Eine Pride-Parade wie hier in Belgrad wird es in Kabul trotz Akzeptanz gegenüber der Website nicht so schnell geben.
AP/Marko Drobnjakovic

Der Mitbegründer von queer.af Erin Shepard verkündete Anfang Februar das Ende des alternativen sozialen Netzwerks, welches 2018 mit großen Ambitionen gestartet war. Nach dem damaligen Informationsstand schien es aufgrund der Inhalte der betroffenen Websites zu dieser Suspendierung gekommen zu sein. Queer.af sollte einen geschützten Raum für LGBTIQ+-Personen bieten. Jetzt ist klar, dass es sich offenbar gar nicht um die Inhalte, sondern vielmehr um einen Zahlungsdisput zwischen der afghanischen Regierung und der Verkaufsstelle für Websitenamen gandi.net handelte.

Shepard veröffentlichte im Zuge seiner Ankündigung, die Website schließen zu wollen, einen Auszug aus einer E-Mail des afghanischen Kommunikationsministeriums. In dieser wurde die unmittelbare Suspendierung der Domain aus der Registrierungsdatenbank angekündigt. Bei weiteren Fragen über den Prozess solle sich der Entwickler direkt bei dem Registrierungsanbieter gandi.net melden. Seitdem sind neben queer.af weitere Domains offlinegegangen, die mit der Endung ".af" (gelesen als "as fuck") humorvoll im Internet aufscheinen wollten. So sind etwa broke.af, awesome.af und sexy.af nicht mehr aufrufbar.

Die Schließungen der Websites sollen aber nichts mit den nicht Taliban-konformen Inhalten zu tun haben, wird vonseiten des Ministeriums betont. In einem Bericht von Reuters äußert sich Enayatullah Alokozai, ein Sprecher des afghanischen Kommunikationsministeriums, zu den suspendierten Websites. Es gehe um 150 verschiedene auf ".af" endende Domains, die alle mit dem französischen Anbieter gandi.net registriert wurden. Über 17.000 Dollar an ausständigen Gebühren wurden dem afghanischen Staat noch nicht ausbezahlt. Der CEO von gandi.net, Arnaud Franquinet, erzählte Reuters von den Schwierigkeiten, die offene Schuld zu begleichen. Es handle sich eher um 100 Domains, aber internationale Sanktionen und die unsichere Finanzsituation in Afghanistan sollen die Transaktion der Schulden weiters erschweren. "Angesichts des Kontexts ist es schwer, grünes Licht zu bekommen, um alle Zahlungen zu leisten", sagte Franquinet. "Wir arbeiten daran, aber es dauert eine Weile."

Zukunft der ".af"-Domains

Theoretisch steht den Websites nach Begleichung der Schulden durch gandi.net nichts mehr im Wege, um den Betrieb wieder aufzunehmen, dennoch wird die am meisten besuchte Seite queer.af ihre Tätigkeit nicht mehr weiter fortsetzen. Auch wenn die Taliban von öffentlicher Seite kein Problem mit dem für LGBTIQ+-Menschen geschützten Raum haben, hat der Gründer Erin Shepard die Schließung der Mastodon-Instanz schon zuvor angekündigt. Die Domaingebühren solle nicht für die Finanzierung einer terroristischen Organisation herhalten, deshalb bat er seine Nutzerschaft, bis Mitte April auf ein anderes soziales Netzwerk zu wechseln. Dieser Deadline ist der Gebührendisput zwischen gandi.net und dem afghanischen Medien- und Kommunikationsministerium zuvorgekommen.

Es wird sich zeigen, ob andere Websitebesitzer ihre Domains trotz Geldflusses an die Taliban weiterführen werden. Die meisten dieser gut hundert Seiten wurden wenig benutzt und wohl eher als Witz Jahre zuvor registriert. Anders als Tuvalu mit seiner populären ".tv" Endung, wie etwa bei twitch.tv, oder Libyen, das mit seinem ".ly"-Suffix bei bit.ly jährlich Millionen erwirtschaften konnte, hat Afghanistan den Trend der späten 2010er-Jahre, Websites mit seiner Endung zu versehen, nicht nutzen können. (red, Reuters, 20.2.2024)