Junge Frau sitzt im Bett und gähnt
Immer mehr Menschen sind Fans des frühen Schlafengehens. Das macht aber nur für die wenigsten wirklich Sinn.
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Der Trend scheint – zumindest, wenn man einen Blick in das Feuilleton wirft – eindeutig: Junge Menschen hätten dem exzessiven Lifestyle abgeschworen, liest man immer öfter. Aus Sex, Drugs and Rock 'n' Roll soll Nüchternheit, gesunde Ernährung und Granny-Life geworden sein. Und zum Teil ist diese Entwicklung auch wissenschaftlich belegt: Junge Menschen trinken heute beispielsweise deutlich weniger Alkohol als Generationen vor ihnen. Sie sind die "Generation langweilig", sagen die einen. "Generation gesundheitsbewusst", würden andere womöglich entgegnen. Medizinerinnen und Forscher beobachten mit Freude den gesünderen Lifestyle der Jungen, DER STANDARD berichtete dazu etwa hier.

Dazu gehört auch eine gute Schlafhygiene. Immer mehr junge Menschen wollen ihren Schlaf verbessern und früher ins Bett gehen. 21 Uhr scheint das neue Mitternacht zu sein. Diesen Trend beobachtet Melanie Pesendorfer auch in der Praxis. Sie ist Schlafcoachin, hält in Schulen Vorträge zu dem Thema, und immer häufiger fragen junge Erwachsene ein Coaching bei ihr an. Grundsätzlich gut, dass Schlaf und sein Einfluss auf die Gesundheit immer mehr Aufmerksamkeit bekommen, findet sie. "Aber teilweise beschäftigt sich die junge Generation schon fast ein bisschen zu intensiv damit", sagt sie.

Das Befassen mit dem Thema könnte rasch in Druck und Optimierungsdrang umschlagen – und genau das ist kontraproduktiv beim Schlaf. Denn der hat viel mit Entspannung und Vertrauen in sich selbst zu tun, erklärt die Expertin: "Wenn wir uns intensiv damit beschäftigen, sehen wir Schlaf nicht mehr als etwas Natürliches an, sondern als etwas, das man wie die Ernährung oder die Fitness perfektionieren muss. Aber den besten Schlaf haben wir ganz ohne Druck."

Die meisten sind keine Morgenmenschen

Außerdem ist das extrem frühe Zubettgehen und Aufstehen ohnehin nur für die wenigsten wirklich gesundheitsfördernd. Denn in der Chronobiologie sind sich Fachleute dazu einig: Nur zwischen zehn und zwanzig Prozent aller Menschen sind Morgenmenschen, die entsprechend früh schon gut einschlafen können. Die meisten hingegen, etwa um die 70 Prozent, sind Normaltypen. Ihre ideale Aufstehzeit ist zwischen sieben und acht Uhr morgens. "Das hängt ein bisschen von der Jahreszeit ab, weil die Sonne der wichtigste Taktgeber unserer inneren Uhr ist", erklärt Pesendorfer. Im Sommer sind diese Zwischentypen auch schon einmal um halb sieben wach, im Winter gegen acht Uhr. Um auf ausreichend Schlaf zu bekommen, sollten sie zwischen 23 Uhr und Mitternacht ins Bett gehen.

Das gilt zumindest für Erwachsene. Denn bis sich der eigene Chronotyp und die innere Uhr vollständig eingependelt haben, kann es dauern. Jugendliche seien laut der Expertin nämlich bis zum Alter von etwa 25 Jahren sind vom Hormonhaushalt her tendenziell noch eher der Spättyp, der lange aufbleiben und auch einmal bis weit nach Mitternacht Party machen kann. "Wenn man jetzt auf Biegen und Brechen um 21.30 Uhr ins Bett geht, weil man denkt, dass das gut für die Schlafhygiene sei, man aber dann wach liegt, weil man einfach vom Chronotypen her eher später schlafen gehen sollte, kann sich langfristig eine Schlafstörung daraus entwickeln", warnt Pesendorfer.

Regelmäßigkeit ist für guten Schlaf am wichtigsten

Bei Normaltypen ist das Schlaffenster meist zwischen halb elf und Mitternacht, in diesen 90 Minuten sollte man sich hinlegen. In den eineinhalb Stunden davor gibt es kein sogenanntes biologisches Schlaffenster – also ein Zeitfenster, wo physiologisch alle Prozesse auf Ruhe eingestellt wären und der Körper daher besonders empfänglich für Schlaf ist. Wenn man länger als zwölf Stunden wach war, hat man zwar körperlich grundsätzlich genügend Schlafdruck aufgebaut und man wird vielleicht auch gut einschlafen können, aber es ist nicht das optimale Schlaffenster. "Ein zu frühes Schlafengehen kann zum Beispiel zu einer Verschiebung des Taktes der inneren Uhr führen, was langfristig die Schlafqualität beeinflussen kann. Und so fühlt man sich womöglich trotz ausreichend Stunden an Schlaf ein bisschen schlapp, wie ein Mini-Jetlag“, sagt die Schlafcoachin.

Das sei bei Teenagern und jungen Erwachsenen aber nicht weiter schlimm. Ein junger Körper kann Schlafentzug und viele nicht ganz so ideale Nächte wegstecken. Viel wichtiger sei langfristig gesehen die Regelmäßigkeit: "Das ist das Schlafhygienegesetz Nummer eins", betont Pesendorfer. "Je regelmäßiger ich zur selben Zeit schlafen gehe und aufstehe, desto besser funktioniert der Schlaf und desto gesünder ist man in der Folge."

Aber auch da können wir vieles erst einmal gut wegstecken, beruhigt sie. Junge Schichtarbeiterinnen und Schichtarbeiter aus Pflegeberufen, der Polizei oder der Industrie haben erst einmal keine körperlichen Probleme. Erst wenn die Unregelmäßigkeit länger anhält, kann es eventuell zu gesundheitlichen oder Ein- und Durchschlafproblemen kommen. Wer langfristig unregelmäßig oder schlecht schläft, erhöht beispielsweise sein Risiko für Stoffwechselerkrankungen.

Ein bisschen Unregelmäßigkeit hier und da ist aber überhaupt nicht schlimm – etwa wenn man unter der Woche zu wenig zur Ruhe kommt und am Wochenende Schlaf aufholt. So geht es nämlich ganz vielen, etwa zwei Drittel der Österreicherinnen und Österreicher schlafen unter der Woche zu wenig. "Und auch wenn wir einmal länger fortgehen, halten wir das gut aus", sagt Pesendorfer. Wichtig dabei ist nur: Am nächsten Tag keinen Wecker stellen, sondern so lange ausschlafen, bis man von selbst aufwacht – das sei auch ein wichtiger Appell an die Eltern von Teenagern, sagt die Expertin: "Jugendlich sollten man am Wochenende ruhig einmal bis 13 oder 14 Uhr ausschlafen lassen, statt um neun Uhr aufs gemeinsame Familienfrühstück zu bestehen." (Magdalena Pötsch, 17.2.2024)