Eine Wüste mit Solarpaneelen, die sich bis zum Horizont hinziehen.
Eine Solaranlage in der Region Ningxia im Norden Chinas. Für derartige Großanlagen wird es im Osten an Flächen fehlen.
AFP/STR

In vielen Diskussionen um Maßnahmen gegen den Klimawandel spielt China eine entscheidende Rolle. Was kleine Länder oder Einzelpersonen tun, sei irrelevant, solange Supermächte wie China ihren Kurs nicht ändern. China ist aktuell der größte Emittent von Treibhausgasen weltweit. Fast ein Drittel des globalen CO2-Ausstoßes kommt inzwischen von dort. Den Ausstoß Chinas in den Griff zu kriegen, wird also tatsächlich entscheidend sein, um die Erderwärmung so weit zu begrenzen, dass eine katastrophale Entwicklung vermieden werden kann.

Eine neue Studie, die nun im Fachjournal "Proceedings of the National Academy of Sciences" erschien, betrachtet nun die Maßnahmen, die in China nötig wären, um das Land bis 2060 klimaneutral zu machen.

Chinas Energiepolitik steht vor allem wegen des Baus neuer Kohlekraftwerke in der Kritik, ist Energiegewinnung aus Kohle doch ist im Vergleich zu anderen fossilen Energieträgern besonders problematisch, weil dabei noch größere Mengen CO2 anfallen als bei Öl und Gas. Doch parallel investiert China auch groß in erneuerbare Energie. Offiziell strebt China nämlich CO2-Neutralität an. Der Weltklimarat rechnet mit einem Rückgang des Anteils an Energie aus Kohle in China auf 35 Prozent im Jahr 2040. 2017 waren es noch 60 Prozent. Der Höhepunkt des CO2-Ausstoßes soll laut Plänen Chinas von 2020 bald erreicht sein, bis 2060 will man komplett CO2-neutral sein.

Umsetzung

Wie das gehen könnte, untersuchte nun eine Forschungskooperation der Tsinghua-Universität in Peking und der University of California San Diego. "Wir wissen, dass China ein sehr ehrgeiziges Ziel verfolgt, um CO2-neutral zu werden. Wir wollten herausfinden, was das genau erfordert", sagt Studienautor Michael Davidson von der School of Global Policy and Strategy und der Jacobs School of Engineering der UC San Diego.

Startpunkt war die Erstellung eines Modells eines möglichen CO2-neutralen Energieversorgungsnetzes für China im Jahr 2060. Dieses speiste man in eine Computersimulation, die untersuchen sollte, wie die Umstellung aussehen müsste. Die Simulation betrachtete das gesamte Netz aus Kraftwerken und Übertragungsleitungen in Parzellen mit einer Größe von 20 bis 30 Quadratkilometern.

Ein Feld aus Solarpaneelen über einer Wasserfläche, davor drei Männer auf einem Floß.
Ein über dem Wasser erbautes Solarkraftwerk in Taizhou im Osten Chinas.
AFP/STRINGER

Verzehnfachung für Erneuerbare

Ein Ergebnis war, dass China in den kommenden Jahrzehnten Wind- und Solarkraftwerke mit einer Leistung von je zwei bis vier Terawatt errichten muss. Zum Vergleich: Die Leistung aller österreichischen Kraftwerke beträgt insgesamt 28 Gigawatt, also weniger als ein Hundertstel davon. Für China bedeutet das, dass es seine Kapazitäten zur Erzeugung von Wind- und Solarstrom verzehnfachen muss. Energie aus Sonne und Wind ist bekanntermaßen nicht durchgehend verfügbar, sondern Schwankungen durch Wetter, Tages- und Jahreszeiten unterworfen. Zusätzlich braucht es daher große Speicherkapazitäten, sowie eine Verdoppelung oder Verdreifachung der Kapazitäten an Hochspannungsleitungen.

Im Zuge der Arbeit des Teams zeigte sich, dass damit verschiedene Konflikte verbunden wären. Im Osten Chinas ist in den Küstenregionen etwa nicht genügend Fläche vorhanden, um diese Anlagen zu errichten. Sie müssten in kleinen Einheiten auf vorhandenen Gebäuden installiert werden. China muss sich zudem einem Problem stellen, das auch aus Österreich bekannt ist. Die Forschenden fordern, die Energiepolitik besser zu koordinieren und landesweit auszurichten, statt sie Ad-hoc-Entscheidungen der Lokalregierungen zu überlassen. 80 Prozent der Photovoltaikfläche und 55 Prozent der Windräder müssten in einem Umkreis von etwa 150 Kilometern um große Ballungszentren errichtet werden. Das könne nur koordiniert funktionieren.

Abhängigkeit von Kohle

Wie ernst es China mit seinen selbst gesteckten Zielen ist, ist dabei nicht völlig klar. Eine Vereinbarung auf einen Ausstieg aus der Energiegewinnung durch Kohle bekämpfte China bei der letzten UN-Klimakonferenz in Dubai. China ist weiterhin stark auf Kohle angewiesen und will sich diese Option offenhalten. Noch schlechter steht es um Indien und einige südostasiatische Staaten. Laut dem Weltklimarat werden sie weiterhin viel Energie aus Kohle gewinnen und dafür sorgen, dass 2050 80 Prozent des weltweiten Kohleverbrauchs auf das Konto dieser Staaten gehen wird.

Aus Europa sind die Nachrichten vergleichsweise ermutigend, hier sank der CO2-Ausstoß auf das Niveau der 1960er-Jahre. Nicht eingerechnet sind allerdings in Drittstaaten entstandene Emissionen von eingeführten Produkten – Drittstaaten wie China. (Reinhard Kleindl, 27.2.2024)