Nehammer zeigt Hand in Kamera.
Bundeskanzler Karl Nehammer war am Mittwochabend zu Gast in der "ZiB 2".
APA/GEORG HOCHMUTH

Berlin – Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) warnt im Ukrainekrieg vor einer nicht mehr kontrollierbaren "Eskalationsspirale". Um einen dritten Weltkrieg zu verhindern, gelte es wachsam zu sein, denn in Kriege könne man auch hineinstolpern, sagte der Kanzler Mittwochabend in der "ZiB 2". "Es braucht neue Lösungen, damit der Konflikt enden kann", betonte Nehammer. Er ergänzte, dass man sich in einer Art "westlicher Echokammer" befinde und die Brics-Staaten mit ins Boot holen solle. Vor allem brauche der Westen China und Indien, um nach einer Friedenslösung zu suchen. Mit diesen beiden Ländern müsse auf Augenhöhe gesprochen werden.

Den russischen Präsidenten Wladimir Putin sah Nehammer in der ORF-Sendung in einer Sackgasse, habe dieser doch keines seiner strategischen Ziele erreicht. Nicht nur sei die Nato um Schweden und Finnland gewachsen, sondern die Länder des Verteidigungsbündnisses würden nun auch, wie von den USA seit langem gefordert, wieder mehr Geld in die Hand nehmen.

Am Montag hatte der französische Präsident Emmanuel Macron nach einem Treffen von etwa 20 Staats- und Regierungschefs in Paris den Einsatz von Bodentruppen nicht ausgeschlossen. Nehammer sagte am Mittwoch, dass dies keine Mehrheitsmeinung gewesen sei. Im Interview mit Oe24.tv hatte Nehammer zuvor bereits gesagt, dass Putin es in der Hand habe, den Krieg zu beenden.

Auf die Frage, ob es nicht verantwortungsvoll wäre, eine ernsthafte Diskussion über die österreichische Neutralität zu führen, sagte Nehammer, dass für ihn immer vorrangig sei, wie man Österreich bestmöglich schützen könne. Er verweigere sich nie einer sicherheitspolitischen Diskussion, aber "es ist Faktum, dass uns die Neutralität derzeit mehr nutzt".

ZIB 2: Interview mit Bundeskanzler Nehammer
ORF

„Ich als Bundeskanzler kommentiere kein laufendes Verfahren"

Nicht nur die Außenpolitik war im "ZiB 2"-Gespräch Thema. Nachdem am Dienstag bekannt geworden war, dass der Richter im Falschaussageprozess gegen Sebastian Kurz, Michael Radasztics, im Mai 2023 zu einer Disziplinarstrafe verurteilt wurde, die Entscheidung aber erst am Montag im Rechtsinformationssystem aufschien, rückte am Mittwoch ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker mit Kritik an ihm aus. Er ortet einen "Anschein der Befangenheit", der von zweiter Instanz – das Urteil gegen Kurz ist nicht rechtskräftig – geklärt werden soll.

ORF-Moderator Armin Wolf fragte Nehammer: "Glauben Sie, dass der Richter Sebastian Kurz aus parteipolitischen Motiven verurteilt hat? Und falls Sie das nicht glauben: Halten Sie es dann nicht für problematisch, wenn Ihre Partei permanent die Justiz oder auch den Richter attackiert?" Nehammer antwortete: "Ich respektiere als Bundeskanzler die Gewaltenteilung. Die unabhängige Gerichtsbarkeit ist ein hohes Gut in unserem Rechtsstaat und unserer Verfassung. Deshalb haben wir eine Rollenverteilung vorgenommen." Der ÖVP-Generalsekretär habe zu dem Urteil Stellung genommen. "Ich als Bundeskanzler kommentiere kein laufendes Verfahren."

Friedrich Forsthuber, Präsident des Landesgerichts Wien, widersprach zuvor den Ausführungen Stockers klar: "Das ist natürlich Teil einer PR-Litigation, die hier stattfindet, um die Person des Richters anzugreifen", sagte er im Ö1-"Mittagsjournal". Und weiter: "Hier werden Äpfel mit Birnen vermischt, das Disziplinarverfahren hat überhaupt nichts mit der Führung des aktuellen Verfahrens gegen den ehemaligen Bundeskanzler Kurz zu tun." Die Grünen und die SPÖ richteten Stocker indes aus, "Zurufe aus der Politik an die unabhängige Justiz" zu unterlassen. (APA, red, 28.2.2024)