Der Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) war zu Gast in der "ZiB 2".
EPA/JULIEN WARNAND

Wien – Als die "intensivste Sicherheitskonferenz seit Jahren" hat Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) die dreitägige Tagung mit Spitzen der Weltpolitik in München bezeichnet. Am Sonntag ging die Konferenz zu Ende, am Sonntagabend stand Schallenberg in der "ZiB 2" zu den aktuellen Krisen und Konflikten in einem vorab aufgezeichneten Interview Rede und Antwort.

ZIB 2: Schallenberg zu aktuellen Krisen und Konflikten
ORF

Nach anfänglicher diplomatischer Zurückhaltung findet der Außenminister im Interview nun auch klare Worte und nennt das Regime von Russlands Präsident Wladimir Putin beim Namen: "Welches Land hat in aller Brutalität einen Nachbarstaat angegriffen? Wer hat Kriegsverbrechen verübt? Natürlich ist es (Russland, Anm.) ein verbrecherisches und mörderisches Regime", sagt Schallenberg am Sonntagabend in der "ZiB 2".

Und auch den Tod des Regimekritikers Alexej Nawalny im sibirischen Straflager bewertet Schallenberg deutlich: "Es war eine Tötung auf Raten, ganz klar." Im Vorfeld hatte Schallenberg eine direkte Schuldzuweisung an Moskau im Gegensatz zu Bundespräsident Alexander Van der Bellen vermieden

"Rückblickend vielleicht ein wenig naiv"

Ob man vor vier Jahren wirtschaftliche Interessen über menschliche gestellt hätte, fragt die "ZiB"-Moderatorin Marie-Claire Zimmermann? Im Jahr 2020 wurde ein Giftanschlag auf Nawalny verübt, wenige Monate später wurde Russland auch sanktioniert, die Zusammenarbeit mit Russland, etwa bei der Gaspipeline Nordstream 2, wurde aber weder von Österreich noch Deutschland ausgesetzt. "Das stimmt nicht", gibt Schallenberg zurück. Er hätte in der Süddeutschen Zeitung damals klar Position bezogen und auch Sanktionen gefordert.

"Rückblickend vielleicht ein wenig naiv" sei man aber angesichts des immer restriktiveren Systems Putin in dem Bemühen zu trennen gewesen. Man hätte versucht, nicht alle Dialog-Kanäle einschlafen zu lassen, nicht alle Brücken einzureißen und "wir haben vielleicht die Zeichen an der Wand nicht deutlich genug gesehen", räumt Schallenberg ein. Aber: "Seit dem Angriffskrieg gibt es da keine Zweifel mehr, wir wissen ganz genau, wofür Wladimir Putin und seine Politik steht."

"Langer Atem und strategische Geduld"

Was die Chancen auf ein Ende des Krieges in der Ukraine angeht, will sich Schallenberg keinen Illusionen hingeben: "Ich glaube, wir brauchen einen langen Atem und strategische Geduld." Man habe es in der Ukraine "mit einem Stellungskrieg, leider mit den Mitteln des 21. Jahrhunderts, zu tun - und das werden wir noch viele Monate weiter sehen."

Auf die Frage, ob es Zeit für einen anderen Weg sei, etwa Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, antwortet Schallenberg, dass es keine Friedensverhandlungen über die Ukraine ohne die Ukraine geben sollte. Das Land müsse den Zeitpunkt für Verhandlungen selbst entscheiden.

 "Keine Alternative zur Zweistaatenlösung"

Beim zweiten großen Konfliktherd, dem Krieg in Nahost, steht Schallenberg "ohne wenn und aber hinter dem Selbstverteidigungsrecht Israels". Er betont aber erneut, dass kein Staat, auch nicht Israel, über dem Völkerrecht stehe. Israel müsse sich bei jeder Aktion die Frage der Verhältnismäßigkeit stellen: "Was ist der legitime Kampf gegen Terrorismus und wo gehe ich über das Ziel hinaus und gefährde Zivilisten?"

Bei der geplanten israelischen Offensive in Rafah bräuchte es etwa einen "glaubwürdigen, nachvollziehbaren, auch realistischen Plan", wie die Zivilgesellschaft beschützt werden muss. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz sei daran gearbeitet worden.

Dass eine Zweistaatenlösung ein Zugeständnis an die Hamas sei, wie es Israels Präsident Isaac Herzog betont hatte, weist Schallenberg zurück. "Wir brauchen kurzfristig drei Schritte. Wir brauchen die Möglichkeit, dass wir humanitäre Hilfe hineinbringen und die Geiseln hinaus." Zweitens bräuchte es einen Plan für Gaza. "Gaza muss palästinensisch bleiben", so Schallenberg. Und drittens sieht der Außenminister "intellektuell keine Alternative zu der Zweistaatenlösung". Denn: Weder die Israelis noch die Palästinenser würden sich in Luft auflösen. (awie, APA, 18.2.2024)