In vielen Whatsapp-Gruppen in Wohnhäusern ist ordentlich was los. Ob das Getippe zielführend ist, scheidet die Geister.
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Pro

Freud und Leid liegen wahrlich sehr nah beieinander in diesen Gruppen, deren Nachrichten da mehrmals täglich auf meinem Handydisplay aufpoppen. Da werde ich informiert, dass in einen der Fahrradabstellräume eingebrochen wurde, auf einer anderen Stiege jemand im Treppenhaus raucht oder dass – ich habe mit dem Zählen aufgehört – weiß Gott wie viele Pakete bei irgendwem abgegeben und von den eigentlichen Empfängerinnen und Empfängern dort noch nicht abgeholt wurden.

Andererseits: Die Gruppen, in denen ich mich mit meinen Nachbarinnen und Nachbarn austausche, sind in den letzten Jahren nicht nur ein Grund für einige tiefe Seufzer gewesen, sondern vor allem ein Grund zur Freude.

Dort werden wir unsere alte Mikrowelle los, verabreden uns zu wöchentlichen Sportkursen, tauschen Bücher aus, erfahren von neuen Geschäften oder Veranstaltungen im Grätzel und beschweren uns Jahr für Jahr, dass wir unsere Betriebskostenabrechnung entweder gar nicht oder mit sehr großer Verspätung bekommen. Geteiltes Leid ist halbes Leid!

Seit ich Mitglied in diesen Gruppen bin, fühle ich mich meinen Nachbarinnen und Nachbarn näher, als Teil einer Gemeinschaft, die automatisch solidarisch ist. Die Menschen, die nebenan wohnen, frage ich immer zuerst, ob sie etwas brauchen können, was ich loswerden oder verkaufen möchte. Und falls ja, mache ich ihnen natürlich einen besseren Preis.

In einer eigenen Gruppe mit dem Namen "Tauschbörse" hilft nicht nur mal sonntags jemand mit einer Dose Mais aus, es ist auch ein kleiner, privater Flohmarkt für uns alle daraus geworden. Das ist nicht nur nachbarschaftlich, sondern auch nachhaltig.

Natürlich tummeln sich auch in unseren Gruppen die aus den sozialen Medien bekannten Trolle, die nur nörgeln oder lästern. Trotzdem möchte ich nicht mehr darauf verzichten – und bin schließlich auch froh, wenn mir dort jemand schreibt, wo mein Paket schon wieder abgeblieben ist. (Bernadette Redl, 27.2.2024)

Contra

Ich mag meine Nachbarn. Wenn ich Kuchen backe, bringe ich ihnen gern ein Stück vorbei. Dafür bieten sie uns öfters etwas von ihrer toskanischen Gemüsesuppe an. Und wenn beim Kochen einmal eine Zutat fehlt und der Supermarkt schon geschlossen ist, wird man in unserem Haus garantiert fündig, indem man unkompliziert und gänzlich analog bei den Menschen nebenan läutet.

Aus meiner hektischen Suche nach Tomatensauce für die Pasta hat sich so schon einmal ein netter Tratsch auf dem Hausgang über die beste Pizzeria des Bezirks entwickelt. Nur auf die Pasta habe ich währenddessen leider vergessen, die war dann nicht mehr ganz al dente. Aber die Tomatensauce war super!

Ob man will oder nicht: Vom Wohnalltag der Nachbarinnen und Nachbarn bekommt man einiges mit. Man hört die Tür ins Schloss fallen, wenn sie in der Früh in die Arbeit gehen, das Klimpern des Schlüssels, wenn sie abends nach Hause kommen. Man hört die Musik, die sie am Wochenende laut hören, und den Hund, der bellt, wenn er zu lange allein ist. Man rückt einander mitunter ganz schön auf die Pelle in so einem Wohnhaus.

Daher muss man die Bekanntschaft mit all den Fremden, mit denen man zufällig unter einem Dach gelandet ist, nicht noch weiter vertiefen. Seien wir uns ehrlich: In jeder Whatsapp-Gruppe beginnt nach einer anfänglichen Phase der Reserviertheit der Wahnsinn.

Irgendwer bombardiert alle anderen mit Einladungen zum Violinkonzert des Cousins zweiten Grades, verwackelten Fotos der ersten Frühlingsblumen auf dem Balkon oder sexistischen Witzen. Bis irgendwann alle die Nachricht auf stumm schalten. Nach der dringend benötigten Tomatensauce wird man dann lange suchen.

Nachbarschaft ist etwas durch und durch Analoges. Meine Handynummer tausche ich daher nur mit jenen aus, die mir garantiert erst dann auf Whatsapp schreiben, wenn meine Wohnung unter Wasser steht. Für alles andere reicht ein Aushang am schwarzen Brett voll und ganz. (Franziska Zoidl, 27.2.2024)