Als Revierleiterin ist Gerlinde Hillebrand im Tiergarten Schönbrunn in Wien für verschiedene Wildtiere verantwortlich. Täglich pflegt sie Giraffen, Koalas, Pandas und Kängurus. Ihr Erfahrungsschatz ist aber viel größer. Sie war auch einmal für das Regenwaldhaus im Einsatz, hatte es mit Reptilien, Säugern und Fischen zu tun. Lange war sie auch im polaren Bereich, bei den Pinguinen und Eisbären.

Tägliche Arbeit mit den Koalas: Genauigkeit ist dabei besonders wichtig.
AP

Vor allem was die Ernährung der Tiere betreffe, müsse man achtsam und genau sein, erzählt sie dem STANDARD bei einem Besuch in Schönbrunn – die einen essen nur Bambus und Wachteleier, die anderen nur Eukalyptus oder auch verschiedene Blätter. Dann gibt es auch die Hornraben im Ostafrikahaus, die Mäuse und Eintagesküken essen. Auf die Giraffen gelte es besonders aufzupassen, sagt Hillebrand, sie seien sehr schreckhafte Tiere und könnten schnell einmal gegen irgendetwas stoßen. Besonders schön findet sie die abwechslungsreiche Arbeit im Freien und den intensiven Bezug zu den Tieren.

Hillebrand leitet in Schönbrunn ein Team aus zehn Tierpflegerinnen und -pflegern. Seit rund 19 Jahren arbeitet sie schon in dem Bereich, zwischendurch war sie auch im Zoo Salzburg tätig. Ihr Wissen rund um Tiere gibt sie auch weiter: Sie unterrichtet Auszubildende, hat in der Berufsschule, der Veterinärmedizinischen Universität und der Tierpflegerschule gelehrt. Dazu sitzt sie auch in der Prüfungskommission der Tierpflegerschule. Was sie aufgrund ihrer Erfahrung niemals tun würde, erzählt sie an einem kalten, aber sonnigen Dezembernachmittag direkt neben dem Haus der Koalas:

Tiergarten Schönbrunn
Neben den Koalas ist Gerlinde Hillebrand für Giraffen, Pandas und Kängurus zuständig.
Der Standard

1. Tiere vermenschlichen

"Man darf Tiere nicht eins zu eins mit Menschen gleichsetzen. Immer wieder bekomme ich mit, welche absurden Videos es online mit Haustieren oder anderen Tieren zu sehen gibt, zum Beispiel wenn sie in Spielzeugautos gesetzt werden oder ihnen Kleidung angezogen wird. Für mich ist das respektlos und bedeutet, dass die Tiere schlecht behandelt werden. Ein Heimtier hat es nicht verdient, in bestimmte Posen gezwungen zu werden oder in menschlicher Kleidung herumlaufen zu müssen – nur damit es lustig oder lieb aussieht.

Tiere können uns Menschen nicht sagen, wenn sie etwas nicht möchten. Auch was die Ernährung betrifft, denn gebe ich einem Hund oder einer Katze, die Fleischfresser sind, nur vegetarisches Futter, dränge ich ihnen meinen Willen auf. Als Mensch kann man sich aussuchen, was man essen möchte, und das ist auch gut so. Aber man sollte auch respektieren, dass sich Tiere in ihrem natürlichen Umfeld anders ernähren."

2. Den Garten zu sehr aufräumen

"Wer seinen Garten zu steril und sauber aufräumt, schafft damit auch Plätze für Wildtiere weg. Im Herbst etwa muss man nicht jeden Laubhaufen oder alle Blätter wegkehren und generell nicht alles schottern und kiesen, jedes Blatt abzupfen oder Altholz wegschaffen. Äste etwa können auch als Bruthöhlen im Winter dienen. Besonders im städtischen Umfeld sollten wir Lebensräume für die verschiedensten Tiere schaffen, denn es gibt zahlreiche Tiere, die Wildpflanzen und Unterschlupf benötigen. Im weiteren Sinn würde ich deshalb keine Giftmittel einsetzen, auch nicht gegen Schnecken oder Insekten.

Ich bin selbst auf dem Land aufgewachsen und in einer Umgebung, wo Wildtiere immer Platz hatten, sei es, dass sie nur auf der Terrasse vorbeigeschaut haben. Hier muss man wirklich Aufklärungsarbeit leisten, denn Menschen sollten wissen, wo sich Igel oder Fledermäuse verstecken oder wo Amphibien gerne hausen. Sie alle sind Tiere, die auf der Roten Liste stehen und bedroht sind. Wenn Insekten aussterben, wirkt sich das in der Folge zum Beispiel auch auf die Vogelpopulation aus. Es ist ja auch etwas Schönes, wenn mal ein Vogel zufliegt oder die Bienen auf dem Lavendelstock sitzen. Und jeder hat natürlich gerne hübsche Zierpflanzen, aber es ist gut, sich Gedanken zu machen, welche Pflanzen man für heimische Tierarten anpflanzen kann. Einen Garten sollte man auch als Biotop sehen, und hier kann jeder Mensch einen Beitrag leisten."

3. Tierarten werten

"Persönlich würde ich niemals eine Spinne aus der Wohnung werfen, abgesehen davon sind sie sympathische und für das Ökosystem wichtige Tiere. Oft zählt das Leben einiger Tiere mehr als jenes von anderen. Man hat etwa eine Katze im Haus, tötet aber eine Spinne. Aber Letztere erfüllt auch ihre Funktion und hat einen guten Grund, warum sie sich eine Wohnung oder Keller als Rückzugsort aussucht.

Haustiere sollte man auch nicht einfach auszusetzen. Gerade jetzt – Weihnachten steht vor der Tür – ist das auch wieder ein sehr wichtiges Thema. Jeder muss sich vor der Beschaffung eines Heimtieres richtig Gedanken machen, ob er es versorgen kann, wie alt das Tier in etwa werden kann und was damit passiert, wenn man auf Urlaub fährt. Vor rund 20 Jahren gab es viele, die Schmuckschildkröten ausgesetzt haben. Man hat diese damals für wenig Geld bekommen. Diese Tiere werden aber groß, sind gefräßig, brauchen viel Platz und werden sehr alt. Viele haben sie dann ausgesetzt, weil sie sie irgendwann nicht mehr interessant gefunden haben. Jeder kennt auch die Geschichten von ausgesetzten Hunden auf der Raststätte oder Schlangen in der Toilette.

Auch wir Tierpfleger werden oft kontaktiert, wenn bei der Donau Schildkröten gesichtet werden oder nichtheimische Vögel herumfliegen. Abgesehen davon führt das Aussetzen solcher Tiere zu einer verfälschten Fauna, damit kann man auch Schaden anrichten. Und auch hier ist das wieder eine Sache des Respekts!" (Melanie Raidl, 10.12.2023)