Totschnig und Gewessler
Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) und Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) sind sich beim Thema Biogas einig, zuvor haben ÖVP und Grüne lange um einen Kompromiss gerungen.
APA/HELMUT FOHRINGER

Wer an Erdgas denkt, hat wohl ein paar große Produzenten vor Augen: die OMV, die russische Gazprom oder die amerikanische Exxon Mobil. Beim Biogas ist der Markt ein völlig anderer: Hier zählen Bauernhöfe, Molkereien und Forstwirte ebenso zu den Herstellern wie große Energieversorger, darunter die EVN, und Abfallentsorger wie Wiens MA 48.

Für diesen bunten Kreis an Biogasproduzenten will die Bundesregierung nun die Rahmenbedingungen deutlich verbessern. Am Mittwoch verkündeten ÖVP und Grüne die Einigung auf ein lange geplantes Erneuerbares-Gas-Gesetz (EGG). Für den Beschluss im Nationalrat braucht die Regierung allerdings eine Zweidrittelmehrheit und damit die Stimmen entweder der SPÖ oder der FPÖ.

Die Kraft des Mists

Was hat die Koalition vor? Gasversorger sollen künftig durch feste Quoten dazu verpflichtet werden, Erdgas stufenweise durch Biogas zu ersetzen. Bis zum Jahr 2030 sollen mindestens 7,5 Terawattstunden "grünes Gas" ins österreichische Netz eingespeist werden, die Versorger müssten zudem sicherstellen, dass sie den Anteil auf mindestens 9,75 Prozent hochschrauben. Zum Vergleich: Heuer soll der Anteil von Biogas gerade einmal 0,35 Prozent betragen.

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) will mit dem EGG gleich zwei Zielen näher kommen. Erstens sei der Umstieg auf Gas aus biologischem Abfall ein Beitrag zum Klimaschutz. Zweitens könnte man mithilfe heimischen Biogases die Abhängigkeit von russischen Gasimporten verringern. Statt des Gaswerks beim Kreml habe man künftig ein Kraftwerk beim Misthaufen, warb die Ministerin am Mittwoch für das EGG. Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) erhofft sich durch die Verwertung organischer Abfälle zudem, "die heimische Wertschöpfung anzukurbeln".

Verfehlen Gasversorger die Biogasquote – die jährlich steigen sollen –, werden laut dem Gesetzesentwurf Strafzahlungen fällig. Pro fehlende Kilowattstunde (kWh) müssen sie 15 Cent an eine EGG-Abwicklungsstelle zahlen. Diese Gelder sollen als Fördermittel für die Errichtung von Biogasanlagen und Anlagen zur Produktion erneuerbaren Wasserstoffs verwendet werden. Im Vergleich zum Begutachtungsentwurf vom Vorjahr wurden die Sanktionen damit gesenkt; ursprünglich waren 18 Cent Strafe je kWh vorgesehen.

Energie aus Abfällen

Biogas wird in Österreich aus Holzresten, landwirtschaftlichen Abfällen oder auch aus Biomüll gewonnen. Über den chemischen Prozess werde gleich viel klimaschädliches CO2 gebunden, wie bei der Verbrennung erzeugt wird, heißt es aus dem Klimaschutzministerium. Biogas verursache keine zusätzlichen klimaschädlichen Ausstöße.

Im Gegensatz zu anderen Staaten wie Dänemark, das gezielt Großanlagen für Biogas aus dem Boden gestampft hat, dominieren in Österreichs Biogasszene noch Kleinanlagen. "Dieses Bild ändert sich aber gerade wesentlich", sagt Franz Kirchmeyr vom Kompost- und Biogasverband dem STANDARD. Die größte Biogasanlage des Landes hat Margarethen am Moos in Niederösterreich, eine weitere bedeutende steht wenige Kilometer östlich im Energiepark in Bruck/Leitha.

Grafik zu Biogas
Aus biologischem Müll lässt sich Gas machen, das etwa in der Industrie wohl auch nach der Energiewende gebracht wird.

Faktor Mülltrennung

Dass Österreich Probleme haben werde, jährlich 7,5 Terawattstunden Biogas zu produzieren, glaubt Kirchmeyr nicht. Aus organischen Abfällen und Restabfällen aus der Landwirtschaft sowie Ausschüssen aus der Holzindustrie ließen sich laut Berechnungen bereits 40 Terawattstunden gewinnen. Die Mülltrennung, gerade im Hinblick auf Biomüll, werde durch das EGG "noch einmal einen Schub bekommen", glaubt Kirchmeyr. Österreich liege beim Mülltrennen gut, beim Sammeln von Biomüll gebe aber noch viel Potenzial, gerade im dicht verbauten Wohnbau. Im Bundesabfallwirtschaftsplan wurde im Vorjahr festgestellt, dass in Österreich jährlich 700.000 Tonnen Biomüll im Restmüll vergammeln.

Die Koalitionsparteien müssen jedenfalls noch SPÖ oder FPÖ für eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat überzeugen. Beide Oppositionskräfte zeigten sich auf Ö1 vorerst aber skeptisch, weil sie durch das EGG höhere Gaspreise für die Verbraucher fürchteten.

SPÖ und FPÖ skeptisch

Gewessler gibt sich naturgemäß zuversichtlich, dass sich die notwendige Mehrheit im Parlament finden lässt. Im Ministerium heißt es auf Nachfrage des STANDARD zur Oppositionskritik, dass die Biogasquote ja stufenweise angehoben werde und die Preise bei zunehmender Produktion sinken würden. Zudem sei im EGG explizit die Möglichkeit einer Verordnung eingebaut, um eventuell steigende Gaspreise durch mehr Biogas mithilfe staatlicher Förderungen abzufedern. (Lukas Kapeller, 22.2.2024)