. Auf der Baustelle gibt es Menschen aus vielen verschiedenen Nationen und auch viele Charaktere. Es ist wichtig zu schauen, dass sich alle verstehen und zusammenarbeiten können. Eine wichtige Voraussetzung ist also auch, zwischen den Menschen richtig zu vermitteln und richtig auf sie zuzugehen. Wenn jemand nicht die Sprache spricht, muss man auch mal mit Übersetzungs-Apps oder eben nonverbal kommunizieren. In dem Job sollte man Toleranz zeigen, alle willkommen zu heißen, und vor allem Ruhe bewahren. Denn wegen Stress gleich zu schreien würde meiner Meinung nach genau das Gegenteil von dem bewirken, was man eigentlich will. Natürlich kann es wegen der Arbeitssicherheit, und weil es auch gefährlich werden kann, auch streng zugehen. Das muss man aushalten können. Denn keiner will einen Arbeitsunfall erleben – zum Glück habe ich das noch nie. Ich komme aus dem Ruhrpott, wo der Bergbau tief verankert ist in der Tradition, ich versuche das in meiner Begeisterung mitzunehmen und weiterzuleben."

2. Nicht auf die Sicherheit achten

"Die Sicherheit der Menschen auf der Baustelle muss immer höchste Priorität haben. Ich versuche mir immer vorzustellen, was passieren könnte, und analysiere demnach die Vorkehrungen. Ich schaue zum Beispiel, ob die Geländer richtig hängen und Maschinen richtig bedient werden. Im Endeffekt bin ich als Bauleiter mitverantwortlich, wenn etwas passiert, deshalb muss ich besonders aufmerksam sein. Dafür muss man auch mal akzeptieren, wenn die Arbeiten etwas langsamer vorangehen, aber dafür geschehen keine Verletzungen. Im Tunnel haben wir die Besonderheit, dass es beschränkte Fluchtmöglichkeiten gibt. Es muss also beispielsweise immer einen ausreichend großen und sicheren Arbeitsraum für die Mineure (Arbeiter im Tunnelbau, Anm.) geben, genügend Feuerlöscher vor Ort stehen und auch sogenannte Selbstretter griffbereit sein. Das sind Atemschutzgeräte, die man sich im Brandfall anzieht und so sicher durch den Rauch laufen kann – denn es gibt ja nur eine Richtung."

3. Die freie Zeit nicht richtig nutzen

"Tunnelbau findet selten vor der Haustür statt, man wird oft international eingesetzt und muss dann auch länger dort vor Ort sein. Durch unsere Schichten und Arbeitszeiten sind die meisten von uns also eine längere Zeit nicht zu Hause bzw. auch abends nicht zu Hause. Die Zeit, die man dann in der Heimat oder mit der Familie hat, sollte man wirklich gut nutzen. Es braucht für jeden auch etwas anderes als nur die Arbeit. Ich gehe zu Hause gerne wandern und richte gerade mein eigenes neues Haus ein, das macht mir Spaß. Wichtig ist, eine Methode zu finden, mit der man abschalten kann und sich auch von der Arbeit distanzieren kann. Denn die mehreren Tage am Stück Arbeit fordern viel Organisiertheit und Genauigkeit, da muss man wieder mit frischem Kopf dran, und in den neun Tagen Arbeit bleibt natürlich wenig Freizeit. Es war aber immer mein Wunsch, auch in andere Länder zu gehen und rauszukommen, deswegen mache ich das gerne." (Melanie Raidl, 8.1.2024)