Ana Weidenauer, Fachärztin für Psychiatrie am AKH Wien.
Ana Weidenauer, Fachärztin für Psychiatrie am AKH Wien.
Der Standard

Sich freuen, jemanden lieben, vor Wut schreien können oder sich auch mal leer fühlen: Die Psyche beeinflusst meistens, wie Personen mit sich oder anderen umgehen. Für Ana Weidenauer war ihre Leidenschaft für das Verhalten von Menschen ein Grund für ihre Berufswahl. Sie ist Fachärztin für Psychiatrie und seit zehn Jahren am AKH Wien tätig. Dazu forscht sie auch wissenschaftlich im Bereich Neuropsychiatrie, sieht sich also an, welche Veränderungen im Gehirn von Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen stattfinden.

In der Ambulanz im AKH kümmert sie sich stationär um Patientinnen und Patienten mit Erkrankungen wie Depressionen, Schizophrenie oder auch Abhängigkeitserkrankungen. Dem STANDARD erzählt Weidenauer bei einem Besuch in ihrem Büro, wie man auch ohne Medikamente die eigene Psyche pflegen kann, sie ihr Handy bewusst öfter weglegt und sie immer wieder einen Power-Nap einlegt. Im neuen Teil der Serie "Was wir niemals tun würden" verrät Weidenauer, was sie nie mehr tun würde:

1. Zu wenig schlafen

"Ich würde niemals zu wenig oder schlechten Schlaf akzeptieren. Es gibt Menschen, die sich absichtlich vom Schlaf deprivieren, wie etwa im Trend '4 a.m. Club'. Generell leben wir in einer Gesellschaft, in der viele sehr früh aufstehen müssen und nicht im Einklang mit ihrer Biologie sind. Das ist meiner Meinung schon ein Faktor, der Menschen eher psychisch erkranken lässt. Nächte wegen der Arbeit durchzumachen oder für die Uni durchzulernen wird als Risiko häufig unterschätzt, denn auf Dauer ist so wenig Schlaf wirklich gesundheitsschädlich. Ich mache selbst auch mal kurze Schlafpausen zwischendurch und achte auch in meinen 24-Stunden-Diensten auf genügend Erholung. Meine Empfehlung ist: Wenn man Schlafstörungen verspürt oder merkt, dass man lange Zeit schlecht oder zu wenig schläft, sollte man lieber einmal öfter zu einer Ärztin gehen und eine Behandlung in Anspruch nehmen."

2. Zu wenig auspowern

"Viele Menschen überrascht das vielleicht, aber Ausdauer- und Kraftsport ist nicht nur ein bisschen gut für die Stimmung, sondern hat wirklich mittelgradige antidepressive Effekte. Spazieren gehen alleine hilft aber nicht, es sollte wirklich zwei- bis dreimal die Woche fordernder Sport sein, bei dem man auch außer Atem kommt. Depressiven Menschen kann etwa Krafttraining bei ihren Symptomen helfen, bei Angststörungen kann Ausdauersport hilfreich sein. Auch gegen Demenz hilft ausreichend Bewegung vorbeugend. Natürlich sollte man darauf achten, nicht durch den Sport selbst körperliche Schäden zu verursachen oder Untergewicht zu erreichen, aber selbst Marathonlaufen ist im gesunden Bereich, wenn man dabei genügend auf sich achtet. Bei einer Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS) kann ausreichend Sport sogar bei manchen wie eine Psychotherapie wirken. Durch die körperliche Anstrengung kommt mehr Blut ins Gehirn, und dieses dankt es uns damit, dass es mehr Serotonin und Dopamin ausschüttet und mehr Nervenzellen bildet."

3. Übermäßig am Handy scrollen

"Auf Bildschirme zu schauen ist meiner Einschätzung nach ein unterschätzter Faktor im Bereich psychische Gesundheit. Die Symptome bei Depressionen oder Angststörungen können bei zu viel Konsum von sozialen Medien wie Instagram oder Tiktok verschlimmert werden, vor allem wenn man sich über Stunden einfach durchscrollt. Es gibt Hinweise darauf, dass dies nervöser macht, ADHS-Symptome steigert oder depressiver macht. Rein biologisch ist unser Gehirn nicht darauf ausgelegt, innerhalb einer Minute zahlreiche Bilder, Videos, Farben und Eindrücke wahrzunehmen und so lange angeleuchtet zu werden. Obwohl man vielleicht währenddessen auf dem Sofa liegt, wenn man sich durch soziale Plattformen scrollt, zieht das sehr viel Energie aus einem heraus und kann sich sehr schlecht auf die Konzentration auswirken. Persönlich habe ich einen Timer eingestellt, um nicht mehr als eine Stunde zu scrollen, und schaue darauf, mehr analog zu konsumieren. Ich achte aktiv darauf, Bücher zu lesen, statt im Internet zu surfen, und kaufe mir auch Magazine zum Lesen."